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    Ich, Tom Horn
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ich, Tom Horn
    Von René Malgo

    Der Western „Ich, Tom Horn“ (im Original schlicht „Tom Horn“) und der Action-Thriller „The Hunter“ waren Steve McQueens letzte Filme. Nicht einmal ein Jahr nach der Premiere von „Tom Horn“ erlag er seinem Krebsleiden. Mittlerweile ist der Spätwestern in Vergessenheit geraten. Zu unrecht.

    Der gealterte Scout Tom Horn (Steve McQueen), der seinerzeit schon den berühmten Apachenhäuptling Geronimo festgenommen hatte, lässt sich als so genannter Weidedetektiv für Rinderbarone in Wyoming anheuern. Es ist seine Aufgabe, immer frecher werdenden Viehdieben das Handwerk zu legen. Horn nimmt diesen Auftrag sehr ernst und geht hart zu Werke. Die angesehenen Viehzüchter sehen sich von seinem Selbstjustizdrang peinlich berührt. Sie nehmen Abstand von ihm, als Horn ein Mord an einem kleinen Jungen vorgeworfen wird. Es kommt zur Gerichtsverhandlung, bei der sich Horn alles andere als kooperativ zeigt…

    Das Spielfilmdebüt von William Wiard zeichnet ein kritisches Bild vom Westernmythos. In schön fotografierten Bildern wird der ehemals Wilde Westen als dreckiger, rauer Landstrich gezeigt, an dem nicht viel Malerisches zu finden ist. Doch der Fortschritt ist auch hier eingezogen. Die Siedler interessieren sich nicht mehr für Helden der Vergangenheit, wie Tom Horn, sondern für Preisboxer. Als Viehdetektiv tut er auf Geheiß der Rinderbarone das, was er am besten kann, er tötet die Bösen. Erbarmungslos und konsequent geht Horn zu Werke und macht sich damit schnell unbeliebt. Als ein Kind getötet wird, ist in Tom Horn schnell der Hauptverdächtige gefunden. Während der Gerichtsverhandlung zeigt sich, dass es in der modernen Welt keinen Platz mehr für die Helden des alten Wilden Westens gibt.

    In der Gerichtsverhandlung werden Zweifel gestreut und der Mythos des Wilden Westens demontiert. Regisseur Wiard geht nicht böswillig zu Werke. Es ist ein melancholischer Blick, den er hinter die Fassade wagt. Seine Abrechnung geschieht zögerlich, fast halbherzig. Die Sympathien des Zuschauers werden klar auf Tom Horn gelenkt. „Ich, Tom Horn“ setzt dem letzten Pionier des unerforschten Westens ein trauriges Denkmal. Die Legende vom Mann, der seinen Mann steht, bis zum letzten Mann erhält eine in diesem Sinne verständnisvolle Entmystifizierung. Der Wilde Westen ist tot. Bezeichnender Weise war zum Zeitpunkt des Films das Westerngenre eigentlich auch schon mehr tot als lebendig.

    Trotzdem, immer wieder finden Spätwestern ihren Weg in die Lichtspielhäuser. Manchmal gelungen, manchmal der greifbare Beweis, warum das Genre als ausgelutscht und tot gilt. „Ich, Tom Horn“ gehört zur gelungenen Gattung. Der bedächtig gefilmte Westernabgesang überzeugt und erinnert am jüngeren „The Jack Bull - Reiter auf verbrannter Erde“. Auch dieser (Anti-)Western erweist dem Genre gleichermaßen Referenz, wie er zur Entmystifizierung beiträgt und im Endeffekt eigentlich gar keine richtige Westerngeschichte erzählt. „Ich, Tom Horn“ dürfte Pate für „The Jack Bull“ gestanden haben.

    Der vom Krebs bereits gezeichnete Steve McQueen legt seine Rolle gekonnt und mit Respekt vor dem tatsächlichen Tom Horn aus. Er zeigt eine eindrückliche Leistung, vielleicht nicht seine beste, aber eine, die Beachtung verdient und in Erinnerung bleiben kann. Die Nebendarsteller bleiben deutlich in seinem Schatten, verrichten ihr Werk aber wie es sich gehört.

    Die eingebaute, zaghafte Liebesgeschichte zwischen Horn und der Lehrerin Glendolene Kimmel (Linda Evans) wirkt nicht deplaziert, sondern trägt zur Charakterisierung des Hauptdarstellers bei. Wie Horn macht der Film wenige Worte. Gesprochen wird nur, wenn unbedingt nötig. Es bleibt oft nur bei Andeutungen. Die schwermütige Ruhe fördert eine dichte Atmosphäre. Diese zieht in den Bann und egalisiert einige Längen.

    Spannungsbogen und Dramaturgie hätten etwas besser ausgearbeitet sein können, für diese interessiert sich „Ich, Tom Horn“ aber auch wenig. Vielmehr bemüht sich das Werk um ein nahe gehendes Porträt eines demontierten Helden in einer Welt, in der kein Platz für ihn mehr ist. Das ist „Ich, Tom Horn“ auch sehr gut gelungen. Ein sehenswerter Spätwestern.

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