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    "Game Of Thrones" & "Dexter" haben mich gebrochen: Darum möchte ich keine Serien mehr gucken!
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    Stefan liebt Film. Er vermisst die wöchentlichen Besuche in der Videothek, denn das ziellose Umherirren in den Gängen hat ihm Seherfahrungen wie "Donnie Darko" oder "Fear and Loathing in Las Vegas" beschert.

    Serien können richtig tolle Unterhaltung bieten. Aber ich mache aktuell einen großen Bogen um viele angesagte Produktionen. Der Grund dafür ist einfach: Ich bin von Serien viel zu oft enttäuscht worden - und das nicht nur in Sachen Qualität.

    HBO

    Vielleicht sollte ich diesen Text mit einer Einordnung beginnen: Natürlich kann ich in meinem Beruf nicht vollständig darauf verzichten, Serien zu schauen. Da wir regelmäßig über Neustarts in diesem Feld berichten, Beiträge zu entsprechenden Themen veröffentlichen oder Interviews mit den Verantwortlichen hinter den Produktionen führen, komme ich nicht umhin, zumindest dann und wann auch neuere Serien zu schauen – auch wenn ich diesen eigentlich abgeschworen habe.

    Dabei bin ich kein notorischer Serienhasser – ganz im Gegenteil. Serien haben für mich immer als gutes Gegenstück zum Film funktioniert, da in ihnen eine langwierige Charakterentwicklung stattfinden kann. Staffel um Staffel können komplexe und vielschichtige Figuren erzählt werden – eine Möglichkeit, die der Film aufgrund seiner limitieren Spieldauer nur begrenzt hat. Zudem war und bin ich auch immer noch ein großer Fan von Sitcoms und Animations-Serien. „Die Simpsons“ sind (bis Staffel 11) nach wie vor meine Go-To-Comfort-Zone, „South Park“ unterhält mich weiter blendend und insbesondere Anime-Serien wie „Attack On Titan“ haben es mir in den letzten Jahren angetan.

    Wovon ich jedoch Abstand genommen habe, sind die großen, über mehrere Staffeln erzählten Serienproduktionen, denn diese haben mich einfach zu oft enttäuscht. Zuletzt richtig in eine Serie eingetaucht bin ich bei „Dexter“ und „Game Of Thrones“ – und habe es bitter bereut. Die Probleme, die ich mit diesen Serien habe, sind in meinen Augen symptomatisch für viele Produktionen dieser Größenordnung.

    Serien brauchen zu viel Zeit

    In meinem Freundeskreis hält sich hartnäckig die Behauptung, dass Serien sich ja viel leichter als ein Film nebenbei „wegschauen“ lassen und daher – insbesondere für berufstätige Menschen – das ideale Medium seien. Schnell mal während der Mittagspause oder zum Abendbrot eine Folge „Peaky Blinders“ schauen – das wäre gerade noch zeitlich drin.

    Und das stimmt auch. Eine Folge ist schnell vorbei. Und danach? Wer ist denn so diszipliniert und belässt es bei einer Folge? Gerade wenn diese mit einem fiesen Cliffhanger endet, kann man doch gar nicht anders, als gleich noch eine zu gucken, und noch eine, und noch eine... bis letztlich nach 3-4 Episoden Schluss ist und damit mehr Zeit beansprucht wurde, als es bei einem 100-minütigen Film der Fall gewesen wäre.

    Mal eben 5600 Minuten Zeit für "Dexter"?

    Noch viel ärgerlicher als die Sog- und Suchtwirkung von Serien, die einem fast unmerklich immer wieder mehr Zeit stiehlt als eigentlich geplant, ist jedoch das Gesamtzeit-Investment. Ziehen wir doch einmal die von mir benannten „Dexter“ und „Game Of Thrones“ heran. „Dexter“ kommt inklusive der Fortführung „New Blood“ auf eine Laufzeit von 5617 Minuten, das sind fast 94 Stunden. Wer sich alle acht „Game Of Thrones“-Staffeln gönnen möchte, der braucht dafür schlappe 70 Stunden und 14 Minuten.

    Showtime
    Wer "Dexter" beenden möchte, muss einiges an Sitzfleisch mitbringen

    Ein absoluter Wahnsinn – der dann zum absoluten Ärgernis wird, wenn die Qualität der Serien über die Zeit abnimmt. Wer schon 4500 Minuten mit dem sympathischen Serienkiller Dexter Morgan (Michael C. Hall) gemordet hat, der wird doch auch noch die restlichen 15 Stunden hinter sich bringen können, oder? Für mich beispielweise sind diese letzten zwei Staffeln der Serie aber zur absoluten Hölle geworden. Stück für Stück habe ich mich durch die letzten Folgen gequält und dabei miterlebt, wie die Serie mit vollem Tempo gegen die Wand kracht.

    Abnehmende Qualität im Laufe von Serien-Produktionen beobachte ich immer wieder. Serien starten mit einer starken Prämisse und scheitern dann oftmals bei dem Versuch, die über Staffeln hinweg unnatürlich groß aufgeblasene Handlung zu einem zufriedenstellenden Ende zu führen.

    HBO
    Das Ende von "GoT" hat mich um den Verstand gebracht

    Und wie frustrierend ist es denn bitte, wenn man nach 70 Stunden gemeinsam verbrachter Zeit vor dem Fernseher einfach nur verzweifelt auf jene Dinge schaut, die die Serienverantwortlichen für eine gute Idee gehalten haben, um die Serie zu beenden? Im Fall von „Game Of Thrones“ fand ich das Ergebnis zum Beispiel dermaßen misslungen, dass mir sogar jegliche Lust vergangen ist, die ersten Staffeln noch einmal zu sehen. Wieso sollte ich mich ein weiteres Mal mit den Figuren in das episches Abenteuer stürzen, wenn ich doch weiß, wie stümperhaft dieses zu Ende geführt worden ist?

    Die Angst vor Absetzungen

    Doch es gibt noch mehr Gründe, warum ich die Lust auf Serien verloren habe: Denn wenn eine Serie nicht den Qualitäts-Tod stirbt, dann besteht noch immer die Gefahr einer vorzeitigen Absetzung. Im Zeitalter der Streaming-Plattformen müssen Serien gleich eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen. Neben dem Erreichen von bestimmten Abrufzahlen sollen die Sendungen im besten Fall auch neue Kund*innen anlocken – das schaffen jedoch nur die wenigsten Serien noch in der dritten oder vierten Season, weswegen Streamingdienste und Bezahl-Sender in der Vergangenheit selbst etablierten Produktionen den Stecker gezogen und neuen, unverbrauchten Ideen den Vorzug gegeben hat.

    Und was ist ernüchternder, als nach drei Staffeln zu erfahren, dass die Geschichte um die geliebten Figuren jetzt einfach zu Ende sein soll? Und das, obwohl die letzte Folge damit geendet hat, dass das Leben der Hauptfigur am seidenen Faden hängt? Wird sie überleben? Wir werden es nie erfahren...

    In der Vergangenheit habe ich aus diesem Grund schon öfter gewartet, bis eine Serie komplett abgeschlossen ist. Nur so konnte ich auch wirklich sicher sein, dass ich nicht am Ende wieder mit leeren Händen dastehe, beziehungsweise die finalen Episoden in Form eines Comics oder eines Romans nachgereicht bekomme (wenn überhaupt).

    Mini-Serien sind die besseren Serien

    Ausnahmen bestätigen die Regel, und so sind natürlich nicht alle Serienformate für mich gestorben. Im Gegensatz zu den Fortsetzungsroman-Serien, die über Cliffhanger und lose Handlungsfäden über Staffeln hinweg die Spannung hoch halten wollen, habe ich meine Freude an Mini- bzw. Anthologie-Serien entdeckt.

    Diese sind nämlich nach maximal 10 Folgen vorbei, sind oft gut durchdacht und folgen einem nachvollziehbaren Spannungs- und Handlungsbogen, der nicht durch Einschaltquoten oder Abrufzahlen noch auf gefühlte 50 weitere Staffeln gestreckt wird. „Chernobyl“, „The Terror“ oder die ersten beiden Staffeln von „Fargo“ waren sehr vergnügliche Seherfahrungen für mich, die ich auch heute noch gerne weiterempfehle.

    Und wenn mal eine Staffel nicht so gelungen ist (ich schaue dich an, „True Detective“ Season 2), gibt es keinen Grund, sich durch diese zu quälen. Es ist möglich, die neuen Folgen gänzlich zu ignorieren oder ihnen doch eine Chance zu geben und dann vorzeitig abzubrechen. Da die Staffel-Handlung in einer Anthologie-Serie nicht essenziell für die Handlung zukünftiger Seasons ist, besteht nicht dieser Zwang, sich durch acht bis zehn mittelmäßige Episoden zu kämpfen. Man kann also getrost auch mal eine Pause einlegen – und einfach auf die nächsten Folgen warten. Falls sie denn kommen.

    Ich habe den für mich wichtigsten Film der Welt nach 20 Jahren im Kino wiedergesehen – das Erlebnis hat meine Erwartungen noch übertroffen

    Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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