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    Flyboys
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Flyboys
    Von Carsten Baumgardt

    Hollywood ist seit jeher mit Vorliebe patriotisch. Schließlich liegt dieses Paralleluniversum innerhalb der Grenzen Amerikas, wo das Publikum diese Eigenschaft außerordentlich zu schätzen weiß. Doch wenn selbst das Studiosystem Tony Bills 60 Millionen Dollar teures, im Ersten Weltkrieg angelegtes, pathostriefendes Flieger-Epos ablehnt, hätte dies zu denken geben sollen. Starproduzent Dean Devlin (Independence Day, Stargate, Der Patriot) und Marc Frydman (Rufmord, Willkommen in Mooseport) ließen sich aber nicht beirren, glaubten an das Projekt und finanzierten es unabhängig von Hollywoods Majors, die gewöhnlich in dieser Preisklasse den Geldhahn aufdrehen. In den USA floppte „Flyboys“ unsanft, außerhalb der Staaten ist der Film kommerziell sowieso chancenlos. Dabei punktet das altmodische Kriegsabenteuer sogar mit beeindruckenden Luftkampfszenen, deren Dynamik allerdings am Boden gnadenlos erlahmt.

    1916: Zwei Jahre lang tobt der Erste Weltkrieg bereits in Europa. Obwohl die USA noch nicht eingetreten sind, macht sich eine Schar furchtloser amerikanischer Piloten auf, an der Westfront für die Alliierten Großbritannien und Frankreich gegen Deutschland zu kämpfen. Die legendäre Fliegerstaffel „Lafayette Escadrille“, eine Einheit amerikanischer Freiwilliger, bekommt neues Frischfleisch. Dass die jungen Männer hier verheizt werden, wird erst vor Ort klar. Die Lebenserwartung der Doppeldecker-Piloten beträgt durchschnittlich drei bis sechs Wochen. Doch davon lassen sich Draufgänger Blaine Rawlings (James Franco), Fremdenlegionär Higgins (Christien Anholt), Militärssohn William Jensen (Philip Winchester), Reichensöhnchen Briggs Lowry (Tyler Labine), Maulheld Eddie Beagle (David Ellison) und der dunkelhäutige Boxer Eugene Skinner (Abdul Salis) nicht abschrecken. Unter der Führung von Captain Thenault (Jean Renó) bereiten sich die Flieger in Frankreich auf ihre ersten Einsätze gegen die deutsche Luftwaffe vor. Der furchtlose Rawlings schwingt sich schnell zum Anführer der Grünschnäbel auf und verliebt sich zwischendurch noch in die Französin Lucienne (Jennifer Decker), was einige Alleingänge zur Folge hat. Der beste Flieger des Geschwaders ist aber immer noch die stoische Legende Reed Cassidy (Martin Henderson), der seinen Kampfgenossen erst Unterstützung zukommen lässt, nachdem diese sich bewiesen haben.

    Die Rechnung der Produzenten ist ganz einfach, aber sie ging trotzdem nicht auf. Sie setzten darauf, dass die heroische Flieger-Action die lahme Bodenhandlung überkleistern würde. Doch das ist angesichts einer Lauflänge von satten 139 Minuten und eines schwachen Drehbuchs aus der Feder von Phil Sears, Blake T. Evans und David S. Ward (Der Clou, „King Ralph“, „Die Indianer von Cleveland“) ein fataler Irrglaube. Die zahlreichen Klischees und holzschnittartigen Figurenzeichnungen wären möglicherweise noch zu verkraften, wenn sie in den Kontext passen würden - doch das ist nicht der Fall. Besonders ärgerlich ist beispielsweise die unbedarfte Love Story zwischen Blaine Rawlings und der Französin Lucienne (ja, in einem Flieger-Epos muss so was sein, auch wenn’s weh tut - das wissen wir spätestens seit Pearl Harbor). Die jungen Amerikaner treten als heldenhafte Ritter der Lüfte an. Zwischendrin in diesem abenteuerlichen, ehrenhaften Krieg findet Rawlings genügend Muße, sein Herz an die beschützenswerte Landschönheit zu verschenken und zu romantischen Ausflügen im Doppeldecker über die Prärie zu starten. Wenn es der Drehbuch-Dramaturgie genehm ist, wird dies von seinen Vorgesetzen nicht wahrgenommen, jedoch verteufelt, sobald daraus zur gegebenen Zeit ein Konflikt in der Handlung konstruiert werden soll. Diese Willkür ist schon ein Stück weit grotesk.

    Auch ansonsten gibt es im Westen nichts Neues zu sehen. Jede der Figuren steht sinnbildlich für ein Problem oder eine Charaktereigenschaft. Das kann natürlich keine tiefgreifende Darstellung gewährleisten, sondern lediglich einige Konflikte nach Schema F abhandeln. Draufgängertum, Rassismus, Kameradschaft, Befehlsgehorsam und Vaterlandsliebe schimmern als Themen in seichtem Fahrwasser an der Oberfläche. Wirklich interessiert daran ist TV-Regisseur Tony Bill nicht, aber die Zeit zwischen den Flugeinheiten muss schließlich gefüllt werden, was jedoch in einem unangenehm naiven Ton vonstatten geht. Die Darsteller passen sich mit neutralen Leistungen dem Niveau an. James Franco (Spider-Man 1-3, City By The Sea) gibt zumindest sein Bestes und zählt noch zu den positiven Erscheinungen, die nur von der charismatischen Präsenz eines Martin Henderson (The Ring, Hart am Limit, Smokin´ Aces) als harter, desillusionierter Flughund übertroffen wird. Das farblose Mitwirken Jean Renos (Die purpurnen Flüsse 1+2, León - Der Profi) darf getrost unter der Rubik „prominenter Quotenfranzose für das europäische Publikum verheizt“ abgehakt werden – eine Schande für einen Mann wie Reno, der aber andererseits wahrscheinlich nicht unter Waffengewalt dazu gezwungen wurde, in diesem Kriegskitsch mitzuspielen.

    Was „Flyboys“ aber insgesamt trotz der unnötigen und unangemessenen Überlänge erträglich macht, sind die ausgezeichnet inszenierten, nostalgischen Luftschlachten, die durchweg per CGI und durch das Motion-Capture-Verfahren entstanden sind. Kleine historische Ungenauigkeiten bezüglich der Maschinen und deren farblicher Gestaltung (nur der „Rote Baron“ Manfred von Richthofen flog beispielsweise eine rote Fokker Dr. 1) sind dabei zu verzeihen. In den Blue-Screen-Nahaufnahmen mit den Schauspielern wirkt „Flyboys“ zwar wie eine Erstweltkriegsausgabe von Sky Captain And The World Of Tomorrow, doch diese Fliegerszenen haben Charme und Rasanz. Der Zuschauer bekommt tatsächlich einen Eindruck davon, was den Beginn der militärisch genutzten Luftfahrt ausmacht. Leider fällt der Unterhaltungswert rapide ab, sobald die Männer ihren tollkühnen Kisten entstiegen sind und sich dem nächsten Klischee auf ebener Erde zuwenden (müssen). Nicht fehlen dürfen selbstverständlich diabolisch grinsende deutsche Fliegerasse, die gegenüber den gutherzigen Amerikanern nur einmal kurz einen Hauch von Mitgefühl zeigen.

    „Flyboys“ ist ein patriotisch-naives Old-School-Fliegerabenteuer, das erst gar nicht versucht, das dramatische Potenzial der Geschichte aufzugreifen, sondern sich stattdessen wie ein Schmalspur-„Pearl Harbor“ zu Zeiten des Ersten Weltkriegs gibt. Das ist im Ganzen nicht wirklich interessant, aber auch nicht unbedingt langweilig. Doch schon eine Straffung der Laufzeit hätte den Film ins sichere Mittelfeld bringen können. Was bleibt, sind eine belanglose Bodenhandlung und vorzügliche Lufteinlagen.

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