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    Netflix greift mit neuer Mystery-Serie ins Klo: Darum hat mich "Equinox" enttäuscht

    Anhand des Trailers haben auch wir uns damals die Frage gestellt, ob die dänische Mystery-Serie „Equinox“ das neue „Dark“ werden könnte. Nun ist „Equinox“ auf Netflix gestartet – und die Hülle ist zwar schön, aber der Inhalt enttäuscht.

    Netflix

    +++ Meinung +++

    Nennt sich irgendwas „Mystery-Serie“, bin ich aus der Redaktion eine der ersten, die am Haken hängt – klingt es auch nur ansatzweise nach „Lost“, wird es geschaut. Also interessierte ich mich auch für die neue Netflix-Serie „Equinox“, die als skandinavische Serie zudem versprach, an die jüngsten europäischen Mystery-Erfolge auf Netflix anzuknüpfen – vom deutschen Prestige-Projekt „Dark“ bis zur italienischen Grusel-Mär „Curon“ (bei weitem nicht so gut wie „Dark“, aber ganz ansehnlich).

    Doch leider wurde ich von „Equinox“ bitter enttäuscht, vor allem in der zweiten Hälfte der ersten Staffel, (die übrigens auf einem Podcast basiert). Dabei hat eigentlich vieles gestimmt! Die Schauspieler etwa sind größtenteils gut, vor allem das Hauptdarstellerinnen-Duo Danica Curcic (Astrid) und Karoline Hamm (Ida) überzeugt.

    Vergeudetes Potenzial

    Schön und vor allem schön mysteriös sieht das Ganze dann auch noch aus – dänischer Wald-Wildnis und Großstadt-Tristesse sei Dank. Wenn Ida und ihre Freunde im Nebel zur bewaldeten Insel rudern, wo sie Zeugen eines heidnischen Rituals bei Feuerschein werden, oder Astrid bei ihren Recherchen durch die grauen Hochhaussiedlungen Kopenhagens stiefelt und immer mehr an ihrem Verstand zweifelt, baut sich eine bedrohliche Atmosphäre auf.

    Auch die Prämisse ist durchaus spannend – und mischt viele Elemente aus neueren Mystery-Hits, die neugierig machen, gerade auch, weil sie einem bekannt vorkommen und woanders gut funktioniert haben:

    1999 verschwindet eine komplette Abschlussklasse, darunter die 18-jährige Ida, scheinbar spurlos. Viele Jahre später befasst sich Idas Schwester Astrid mit dem Verschwinden (verschwundene Kinder und Zeitsprüngen wie in „Dark“: check).

    Schon seit ihrer Kindheit hat Astrid seltsame Visionen, die sie in eine schummrig beleuchteten Zwischenwelt führen, in der seltsame Partikel in der Luft rumschweben (die Schattenwelt aus „Stranger Things“: check).

    Bald stellt Astrid die Verbindung zu uralten heidnischen Ritualen her, die in bestimmten zeitlichen Abständen ausgeführt werden (die Sommersonnenwende in „Midsommar“: check).

    Netflix

    Einfach nur Mystery-Elemente abhaken reicht nicht

    Aber genau dieses brave Abarbeiten bekannter Genre-Themen ist eben der Fallstrick, in dem sich die Serie verheddert. Es reicht nicht, sich mit all diesen Mystery-Elementen zu schmücken, wenn man dann nicht auch seine Geschichte packend zu erzählen weiß und bereit ist, zumindest einige der aufkommenden Rätsel auch wirklich zu lösen.

    Versteht mich nicht falsch: Ich muss nicht alles auserzählt bekommen und dass gerade Auflösungen von fantastischen Geschichten sehr oft einfach nicht zufriedenstellend ausfallen, das weiß ich spätestens seit dem Paradebeispiel „Lost“ nur zu gut.

    Doch wenn man eine interessante Story in der Hand hat, die sogar in heidnischer Mythologie verankert ist, in der auch ohne künstliche Spannungs-Effekthascherei genug Potenzial für Mysteriöses steckt, und dann aber absolut nichts daraus macht – dann fühle ich mich enttäuscht und hinters Licht geführt:

    Sechs Episoden lang musste ich der ermüdenden Spurensuche von Astrid folgen, die übrigens auch sehr gut oder eigentlich viel besser in einem 90-minütigen Film hätte erzählt werden können. Ihre Schnitzeljagd liefert mehr Fragen als Antworten, nur damit ich am Ende dann in einem plötzlich überhasteten Finale eine fragwürdige Auflösung in ätherisch-wabernden Bildern bekomme.

    Da wird einfach zu viel Lärm um nichts gemacht und auf plumpe Pseudo-Symbolik gesetzt.

    Plumpe Mystery statt starker Geschichte

    Stärken sind immer wieder zu erkennen, wie die Verarbeitung des familiären Traumas nach dem Verschwinden der Kinder oder in Rückblenden das sexuelle Erwachen Idas, das durchaus gekonnt mit der Fruchtbarkeits-Symbolik des Ostara-Kults verwoben wird. Doch statt sich darauf zu verlassen, wirft „Equinox“ einfach auf Teufel komm raus ein Element nach dem anderen aus dem Mystery-Handbuch für Drehbuchautoren dazwischen, ohne dass sie wirklich eine treibende Funktion für die Erzählung haben oder gar eine Auflösung erfahren.

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    Heraus kommt viel bedeutungsschwangeres Getue um düstere Zwischenwelten, vermeintlichen Wahnsinn, heidnische Symbole, ein Grimoire (das ist ein Buch mit magischem Wissen), geheimnisvoll tuende Überlebende mit obskuren Botschaften, tote Hasen in Gräbern, auf einer Kassette rückwärts abgespielte Geheimnachrichten und viel, viel Nebel.

    Fazit: "Equinox" wirkt gewollt statt gekonnt

    Um fair zu sein: Das alles mag schon reichen, um Spannung zu erzeugen – bei mir hat es das aber nicht getan. Wenn ich das Gefühl habe, hier will jemand um jeden Preis ein ganz kompliziert ineinander verwoben erscheinendes Geheimnis aufbauen, nur um dann am Ende lieblos ein hilflos wirkendes Ende dranzuklatschen, das für sich gesehen noch einmal mehr Fragen aufwirft, als beantwortet, dann wirkt das einfach wie gewollt statt gekonnt. Vor allem, wenn die Serie eigentlich keinen anderen erzählerischen Inhalt als ihr „großes Mysterium“ hat.

    Nicht überall, wo Mystery draufsteht, ist dann eben am Ende auch wirklich Spannung drin.

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