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    "Babylon Berlin": Das FILMSTARTS-Interview mit Hauptdarsteller Volker Bruch

    Von der „Shoppingtour“ am Set bis zur Arbeit mit drei Regisseuren auf einmal: Wir haben mit Hauptdarsteller Volker Bruch über „Babylon Berlin“ gesprochen und Interessantes zur Entstehung sowie Zukunft der Serie erfahren…

    Frédéric Batier/X Filme

    Vergangenen Sonntag war es endlich so weit: Ein knappes Jahr nach dem exklusiven Start auf Sky und eine Woche, nachdem es die ersten beiden Staffeln in 150 Lichtspielhäusern deutschlandweit zu sehen gab, folgte die Free-TV-Premiere von „Babylon Berlin“, der teuersten nicht-englischsprachigen Serie aller Zeiten. Seit dem 30. September 2018 kommen nun also alle Zuschauer in den Genuss des deutschen Serien-Highlights. Ab 20.15 Uhr zeigt Das Erste derzeit jeden Donnerstag drei Episoden der im Berlin der 20er Jahre angesiedelten Krimi-Serie, darüber hinaus bietet der Sender die Folgen online auch als Stream an. Am 19. Oktober erscheint „Babylon Berlin“ außerdem erstmals auf DVD und Blu-ray.

    Man kennt Volker Bruch als überengagierten Lehrer aus „Fack Ju Göhte 2“ oder aus Christian Züberts tragikomischem Roadmovie „Hin und weg“ mit Florian David Fitz, eine Schwäche scheint der in München geborene Schauspieler aber vor allem für historische Stoffe haben. Nach „Der Baader Meinhof Komplex“, „Der Vorleser“ und dem TV-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ war der 38-Jährige jüngst auch in „Die Macht des Bösen“ an der Seite von Hollywood-Stars wie Jason Clarke, Rosamund Pike und Mia Wasikowska zu sehen. Ganz besonders wohl scheint sich Bruch aber im ebenso aufstrebenden wie verruchten Berlin der Weimarer Republik zu fühlen – deswegen bleibt er uns als hartnäckiger Ermittler mit dem Herz am rechten Fleck auch noch eine Weile erhalten.

    Wir haben den Darsteller von Kommissar Gereon Rath vor dem Drehstart der dritten Staffel getroffen und nachgefragt, wie er denn eigentlich reagierte, als er die Zusage für die Hauptrolle bekam, ob er jemals daran dachte, das Rollenangebot gar nicht anzunehmen und was uns in der dritten Staffel der Serie erwartet.

    FILMSTARTS: Die Premiere von „Babylon Berlin“ liegt fast ein Jahr zurück. Wie fühlt sich das an, die Serie nach so langer Zeit jetzt noch einmal einem breiteren Publikum näherzubringen?

    Volker Bruch: Das ist natürlich nicht üblich so, aber wir beginnen ja bald mit den Dreharbeiten für die nächste Staffel. Insofern sehen wir uns gerade alle wieder viel und das Thema „Babylon Berlin“ ist gerade ohnehin sehr präsent in unseren Köpfen. Außerdem ist das jetzt eigentlich die Hauptpremiere. Vor einem Jahr war das ja eher eine Preview im Vergleich.

    FILMSTARTS: Jetzt ist es ja so, dass „Babylon Berlin“ nicht nur ins Free-TV kommt, sondern kürzlich auch als zweiteiliger Marathon im Kino lief. Warum ist „Babylon Berlin“ die richtige Serie für die große Leinwand?

    Volker Bruch: Es gibt sicher einige Serien, die dafür geeignet wären. Ich würde mich sehr freuen, wenn meine Lieblingsserien im Kino gezeigt werden würden. Und „Babylon Berlin“ ist so bildgewaltig und die Musik so mitreißend, dass es eigentlich die besten technischen Voraussetzungen verdient, um konsumiert zu werden. Natürlich kann man das auch auf dem iPad gucken, aber das Kino kann da natürlich mehr. Tatsächlich haben wir selbst die Serie auch so geschaut. Wir hatten die Teampremiere vor etwa einem Jahr im Delphi Kino hier in Berlin, wo wir an einem Wochenende alle Folgen geguckt haben. Das war wirklich ein Erlebnis. Aber das war natürlich nochmal ein spezieller Heimvorteil, weil das alles Teammitglieder waren, ein volles Kino mit 600 Leuten, das war eine Wahnsinnsstimmung.

    FILMSTARTS: Wie hast du erfahren, dass du bei „Babylon Berlin“ dabei bist? Und wie hast du reagiert? Da hat man ja schon ein bisschen geahnt, dass das was Großes wird, oder?

    Volker Bruch: Ja, absolut. Also, mit dieser Konstellation aus Regisseuren, der Vorlage und dem Budget war schon klar, dass das etwas Besonderes werden könnte. Als ich den Anruf von Tom [Tykwer] bekommen habe, habe ich ne Beckerfaust gemacht. [lacht]

    Frédéric Batier/X Filme

    FILMSTARTS: Wie hast du dich für die Rolle vorbereitet? Hast du nur deinen Text gelernt oder dich auch mehr mit den Hintergründen der damaligen Zeit auseinandergesetzt?

    Volker Bruch: Wir hatten alle gemeinsam jede Woche ein Treffen, wo wir uns mit der Zeit auseinandergesetzt haben. Es wurden verschiedene Gastdozenten und Historiker eingeladen, die jeweils über ihr Spezialgebiet gesprochen haben und einen Einblick in die Zeit geben konnten. Dann haben wir noch Filme zusammen geschaut und gemeinsam diskutiert. Ich erinnere mich noch gut, als uns Alex die ganzen Requisiten gezeigt hat. Das sind riesige Hallen gewesen, wo es nur Material aus der Zeit gab, Originale. Da konnte man durchgehen und ich hab mir beispielsweise einen Kamm ausgesucht… den sieht man dann später auch in der Serie. Wir konnten zusagen shoppen gehen. [lacht]

    FILMSTARTS: Das heißt, du hattest auch die Freiheit zu sagen, was zu Gereon Rath passen würde und durftest mitentscheiden?

    Volker Bruch: Wir haben immer über alles gesprochen. Man muss sich mit den Sachen dann ja auch wohlfühlen. Wenn es beispielsweise drei Pistolen zur Auswahl gab, spricht man eben darüber, welche am besten zu Gereon passt. Da waren wir uns aber oft erstaunlich schnell einig.

    FILMSTARTS: Gab es diesen Austausch auch hinsichtlich des Drehbuchs und der Dialoge oder wurde strikt nach Vorlage gedreht? Bei einigen Szenen glaubt man, das könnte tatsächlich „frei Schnauze“ sein…

    Volker Bruch: Es war fast alles sehr genau nach Drehbuch. Was du ansprichst, sind genau die Szenen, die beim Lesen schon so Spaß gemacht haben, die dann oft spontan wirken, wenn sie gut umgesetzt werden. Das ist eine große Qualität – wenn sich die Vorlage so intuitiv liest, dass man beim Spielen das Gefühl hat, das entsteht gerade, das ist echt. Es gab ein paar Sätze und Szenen, die wir bearbeitet haben, weil sie etwas holprig waren oder nicht so ganz wie auf dem Papier funktioniert haben, aber ansonsten waren wir immer ziemlich nah am Drehbuch.

    Frédéric Batier/X Filme

    FILMSTARTS: „Babylon Berlin“ wurde nicht nur mit drei Regisseuren gedreht, sondern auch noch nach Location – und nicht nach Episode. Das ist sehr außergewöhnlich. Wie war diese Erfahrung für dich?

    Volker Bruch: Das hatte tatsächlich hauptsächlich Vorteile. Ich konnte mir das anfangs auch nicht so recht vorstellen. Die Regisseure haben sich einfach abgewechselt. Jeder Regisseur hatte zwei Blöcke zu je ungefähr sechs Wochen und die haben sich dann leicht überlappend abgelöst. Die letzten eineinhalb bis zwei Wochen eines Blocks hat der andere mit seinem Team schon gedreht – das heißt, da gab es zwei Sets in der Stadt, die parallel gearbeitet haben. Für uns hat das eigentlich nur bedeutet, dass wir nach fünf oder sechs Wochen einen neuen Regisseur hatten. Das war aber ganz toll, weil man nach einer Weile natürlich routinierter wird und das Gefühl hat, man kennt die Figur jetzt und weiß, wie sie tickt. Und dann kommt auf einmal jemand, der seinen Fokus noch einmal auf etwas anderes legt oder sagt „mir fehlt da noch dies und das“ – und dann kann man sich in den nächsten Tagen darauf konzentrieren. Dadurch entsteht eine gewisse Dreidimensionalität und Tiefe, die dem Ganzen gut tut.

    FILMSTARTS: Was war für dich die größte Herausforderung? Der Dreh einer bestimmten Szene? Das Tanzen? Welche Rolle spielte die Arbeit vor dem Green Screen? Hin und wieder weiß man als Zuschauer ja gar nicht mehr, was jetzt genau echt ist und was nicht…

    Volker Bruch: Ja, ich finde eben auch, dass CGI am besten eingesetzt ist, wenn du es gar nicht siehst. Es gibt ja CGI-Momente, die du wirklich nicht als solche wahrnehmen würdest – wenn ganz am Anfang, zum Beispiel, Charlotte aus der Wohnung kommt, über den Platz geht und eine Tram vorbeifährt, die gar nicht da war. Es gab aber natürlich auch Momente, wie im Fliege, wo du weißt, das kann nur CGI sein. Aber CGI war schon ein wichtiges Element, um die Stadt zum Leben zu erwecken. Ansonsten fällt es mir aber tatsächlich schwer, einzelne Szenen herauszupicken, weil man in den sieben Monaten jeden Tag so wahnsinnig viel erlebt hat, dass das Ganze eine riesige emotionale Erinnerung ist, die sehr abwechslungsreich und intensiv ist.

    FILMSTARTS: Ihr habt auch sehr lange gedreht, kein Vergleich etwa zu einem Spielfilm. Auch wenn ihr mit verschiedenen Teams gedreht habt, schweißt einen das noch mehr zusammen als bei anderen Dreharbeiten?

    Volker Bruch: Jeder Regisseur hatte zwar sein eigenes Team mit Kamera, Licht und so weiter, es gab aber auch Leute, die von Anfang bis Ende dabei waren, wie die Maskenabteilung oder viele von der Kostümabteilung zum Beispiel. Die müssen natürlich wissen, wo beispielsweise eine Wunde sitzt und da gab es auf jeden Fall einen roten Faden, der sich durchgezogen hat. Und dann ist es natürlich auch toll, wenn man ein Team, mit dem man so viel Zeit verbracht hat, nach ein paar Monaten wiedersieht – wir haben eine wahnsinnig herzliche Beziehung miteinander, die in ihrer Intensität wirklich einmalig ist.

    FILMSTARTS: Jetzt ist „Babylon Berlin“ nicht nur die größte deutsche Serie überhaupt, sondern eben auch eine sehr erfolgreiche, auch international. Wie erklärst du dir den Erfolg auch in anderen Ländern? Immerhin behandelt die Serie ja deutsche Geschichte in deutscher Sprache.

    Volker Bruch: Deutschland hat eine unglaubliche Geschichte – und die ist in der ganzen Welt interessant. Das ist ja nicht erst seit „Babylon Berlin“ so. Es war schon immer so, dass das Filmemacher und Geschichtenerzähler aus der ganzen Welt interessiert hat. Die Weimarer Republik ist da komischerweise so etwas wie ein Blindspot, wo man denkt, wieso gibt’s da so wenig? Das ist schon eine sehr intensive Zeit gewesen, in der man nicht wusste, wo die Reise hingeht. Und das ist wirklich erzählenswert.

    FILMSTARTS: Für einen Schauspieler ist es natürlich immer auch eine große Chance, wenn international die Augen auf einen gerichtet werden. Schielt man da auch ein wenig nach Hollywood und schaut sich vielleicht nach Projekten in Übersee um?

    Volker Bruch: Nein. Das ist vielleicht ein verlockender Gedanke, aber so etwas wie „die Karriere“, über die rückblickend gerne geredet wird, gibt es für uns ja eigentlich nicht. Es gibt nur Projekte, die man macht oder eben nicht macht. Rückblickend kann man natürlich sagen, „deine Karriere lief so oder so“, aber eine Planung gibt es nicht. Das passiert einfach. Man hat im besten Fall einfach Drehbücher auf dem Tisch und sagt ja oder nein. Und dann ist da ein Weg, den man zu sehen glaubt, den es eigentlich aber nicht gibt.

    Frédéric Batier/X Filme

    FILMSTARTS: Und warum hast du zu „Babylon Berlin“ „Ja“ gesagt“?

    Volker Bruch: Weil da ein „Nein“ nie in Frage kam. Ich wollte das von Anfang an unbedingt machen, da gab es keine Zweifel.

    FILMSTARTS: Worin kann man dich denn demnächst sehen außer in „Babylon Berlin“? Du hast ja kürzlich auch die Verfilmung von Stieg Larssons „Verschwörung“ gedreht…

    Volker Bruch: Ja, da spiele ich eine kleine Rolle. Und bei dem Kinderfilm „Rocca verändert die Welt“ bin ich mit dabei.

    FILMSTARTS: Wie ist denn der aktuelle Status bei der dritten Staffel von „Babylon Berlin“? Wie weit bist du schon in den Vorbereitungen? 

    Volker Bruch: Wir fangen im November an und drehen vermutlich wieder ungefähr ein halbes Jahr.

    FLMSTARTS: Wieder zwei Staffeln?

    Volker Bruch: Es wird diesmal nur eine Staffel werden. Im Prinzip waren die ersten beiden Staffeln für uns ja auch schon wie eine Staffel. Es ist eben eine Geschichte.

    FILMSTARTS: Und weißt du schon, wie es weitergeht? Hast du die Drehbücher schon bekommen?

    Volker Bruch: Ich habe schon eine Fassung der Drehbücher gelesen und so viel kann ich schon mal verraten: Es wird wieder wahnsinnig spannend.

    FILMSTARTS: So spannend wie der zweite Roman um Gereon Rath, „Der stumme Tod“?

    Volker Bruch: Ja, genau. Die dritte Staffel orientiert sich an dem zweiten Fall, ist aber wieder eine sehr freie Interpretation.

    FILMSTARTS: Zum Schluss: Ein Filmtipp, den vielleicht nicht jeder kennt?

    Volker Bruch:The Florida Project“ (2017) von Sean Baker

     

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