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    Unsere Erde - Der Film
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Unsere Erde - Der Film
    Von Björn Helbig

    Fünf Jahre Produktionszeit, gefilmt an mehr als 200 Drehorten mit über 40 Kamerateams, Szenen aus 26 Ländern dieser Erde, 1.000 Stunden Filmmaterial, 250 Tage Luftaufnahmen – das ist „Unsere Erde – Der Film“. Nachdem Regisseur und Autor Alastair Fothergill (Deep Blue) bereits mit seiner optisch überragenden BBC-Reihe Planet Erde in elf Teilen à 45 Minuten (zwei Staffeln) die Grenzen konventioneller Naturdokumentationen gesprengt hatte, setzt er mit dieser Kinoversion zwar nicht noch einen drauf, hält aber das überragende Niveau…

    „Würden wir diesen Film in zehn oder 20 Jahren drehen, könnten wir viele dieser außergewöhnlichen Bilder, die wir jetzt auf der großen Leinwand zeigen, gar nicht mehr einfangen.“ (Alastair Fothergill)

    Dass die Erde vor fünf Milliarden Jahren von einem riesigen Asteroiden getroffen wurde, hat das Leben auf dem Planeten erst möglich gemacht. Der Aufprall war so gewaltig, dass sich der Neigungswinkel der Erde um 23,5 Grad verschoben hat, was einen für das Leben optimalen Stand zur Sonne zur Folge hatte. Das Team von „Unsere Erde – Der Film“ hat sich aufgemacht, der Geschichte unseres Planeten und der Vielfalt der Lebensformen nachzuspüren. Von Nord nach Süd verläuft die Route des Filmteams um Regisseur Alastair Fothergill. Was sie auf ihrem weiten Weg an Bildern eingefangen haben, ist schlichtweg phänomenal: die Eisbärin und ihre zwei Jungen, die tapsig einen steilen Schneehang hinabrutschen, Luftaufnahmen von einem Wolfsrudel, das versucht ein Karibu-Jungtier von seiner Herde zu trennen, eine Elefantenherde auf dem Weg zum Okawango-Delta und die 6.000 Kilometer lange Reise einer Buckelwalfamilie. Außerdem: Afrikanische Windhunde, Anubispaviane, Blauparadiesvögel, Pelzrobben, Schraubenziegen, Steinadler und viele mehr.

    Der Aufwand, der nötig ist, eine Produktion wie „Unsere Erde – Der Film“ umzusetzen, ist enorm. Jede Einstellung bedeutet schwer vorstellbare, logistische Herausforderungen. Allein für das Beschaffen der Drehgenehmigungen für die verschiedenen Locations waren jahrelange Verhandlungen nötig. Sowohl für die Bilder bei minus 30 Grad Celsius als auch für die fantastischen Luftaufnahmen musste sich das Team um Fothergill immer wieder etwas Neues einfallen lassen. So wurden die durch spezielle Hüllen geschützten Kameras für den Arktisdreh ständig auf Stand-by gelassen und bei zu kalten Temperaturen sogar im Schnee vergraben. Natürlich gingen die Minusgrade auch nicht spurlos am Team vorbei. Kleinere Erfrierungen und Frostbeulen waren beinahe an der Tagesordnung, und mitunter gerieten sogar Mitglieder der Filmcrew in Lebensgefahr.

    Doch die Mühen haben sich gelohnt. Wie schon in der Serie bekommt der Zuschauer über alle Maßen beeindruckende Bilder zu sehen. Neben den fantastischen Luftaufnahmen bleiben vor allem zwei Szenen hängen: Zum einen die grandios gefilmte Jagd eines Geparden auf ein Streifengnu in der kenianischen Wüste. Die Minuten dauernde Zeitlupensequenz hat etwas von einem tödlichen Liebeskampf und nimmt durch ihre Ästhetik schlichtweg gefangen. An dieser Stelle fällt auf, dass die natürliche Gewalt – der Kampf um Leben und Tod – welcher in der Fernsehserie teils überschwänglich zelebriert wurde, im Kinofilm nun ein Stück abgemildert wird. Die Szene endet, bevor es zu blutig wird. Ganz besonders ist zum anderen das Bildmaterial, das eine Elefantenherde zeigt, die inmitten eines Rudels Löwen eine Nacht am Wasserloch verbringt. Die atmosphärischen Szenen zeigen, wie die Löwen die an sich stärkeren Elefanten belauern und ihren Moment abwarten…

    „Der Film transportiert eine subtile, aber deshalb nicht weniger eindringliche Botschaft, welche alle, die sich „Unsere Erde – Der Film“ anschauen, ermutigen soll, etwas dafür zu tun, unseren schönen, aber empfindlichen Planeten zu erhalten.“ (Alastair Fothergill)

    Der wesentliche Unterschied zwischen dem TV-Elfteiler und „Unsere Erde – Der Film“ liegt in der Botschaft. War die Serie noch weitgehend ein Triumph der Bilder ohne großes Sendungsbewusstsein, wird der Kinofilm dazu benutzt, aktuelle Themen zu kommunizieren. Als Folge menschlichen Missbrauchs sterben täglich 150 Tier- und Pflanzenarten aus, darunter auch Arten, die noch nicht einmal entdeckt worden sind. Abgesehen von der Schadensbegrenzung, die notwendig ist, um die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels zu mindern, ist der Erhalt der Biodiversität die dringlichste Aufgabe unserer Zeit. Der Coup, den „Unsere Erde – Der Film“ nun bei Vermittlung dieser Themen macht, ist so einfach wie genial. Anstatt auf altbackene Wissensvermittlung zu setzen, kommuniziert der Film das Thema Diversität über seine Bilder. Hier werden nicht Textpassagen aus den Lehrbüchern vorgekaut, es wird dem Zuschauer gezeigt, wie Vielfalt in der Realität aussieht. Positiv macht sich in diesem Zusammenhang auch der Sprecher Ulrich Tukur (Das Leben der Anderen, Ein fliehendes Pferd) bemerkbar. Im Gegensatz zur etwas kitschigen französischen Fassung, hält sich der Schauspieler angenehm zurück und versucht sich nicht vor die Bilder zu drängen.

    Alles in allem ist „Unsere Erde – Der Film“ eine hervorragende Naturdokumentation. Zwei kleine Wermutstropfen gibt es aber doch. Die Geschlossenheit der TV-Serie, die sich jeweils einem bestimmten Thema (z.B. „Wasserwelten“ oder „Wüstenwelten“, „Eiswelten“) widmete, erreicht der Kinofilm leider nicht. Die Wanderung von Nord nach Süd bindet die verschiedenen Episoden nicht fest genug zu einem großen Ganzen zusammen, so dass deren Auswahl etwas willkürlich erscheint. Und dann sind es wieder die üblichen Verdächtigen, die diese Dokumentation bevölkern: Eisbär, Elefant, Löwe, …– dafür, dass der Film die Vielfalt der Tierwelt unseres Planeten zeigen will, hätten die Protagonisten durchaus etwas „ausgefallener“ sein dürfen. Die Eisbärenszenen kennt man teilweise schon aus der Folge Planet Erde: Von Pol zu Pol), mitunter fühlt man sich auch stark an Königreich Arktis erinnert. Aber vielleicht ist es sogar besser so. Um ihn zum verantwortungsvollen Umgang mit seiner Umwelt zu bewegen, braucht der Zuschauer möglicherweise keine Bilder einer Lebensform, die er noch nie zuvor gesehen hat. Er braucht symbolträchtige Bilder von Knut & Co.

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