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    Kubo - Der tapfere Samurai
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Kubo - Der tapfere Samurai
    Von Christoph Petersen

    Als amerikanische Antwort auf Aardman Animations („Chicken Run“, „Shaun das Schaf – Der Film“) haben die Stop-Motion-Spezialisten von Leika mit Filmen wie „Coraline“, „Die Boxtrolls“ und „ParaNorman“ schon wiederholt ihr Händchen für herausfordernde Genrestoffe bewiesen, die von ihnen – im Gegensatz zu den meisten anderen Animations-Produktionen aus Hollywood - ganz bewusst nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner heruntergebrochen werden. Und das ist nun auch beim inzwischen vierten Film des Studios nicht anders: „Kubo – Der tapfere Samurai“ von Leika-CEO und Regiedebütant Travis Knight ist ein traumhaft-schön animiertes Fernost-Märchen, das mit einer einzigartig meditativen Atmosphäre, einer ungewöhnlich komplexen Erzählung und atemberaubenden Martial-Arts-Choreographien begeistert. Wenn es bei der Preisverleihung nur einigermaßen gerecht zugeht (was es ja leider oft genug nicht tut), müsste „Kubo – Der tapfere Samurai“ bei den Oscars 2017 den Preis für den Besten Animationsfilm mit Leichtigkeit einstreichen.

    Der eine Augenbinde tragende Kubo (Stimme im englischen Original: Art Parkinson) lebt gemeinsam mit seiner oft apathischen Mutter in einer Höhle, wo sie ihm in ihren seltenen lichten Momenten immer wieder einbläut, bloß nicht nach Einbruch der Dunkelheit noch draußen zu sein. Schließlich haben seine rachsüchtigen Tanten (beide: Rooney Mara) und sein mörderischer Großvater (Ralph Fiennes), der Mondgott, einst schon eines seiner Augen geraubt. Aber es kommt, wie es kommen muss: Kubo lässt sich von einem Laternenfest im nahen Dorf ablenken – und wird prompt von seinen Tanten attackiert. Seine Mutter kann zwar noch rechtzeitig dazwischen gehen und Kubo mit ihrer Magie an einen sicheren Ort bringen, kommt dann aber im Kampf um. Nun muss Kubo die magische Rüstung seines verstorbenen Vaters finden, um auch ohne den Schutz seiner Mutter eine Chance gegen seinen Großvater zu haben. Zum Glück findet er schnell zwei Kameraden, einen Affen (Charlize Theron) und einen Käfer (Matthew McConaughey), die ihn auf seiner Mission unterstützen…

    Kubo verdient den Lebensunterhalt für sich und seine Mutter als Shamisen-Spieler auf dem Dorfplatz, denn er besitzt die einzigartige Fähigkeit, mit den Tönen seines dreisaitigen Lauteninstruments Origamipapier zu aufwendigen Figuren zu falten – und diese dann auch noch passend zur von ihm zur Musik erzählten Geschichte gegeneinander kämpfen zu lassen. Aber nicht nur diese Momente sind grandios-phantasievoll inszeniert (wenn etwa ein riesenhaftes Huhn Feuer speit, besteht dieses aus vielen kleinen roten Papierblättchen), die visuelle Ausgestaltung des gesamten Films ist liebevoll an die japanische Origami-Faltkunst angelehnt. Das Ergebnis ist ein aus der glattgebügelten Masse an 3D-Animations-Blockbustern absolut herausragender, erstaunlich griffiger Look, wobei in einem Hollywood-Animationsfilm die Erzählung und die Optik wohl eh noch nie so perfekt ineinander gegriffen haben wie bei „Kubo – Der tapfere Samurai“.

    Genau wie die „gefaltete“ Optik eckt auch die Geschichte mit ihren vielen der japanischen Mythologie entliehenen Elementen immer wieder bei unseren westlichen Sehgewohnheiten an. „Kubo – Der tapfere Samurai“ erinnert erzählerisch tatsächlich eher an Miyazaki-Klassiker wie „Chihiros Reise ins Zauberland“ als an die Konkurrenz von Disney und Pixar. Trotzdem basiert der Film nicht, wie man nach dem Sehen leicht erwarten könnte, auf einer alten japanischen Sage, sondern ist tatsächlich ein Original des amerikanisch-britischen Drehbuch-Duos Marc Haimes und Chris Butler. Das macht es allerdings nur noch erstaunlicher, dass die mythische Schiene um rachsüchtige Geister, verwunschene Krieger und magische Rüstungen mit keinerlei Zugeständnissen an ein Mainstream-Kost gewöhntes westliches Publikum verwässert wird. Ganz im Gegenteil: Gerade beim Kampf mit den Tanten auf einem sinkenden Schiff (aus Origami-Papier) sowie beim Duell mit einem Riesenskelett mit feuerrot leuchtenden Augen sind die Martial-Arts-Einlagen konsequent intensiv geraten. Für ganz junge Kinder ist „Kubo“ deshalb auch nicht geeignet – aber für etwas ältere Kinogänger dafür hingegen umso mehr.

    Fazit: Ein Familienfilm mit Wow-Effekt – „Kubo – Der tapfere Samurai“ ist ein nicht nur visuell herausragendes Animations-Abenteuer, dem man nur ganz fest wünschen kann, dass sich der Mut der Macher auch an der Kinokasse und bei der kommenden Oscarverleihung auszahlen wird.

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