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    Jagd auf Roter Oktober
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Jagd auf Roter Oktober
    Von René Malgo

    1990, als der Kalte Krieg schon zu Ende war, verfilmte John McTiernan Tom Clancys Debütroman „Jagd auf Roter Oktober“... über den Kalten Krieg. Nicht nur die Romanvorlage bildete der Auftakt zu mehreren Abenteuern mit Dr. Jack Ryan als Titelheld, auch der Verfilmung folgten bislang drei Thriller mit dem Navy-Analysten. Zwei Mal gab sich Harrison Ford die Ehre, zuletzt wurde ein Neuanfang mit Ben Affleck gewagt. Im ersten Film jedoch durfte sich Alec Baldwin in der Rolle des Navy-Analysten versuchen und machte seine Sache wirklich gut.

    Russen und Amerikaner stehen Kopf: Der renommierte, russische Kapitän Marko Ramius (Sean Connery) ist mit seinem U-Boot „Roter Oktober“ spurlos verschwunden. Das Problem: Das U-Boot ist ein ganz neues Modell und kann sich nahezu lautlos unter Wasser fortbewegen, unhörbar für Sonare. Ramius hat Nuklearsprengköpfe an Bord. Es wird vermutet, dass der Kapitän in Eigenregie Kurs auf Amerika nimmt, um die Raketen abzuschießen. Das wäre ein sehr empfindlicher Dämpfer für die Politik von Glasnost und Perestroika. Doch der Navy-Analyst Jack Ryan (Alec Baldwin) glaubt das Gegenteil: Er denkt, dass Ramius überlaufen möchte. In einem Wettlauf gegen die Zeit muss er nun versuchen, dies zu beweisen. Denn Ramius wird von Russen und Amerikanern gleichermaßen gejagt…

    „Jagd auf Roter Oktober“ wird gern seine amerikanische Sicht auf die Dinge vorgeworfen. Tom Clancy ist denn auch ein - höflich formuliert - sehr konservativer US-Autor (oder ein strammer Rechtsausleger, wenn man’s konkreter mag). Trotzdem leidet der Film nicht unter dem typisch amerikanischen Hurra-Patriotismus. Der Thriller lässt genug Raum für Nuancen und eine differenzierte Darstellung von Hollywoods Lieblingsgegner nach den Deutschen: die Russen. Dass „Jagd auf Roter Oktober“ zwischen den Zeilen den Vorzug des westlichen Kapitalismus hervorhebt, ist so verwerflich nicht. „Jagd auf Roter Oktober“ ist ja ein Film aus amerikanischer Sicht, warum sollten da lange Zeit bekämpfte Ideologien plötzlich gefeiert werden?

    Ganz so politisch brisant ist der Film dann schlussendlich sowieso nicht, denn es handelt sich um eine retrospektive Sicht auf ein fiktives Ereignis während des Kalten Krieges. Herausgekommen ist dabei ein interessanter, spannender Hochglanzthriller, der weit über den Standards gängiger Genrefilmchen rangiert. Das liegt auch an der vielschichtigen, perfekten Drehbuchadaption eines komplexen Romanes. Offiziell für das Skript verantwortlich sind die Herren Larry Ferguson und Donald Ferguson, doch tatsächlich haben einige Köche mehr im Brei herumgerührt. Dass die Geschichte trotzdem so gut funktioniert, ist bemerkenswert. Anfangs hat Sean Connery nicht mitmachen wollen, da er die Handlung als zu unrealistisch für die Nach-Kalter-Kriegs-Zeit einstufte. Als ihm dann aber gewahr wurde, dass der Zeitpunkt der Handlung nicht die Gegenwart von 1990 darstellen soll, nahm er die Rolle doch an. Zum Glück.

    Ursprünglich sollte Klaus Maria Brandauer den Part des Ramius spielen. Er wäre sicher keine schlechte Wahl gewesen, doch Connerys Starpower tut dem Film ganz gut. Der Thriller wird mit seinem Namen an erster Stelle beworben, nicht mit dem vom Alec Baldwin als Jack Ryan. Tatsächlich ist auch Sean Connery als russischer Überläufer Mittelpunkt des Films. Dies sollte sich nach „Jagd auf Roter Oktober“ ändern, als Harrison Ford alias Jack Ryan zum Zugpferd der beiden nachfolgenden Clancy-Verfilmungen avancierte. Connery füllt seine Rolle mit einem 20.000 Dollar teurem Haartoupet bestens aus. Auch wenn er seinen ihm eigenen Akzent nicht wirklich verbirgt oder verstellt, überzeugt er als russischer U-Boot-Kapitän. Vielleicht gefällt Connery gerade deswegen, weil er seine Rolle nicht gekünstelt auf einen Klischee-Film-Russen getrimmt hat.

    Auch die weiteren Filmrussen sind angenehm klischeefrei - zumindest, für Hollywoodverhältnisse. Tim Curry (sonst eher auf Psychopatenrollen festgelegt) besticht als russlandtreuer Arzt auf „Roter Oktober“. Er ist ein integerer, etwas unsicherer Mann, der sich in der bedauerlichen Lage befindet, nicht gerade auf Ramius’ Linie zu liegen. Sam Neill stellt Ramius’ Freund und Offizier auf dem Boot dar, der von einer Farm in den USA träumt. Stellan Skarsgard sieht dagegen wie ein echter Filmrusse aus und hat als Kapitän eines anderen russischen U-Boots die undankbare Aufgabe, Ramius abzuschießen. Ramius war sein Mentor. Ganz witzig ist die Rolle von Josh Ackland als russischer Botschafter in Washington, der seinem US-Pendant aus dem Weißen Haus immer wieder neue Lügen auftischen muss, um die Amerikaner dazu zu bringen, Russland bei der Jagd auf „Roter Oktober“ zu helfen.

    Die zweite Hauptrolle des Films gehört Alec Baldwin. Er bleibt absolut nicht im Schatten des Schauspielhünen Connery und kann voll überzeugen. Baldwin als Ryan, das passt. Schade, dass die Verantwortlichen es nach „Jagd auf Roter Oktober“ nicht weiter mit ihm versucht haben, Baldwin war zu gering, verlangte nach dem kommerziellen Erfolg des Films für die Fortsetzung zuviel Geld. Harrison Ford agierte danach natürlich großartig in der Rolle, aber eigentlich steht ihm Alec Baldwin in nichts nach. Anfangs war noch Kevin Costner für den Part des Jack Ryan vorgesehen - auch keine schlechte Wahl. Auf Ami-Seite sei noch Scott Glenn erwähnt, der den U-Boot-Kapitän der USS Dallas mimt und das Beste aus seiner kleinen, aber wichtigen Rolle holt. Da sein wackerer Navigator Jones (wunderbar: Courtney B. Vance als schwarzer Klassikmusikfanatiker) das lautlose U-Boot hat identifizieren können, heftet sich seine USS Dallas an die Fersen von „Roter Oktober“. So liegt es schlussendlich an Glenn als Kapitän, ob er den „verrückten Russen“ abschießt, oder die Geschichte vom Überläufer glaubt. Er stellt den inneren Zweikampf, die seine Figur durchmacht, gut dar. James Earl Jones ist Admiral Greer. Er passt perfekt in diese Rolle und hätte gerne mehr Leinwandzeit haben dürfen.

    Regie führt John McTiernan, der zwei Jahre vorher das Actionfilm-Meisterwerk Stirb langsam inszeniert hatte. Eigens für „Jagd auf Roter Oktober“ verzichtete er auf den Regiestuhl für Stirb langsam 2, den dann Renny Harlin übernahm. Seine Regie ist exzellent. Er schafft es sogar, U-Boot-Ausweich-Manöver spannend darzustellen, die für die Laien unter uns eher abstrakt wirken. Im Gegensatz zu Tony Scott mit dem U-Boot-Thriller „Crimson Tide“ hantiert er nicht mit schnellen Schnitten und rasanten Bildabfolgen. „Jagd auf Roter Oktober“ entwickelt sich ruhig und nachvollziehbar. Das erhöht die Atmosphäre und sorgt für eine weniger oberflächliche Spannung. Kameramann ist Jan de Bont, Verhoevens ehemaliger Stammfilmer und Regisseur von späteren Filmen wie Speed und „Twister“. Am Ende erlaubt sich John McTiernan noch einen Insider-Witz: Jack Ryan fliegt mit demselben Teddybär für seine Tochter nach Hause, den John McLane (Bruce Willis) am Anfang von „Stirb langsam“ für seine Tochter dabei hatte.

    Schön sind auch die authentisch wirkenden Innenausstattungen der U-Boote und die ansehnlichen Spezial Effekte. „Jagd auf Roter Oktober“ schaut sehr edel aus und kann mit seinen Schauwerten punkten (mit freundlicher Unterstützung der US-Navy). Alles in allem ist „Jagd auf Roter Oktober“ ein perfekt durchkomponierter Mainstream-Thriller, der bis zuletzt fesselt und prächtig unterhält. Einige humoristische Einschübe fehlen auch nicht. So sollte tadelloses Spannungskino sein.

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