Heute Abend streamen: Düsteres Science-Fiction-Kino mit Keanu Reeves – so habt ihr den "John Wick"-Star noch nie gesehen!
Monta Alaine
Monta Alaine
Bereits jung von ihrem Vater an Klassiker wie "Taxi Driver" und "Clockwerk Orange" herangeführt stand fest: Film sollte es sein. Nach diversen Stops in der Branche gilt ihre Liebe auch heute noch Hollywood-Kino à la Nolan und raffinierten Arthouse-Filmen.

Richard Linklaters „A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm” nach der Romanvorlage von Philip K. Dick ist eine einzigartige Mindfuck-Mischung aus Sci-Fi, Dystopie und Animation. Heute Abend bei Amazon Prime Video streamen.

Es gibt wohl kaum einen Science-Fiction-Autor, der so ein Visionär war, wie Philip K. Dick – unzählige Filme basieren auf seinen Romanen und Geschichten, darunter „Blade Runner”, „Minority Report” oder „Total Recall”. Er ist bekannt für seine düsteren Zukunftsvisionen, getränkt in einer ordentlichen Portion Paranoia. Denn Philip K. Dick hatte eine starke Affinität zu Drogen, schmiss zeitlebens so ziemlich alles ein, was es auf dem Markt gab und hatte in der Folge gleichwohl Visionen und göttliche Erscheinungen wie auch mit Verfolgungswahn durch FBI und KGB zu kämpfen.

Science-Fiction-Dystopie und Drogen – das geht nicht zusammen, sollte man meinen? Geht doch. Mit seinem Roman „Der dunkle Schirm”*, der starke autobiographische Züge aufweist und in dem Dick mit der Drogenszene und -Mythologie der 60er abrechnet, beweist er das Gegenteil. Er nannte ihn selbst seinen besten Roman. Und wen wundert es da, dass auch dieser verfilmt werden sollte.

Schon Charlie Kaufmann und Terry Gilliam versuchten sich früher an dem Stoff (haha), letztlich sollte es aber Richard Linklater werden, dem die Adaption gelang. Wer Lust auf wirklich außergewöhnliche, experimentelle Science-Fiction hat, dem möchten wir „A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm” wärmstens ans Herz legen. Aktuell könnt ihr den Film auf Amazon Prime Video leihen bzw. kaufen:

Ein Film wie ein Trip

Dass Richard Linklater einen Hang zum Experimentellen hat, stellte er auch mit „Boyhood” unter Beweis. Über 12 Jahre drehte er mit den selben Schauspieler*innen und man sieht dem Protagonisten Ellar Coltrane praktisch beim Großwerden zu. In seinem 2001 gedrehten und im Rotoskopie-Stil nachbearbeiteten „Waking Life” (mit Ethan Hawke und July Delpy, die in Linklaters „Before Sunrise”, „Before Sunset” und „Before Midnight“ ebenfalls zusammen spielten) ließ er einen jungen Mann über das Leben und die menschliche Existenz philosophieren – in „A Scanner Darkly” griff er eben dieses Stilmittel erneut auf.

Zunächst wurde mit dem echten (und großartigen) Cast, in den Hauptrollen Keanu Reeves, Winona Ryder, Robert Downey Jr. und Woody Harrelson, gedreht. Anschließend wurde das Material digitalisiert und komplett nachbearbeitet: Dabei zeichnete ein Team von Animationskünstler*innen jedes Bild einzeln nach, allein für die Nachproduktion benötigte es 18 Monate.

Herausgekommen ist ein Film, an den man sich visuell zunächst einmal gewöhnen muss: Etwas verschwommen die Linien, alles scheint zu wabern, ein bisschen surreale Optik wie auf einem LSD-Trip – was zur Thematik von „A Scanner Darkly” nicht besser passen könnte. Hier geht es nämlich um die sogenannte Substanz T., eine Droge, die hochgradig süchtig macht und nur zwei Optionen lässt: Entweder du bist drauf. Oder du bist es nicht.

Identität zwischen Kontrolle und Wahn

Das muss auch Drogenfahnder Fred (Keanu Reeves) feststellen, der sich undercover als Bob Arcor mitten in die kalifornische Drogenszene hinein begibt, sich dabei aber selbst immer weiter in der Sucht verliert. Um seine Identität zu wahren, trägt er einen sogenannten „Jedermanns-Anzug” – einen Ganzkörperanzug, der zwischen Millionen Bruchstücken verschiedenster Menschen changiert und so das Aussehen seines Trägers verschleiert.

Der Jedermanns-Anzug tarnt Fred/Bob sogar so gut, dass nicht einmal sein Vorgesetzter weiß, wer er ist. Und so wird Fred darauf angesetzt, Bob zu beobachten – und in seinem Haus wird ein Überwachungssystem installiert, welches sämtliche Aktivitäten aufzeichnen soll. Seine Freundin Donna (Winona Ryder) sowie seine Freunde Ernie (Woody Harrelson) und James (Robert Downey Jr.) ahnen nichts von seinem Doppelleben, während Fred/Bob immer weiter abdreht.

Wo das Leben in einem Überwachungsstaat schon unter normalen Umständen an Grenzen des Wahnsinns treiben können, setzt Substanz T. nochmal eins oben drauf: Fred/Bob wird immer dissoziativer, sein Hirn immer zerfressener, bis er schlussendlich vollkommen den Bezug zu sich und der Realität verliert.

Und was ist schon real?

In der Romantik stand die blaue Blume für Sehnsucht, für die Liebe, für Unendlichkeit und Transzendenz. Hier steht sie für T.: Für Torheit, für Trostlosigkeit, für Trennung. Und ultimativ steht sie für den Tod. Dicks Vorlage „Der dunkle Schirm”, geschrieben in einer Zeit, in der der Autor selbst mit Drogenabhängigkeit und Paranoia zu kämpfen hatte, lässt die zerstörerische Kraft von Drogen und die Kontrollmechanismen eines Überwachungsstaates kollidieren – eine Kollision, die Fragen von Individuum und Staat klug ineinander verbeißen lässt. Denn wer kontrolliert hier eigentlich wen, was genau ist Ursprung der Paranoia, und was ist schon Identität zwischen Sucht und permanentem Beobachtetsein?

Trotz seiner Metaebenen und doppelten Böden schafft „A Scanner Darkly” es meiner Meinung nach trotzdem, auch unterhaltsam zu sein. So liefern sich Bob, Ernie und James druffe Dialoge irgendwo zwischen „Fear and Loathing in Las Vegas”, „Lammbock” und „Winnie Puh” die nicht nur Stonern ein Schmunzeln entlocken dürften. Dabei ist der Film gespickt mit Bezügen, die eine zusätzliche Reflexionsebene aufmachen – angefangen mit Philip K. Dicks Gesicht, das zu Beginn des Films kurz im Jedermanns-Anzug zu sehen ist und endend mit der roten Pille, die Substanz T. beinhaltet.

Eine Pille, wie sie sich in „Total Recall” genauso findet wie auch in „Matrix” – verknüpft mit der Frage nach Realität und Bewusstsein. Während Fred bzw. Bob sich immer weiter zwischen den Ebenen verliert, werden sie uns als den wahren Beobachtenden am Ende erst eröffnet. Und „A Scanner Darkly” zu einem kleinen Mindfuck-Wunder, das sich auf so vielen Ebenen lohnt. Wenn es auch nicht einfach zu schlucken ist.

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