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    A Little Trip to Heaven
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    A Little Trip to Heaven
    Von René Malgo

    Es gibt immer wieder Filme, die erreichen nicht den Fokus der breiten Öffentlichkeit, hätten mehr Aufmerksamkeit aber verdient. Meist bleiben sie den Lichtspielhäusern vorenthalten und erschienen direkt auf DVD. Das anspruchsvolle, atmosphärische Thriller-Drama „A Little Trip To Heaven“ ist so ein Film.

    Irgendwo in Minnesota, 1985. Bei einem Autounfall soll der vorbestrafte Kelvin Anderson ums Leben gekommen sein. Eine Million Dollar Lebensversicherung werden dabei für die einzige Begünstigte, seine Schwester Isold (Julia Stiles), fällig. Da es um viel Geld geht, schickt die Quality Life Insurance ihren Versicherungsagenten Abe Holt (Forest Whitaker) in das Örtchen Hastings. Er soll nachprüfen, ob nicht ein Versicherungsbetrug vorliegt. Holt merkt rasch, dass etwas faul ist. Zwischen ihm, Isold und deren unberechenbaren Ehemann Fred (Jeremy Renner) entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Fronten nicht immer so klar sind…

    Die USA wird immer teurer, beklagt die Traumfabrik. Deshalb werden immer mehr Filme im Ausland abgedreht. Das gilt nicht nur für B-Movie-Reißer, sondern auch für große Blockbuster. Zuletzt ist Unterwegs nach Cold Mountain deswegen arg in die Kritik geraten, da Rumänien für ein vom Bürgerkrieg gebeuteltes Amerika hat hinhalten dürfen. „A Little Trip To Heaven“ macht aus Island das US-amerikanische Minnesota der 80er Jahre. Der Drehort bietet sich an, denn Regisseur und Drehbuchautor Baltasar Kormákur (101 Reykjavik) ist Isländer. Hinter ihm steht ein zum größten Teil isländisches Produzenten-Team und auch hinter der Kamera haben sich hauptsächlich Einheimische versammelt. So ist „A Little Trip To Heaven“ mehr ein isländischer, als ein amerikanischer Film… Und tatsächlich: Mit den glattgebügelten Mainstream-Produkten Hollywoods hat dieses Thriller-Drama nicht viel gemein.

    Stilisierte Bilder, dezent eingesetzte Farbfilter, ausgefallene Kamerapositionen und –fahrten sowie schnelle Schnitte gewährleisten eine visuelle Brillanz, die weit über dem Genredurchschnitt liegt. Dabei springt der Film von einer Szene in die nächste, oftmals ohne erklärende Überleitungen, so dass die Aufmerksamkeit des Betrachters stets gefordert ist. Diese ruhelos wirkende Art des Filmens erweist sich nicht als störend, sondern als geschickter Kunstgriff. Dem gegenüber steht nämlich eine bedächtige Erzählweise mitsamt überlegtem Spannungsaufbau. Wenn die Kamera mal ruht, gibt es eindrückliche Panoramabilder rauer Winterlandschaften oder nachdenklicher Gesichter. Was widersprüchlich klingt, verdichtet sich auf Film als ein stimmiges, abwechslungsreiches Ganzes. Auch wenn mal nicht viel passiert, bleibt die Aufmerksamkeit des Betrachters dank faszinierender Optik erhalten. Mittels seiner Regiefertigkeit und dank den ästhetischen Bildern seines Kameramannes Óttar Guðnason (Zweitkameramann für Flags Of Our Fathers) verleiht Kormákur der Geschichte ein Höchstmaß an dichter, ziemlich finsterer Atmosphäre.

    Das mit bedacht gewählte und aufgebaute Setting fügt sich in die stimmige Gesamtoptik mit ein. Seien es nun die beeindruckende Natur, die edlen Büroräume der Quality Life Insurance, das heruntergekommene Haus von Isold oder die typisch amerikanische Highway-Bar. Das Ganze wird vom immer wieder auftauchenden, titelgebenden Song „A Little Trip To Heaven“ musikalisch ansprechend untermalt. Die melancholische Mischung aus Rock und Country passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.

    Die Bilder sind oftmals düster. Düster ist auch die Geschichte. Sie macht aus dem brutalen Versicherungsbetrug kein Geheimnis. Die Spannung wird aus der Hauptfigurenkonstellation gezogen. Was motiviert Holt weiterzugraben? Wann wird es für ihn persönlich? Was für ein Typ ist eigentlich Fred? Und wer ist Isold? Wann und wem gegenüber zeigt sie ihr wahres Gesicht? Wenn Holt der Detektiv ist (und als solcher benimmt sich der Versicherungsmann auch), dann ist Fred der Bad Guy und Isold die Femme Fatale? Dazu kommen einige eigenwillige Nebenfiguren wie eine Barbesitzerin, Vater und Sohn Streifenpolizist oder Holts Kollege Frank (überzeugend: Peter Coyote, Erin Brockovich, E.T. - Der Außerirdische). Da sich das fintenreiche Skript mehr für die Stimmung und die Charaktere als für die Lösung des Falles zu interessieren scheint, kann von einem fast lupenreinen Vertreter der Schwarzen Serie Hollywoods, dem Film Noir, gesprochen werden. Nur, dass „A Little Trip To Heaven“ nicht wirklich ein Hollywoodfilm ist und die Schwarze Serie, die ihre Blütezeit in den 40er Jahren hatte, längst ausgestorben ist. Neo-Noir also…

    Schwarz-Weiß-Malerei liegt dem Film fern. Selbst der vorgebliche Bösewicht Fred wirkt in seinen besten Momenten sympathisch. Die resigniert auftretende Isold ist kein Unschuldslamm und auch Holt handelt nicht immer richtig. Die Antihelden bewegen sich in Grauzonen. „A Little Trip To Heaven“ hält sich mit Moralisierungen zurück. Doch das Thriller-Drama befasst sich durchaus ernsthaft mit Versicherungsbetrug einerseits, den unlauteren Methoden von Versicherungsfirmen andererseits. Auch die präzise Schilderung des „White Trash“-Milieus im Mittleren Westen der USA, über Menschen, die in einem Teufelskreis feststecken, zeigt sich sehr stimmig und ans Herz gehend. Der Betrachter leidet mit Isold mit, kann Fred ein bisschen verstehen und identifiziert sich mit Holt, der immer mehr in einen Gewissenskonflikt gerät.

    Julia Stiles bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt, dass die Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt wird und der Zuschauer nicht weiß, an wen er sich halten soll. Für komplexe Charaktere braucht es fähige Darsteller. Julia Stiles (Das Bourne Ultimatum, Das Omen) als White-Trash-Braut Isold, Forest Whitaker (Der letzte König von Schottland, Johnny Handsome) als ebenso abgeklärter wie gutherziger Versicherungs-Detektiv und Jeremy Renner (S.W.A.T., 28 Weeks Later) als der zwielichtige Fred leisten in dieser Hinsicht hervorragende Arbeit. Sie versehen ihre Charaktere mit weiteren Nuancen und vermitteln durch Blicke oftmals mehr als viele Worte. Stiles und der Oscar-nominierte Whitaker sind eine Klasse für sich, aber auch der eher unbekannte, recht charismatische Renner fällt gegenüber den beiden Hauptdarstellern nicht ab. Skript und Inszenierung haben sich als überdurchschnittlich beschreiben lassen, doch tatsächlich sind die Schauspielleistungen der große Trumpf des Films.

    Gibt es Schwächen? Nun ja, wer sich für die Thematik nicht interessiert, mag das Ganze am Ende für etwas belanglos halten. Und wer alles bis ins I-Tüpfelchen erklärt haben möchte, dürfte sich auch im falschen Film wähnen. „A Little Trip To Heaven“ folgt nicht der gängigen Hollywood-Dramaturgie, ist aber auch nicht so ausgefallen, wie die Paradevertreter aus den Filmografien der Brüder Coen oder eines David Lynch, wie es ein Zitat auf dem Cover der DVD zum Film suggerieren will. „A Little Trip To Heaven“ ist eine kleine, feine und faszinierende Filmperle.

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