Mein Konto
    Wolf Creek
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Wolf Creek
    Von Carsten Baumgardt

    Der Wind dreht sich. Das Klima wird rauer. Das Horror-Genre wurde schon sooft für tot erklärt, aber zum tatsächlichen Exodus ist es nie gekommen. Immer dann, wenn es begann, langweilig zu werden, belebten neue Impulse die Szene. Zuletzt war dies Wes Craven mit seiner Scream-Trilogie, nun ist es eine ganze Reihe von Filmemachern, die dem Genre einen neuen, alten Ton beibringt. Filme wie The Hills Have Eyes, The Descent, Haus der 1000 Leichen, High Tension oder „The Devil´s Rejects“ orientieren sich in der Gangart an den harten Terrorfilmen der 70er Jahre als Horror noch nichts mit Humor oder Ironie zu tun hatte. Ebenso wie bei der Welle des Torture Porns von Werken wie Saw Saw 2 oder Hostel ist ein Zusammenhang mit dem ernsten politischen Weltklima unübersehbar. Den vorläufigen Höhepunkt in Sachen realistischer Härte liefert Greg McLeans Low-Budget-Terror „Wolf Creek“. Ein Film, der an die Nieren geht.

    Die beiden Engländerinnen Liz (Cassandra Magrath) und Kristy (Kestie Morassi) planen mit ihrem australischen Freund Ben (Nathan Phillips) einen ausgelassenen Road Trip durch Australien. Von Broome im Westen des Kontinents wollen sie quer durchs Land bis nach Cairns an der Nordostküste touren. Das Geld ist knapp, deswegen wird schnell noch ein klappriges Gefährt erstanden, und unterwegs ist Camping angesagt. Die Stimmung lässt nichts zu wünschen übrig. Der erste Höhepunkt der Tour ist der Wolf-Creek-Krater – ein gottverlassenes Nationalpark-Gebiet im Nirgendwo des Top Ends. Als ihr Auto nach einer Wanderung zum Krater verreckt, ist die Ratlosigkeit groß. Stunden von der letzten zivilisierten Siedlung entfernt, ist der Frust immens. In der Nacht haben sie aber dennoch Glück, als der Trucker Mick (John Jarratt) des Weges kommt und ihnen fachkundige Hilfe anbietet. Der kauzige Typ schleppt das Trio in einer stundenlangen Fahrt ab und erzählt am Lagerfeuer bei ein paar Bieren skurrile Geschichten. Doch das Erwachen am nächsten Morgen ist mehr als jäh. Liz kommt gefesselt in einer Baracke zu sich. Als sie sich befreien kann, wird sie durch Kristys Schreie schockiert. Mick hat sie in seiner Garage gefesselt und macht sich mit Messer und Gewehr daran, die junge Frau zu terrorisieren...

    Eines ist noch gewisser als das vielzitierte Amen in der Kirche: „Wolf Creek“ wird die Kinobesucher spalten. Heftiger als beim vom Mainstreampublikum verhassten und von der Horrorgemeinde geliebten „The Hills Have Eyes“-Remake von Alexandre Aja. Die für nur eine Million Dollar entstandene australisch-kanadische Co-Produktion steht für eine beinharte Gangart gepaart mit einem beklemmenden Realismus. Der Killer ist hier kein atomar verstrahlter Mutant oder ausgeflippter Weirdo. Mick, der Trucker sieht aus wie der Vater von Crocodile Dundee und legt auch zunächst einen ähnlich rustikalen Charme an den Tag (unbedingt das Original ansehen!). Bis sich das Szenario abrupt vom ausgelassenen Tour-Trip der drei Twentysomethings in ein eiskaltes Terrormartyrium verwandelt, dauert es lange. Sehr lange. Rund eine dreiviertel Stunde.

    Warum Kinodebütant Greg McLean sich dermaßen viel Zeit mit seiner ausgiebigen Exposition lässt, wird im Verlauf klar: Nur so kann der Film funktionieren. Hier wird der Grundstein gelegt, dass das Publikum mit den Charakteren mitleiden kann. Das von Cassandra Magrath, Kestie Morassi und Nathan Phillips lebensnah gespielte Trio schafft es mit der Zeit, sich Sympathien aufzubauen. Die Dialoge mögen manchem belanglos erscheinen, verstärken aber in Wirklichkeit nur das „Konzept Realismus“. Auch wenn die Stimmung gelöst ist, ist jederzeit spürbar, dass die Freunde auf etwas extrem Unangenehmes zusteuern. Das tritt dann in Person von John Jarratt (Picknick am Valentinstag) auf den Plan. Der Australier strahlt eine diabolische, eiskalte Präsenz aus - was auch Quentin Tarantino nicht verborgen blieb. Der Kultregisseur verpflichtete Jarratt gleich für sein Horror-Thriller-Projekt „Grind House“, das er mit Busenkumpel Robert Rodriguez realisiert. Die Motive des Killers bleiben im Dunkeln, können nur zwischen den Zeilen erahnt werden. Aber die Konsequenz seiner Hetzjagd ist unerbittlich und äußerst brutal.

    Obwohl sicherlich schon mehr Kunstblut in einem Film geflossen ist, gelingt es „Wolf Creek“ wie kaum ein zweiter Stoff, so effektiv an den Nerven der Zuschauer zu reißen. Wenn Mick in seiner ersten harten Einlage auf Kristy losgeht, ist dies nur für hartgesottene Gemüter verdaubar. Regisseur und Autor McLean setzt dabei auf eine Mischung aus real greifbarem Horror und Psychoterror, der im Kopf entsteht. Die Kombination ist unschlagbar. Dazu attackiert er die Sehgewohnheiten der Besucher mit einer stets unruhigen, grenzwertigen Handkamera, die dem Betrachter keine Pause gönnt und teils die gleiche Orientierungslosigkeit der Protagonisten transportiert. Diese Art der Kameraführung erinnert frappierend an Blair Witch Project, ist aber ein ähnlich zweischneidiges Schwert. Beängstigende klaustrophobische Szenarien wechseln mit Konfrontationen im weitläufigen Outback. Unbestritten wunderbar sind dagegen die stimmungsvollen Naturaufnahmen, die Kameramann Will Gibson kontrastreich einbindet.

    „Wolf Creek“ ist eine kleine, aber ungeschliffene Genre-Perle. Beißender Realismus bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus zeichnet diesen hervorragend auf Spannung inszenierten Terrorfilm aus und gibt Greg McLean eine Stimme, auf die noch zu hören sein wird. Formale Abzüge in der B-Note des professionellen Filmemachens verhindern zwar Höheres, aber ein besonderer Film ist dem Australier auf jeden Fall gelungen. Um es noch mal deutlich zu machen: „Wolf Creek“ ist nur willigen Genrefreunden zu empfehlen. Wer damit nichts am Hut hat, soll sich nachher nicht beschweren, er sei nicht gewarnt worden...

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top