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    Tatort: Zahltag
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Zahltag
    Von Lars-Christian Daniels

    Das muntere Kommen und Gehen im „Tatort“ setzt sich fort: Die Krimireihe zählt momentan so viele Kommissare und Schauplätze wie nie zuvor – und kaum ein halbes Jahr vergeht, ohne dass wieder ein Ermittler abdankt oder ein neues Team den Dienst antritt. Nun trifft es auch den vergleichsweise jungen Krimi aus Dortmund: Hauptdarsteller Stefan Konarske („Same Same But Different“), der in den vergangenen Jahren acht Mal den Oberkommissar Daniel Kossik mimte, steigt 2017 aus und will sich in seiner Wahlheimat Paris verstärkt Theater- und Filmprojekten widmen. Der WDR sieht das mit einem weinenden und einem lachenden Auge: „Wir hatten noch Pläne mit Daniel Kossik. Doch der Ausstieg gibt uns die Gelegenheit, manches auf die Spitze zu treiben und keine Kompromisse machen zu müssen“, gab der Sender im August 2016 bekannt und ließ damit durchklingen, dass der in den letzten Folgen zugespitzte Konflikt zwischen Kossik und seinem Kollegen Peter Faber (Jörg Hartmann) vollends eskalieren könnte. In Thomas Jauchs „Tatort: Zahltag“ deutet sich das bereits an: Kossik und Faber geben einmal mehr die Streithähne in einem unterhaltsamen Krimi, in dem der Mordfall klar hinter den teaminternen Querelen zurückstehen muss.

    In der Dortmunder Innenstadt rammt ein Wagen das Motorrad von Ralf Nowak (Dominik Kowalski), der verletzt zu Boden geht. Die Täter haben es auf den Rucksack des Rockers abgesehen. Als sich das Opfer wehrt, kommt es zum Schusswechsel: Nowak wird ebenso erschossen wie Passant Lars Freidank (Tobias Winopall); und auch die unbeteiligte Claudia Stetter (Jennifer Buschmann) wird schwer verletzt. Die zwei Raubmörder sind schnell ermittelt – liegen aber kurz darauf tot in einer Garage. Die Dortmunder Hautkommissare Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) begeben sich in das Clubheim der Rockergang des Toten – und merken schnell, dass mit dem gerade erst aus dem Knast entlassenen Präsidenten Thomas Vollmer (Jürgen Maurer) und dem Vizepräsidenten Luan Berisha (Oliver Masucci) nicht zu spaßen ist. Die Oberkommissare Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) ermitteln an einer anderen Front: Eine dubiose Baufirma wäscht offenbar Geld für die Rocker. Schon bald geraten die Ermittlungen aber ins Stocken: Weil Kossik ein Disziplinarverfahren gegen Faber initiiert hat, rückt der argwöhnische Johannes Pröll (Milan Peschel) von der Dienstaufsicht dem Team auf die Pelle...

    Als sich die „Tatort“-Autoren das letzte Mal an einer Geschichte im Rockermilieu versuchten, war das Ergebnis eine mittelschwere Krimi-Katastrophe: Der Saarbrücker „Tatort: Eine Handvoll Paradies“ zählt zu den schwächsten Folgen der vergangenen Jahre und geriet zum allenfalls unfreiwillig komischen Mix aus schrägem Klamauk, unbeholfener Ermittlungsarbeit und einer eigenwilligen One-Man-Show von Hauptdarsteller Devid Striesow („Ich bin dann mal weg“). Die 996. Ausgabe der Krimireihe fällt da deutlich authentischer aus: Drehbuchautor Jürgen Werner, der für den vielgelobten „Tatort: Hydra“ 2015 mit dem Deutschen Fernsehkrimipreis ausgezeichnet wurde, versteht sein Handwerk und setzt seine ausgezeichnete Arbeit fort. Gemeinsam mit dem vielfach krimierprobten Regisseur Thomas Jauch („Notruf Hafenkante“) lässt er die Kommissare im Milieu des organisierten Verbrechens ermitteln, in dem vor Polizeibeamten keinerlei Respekt herrscht. Das bekommt auch Bönisch zu spüren, die Faber in einer kritischen Situation zur Seite springt und um ihr Leben fürchten muss, als sie vor zwei Dutzend Rockern ihre Dienstwaffe zückt: „Steck das Ding ein! Sonst sorg ich dafür, dass dich jeder hier noch fickt, bevor sie dich in den Phönixsee schmeißen.

    Wie viele andere „Tatort“-Beiträge aus Dortmund krankt aber auch dieser Fall daran, dass das Aufklären des Mordfalls ständig hinter den teaminternen Querelen und dem Privatleben der Ermittler zurückstehen muss: Wem die bisherigen Beiträge aus dem Ruhrpott zu viel Drama und zu wenig Krimi waren, der dürfte auch diesmal eine herbe Enttäuschung erleben. Ähnlich wie in den „Tatort“-Beiträgen aus Berlin mit Meret Becker und Mark Waschke wird der horizontale erzählerische Ansatz der vorherigen Folgen konsequent fortgesetzt, so dass sich die Dortmunder Beiträge mittlerweile zu einer Art „Mini-Serie“ innerhalb der Krimireihe entwickelt haben. Auch den Stammzuschauern wird einiges an Erinnerungsvermögen abverlangt: Diesmal schlägt Stammautor Jürgen Werner den Bogen zum „Tatort: Kollaps“ von 2015, in dem der besserungswillige Dealer Jamal (Warsama Guled) von einem Informanten Fabers erschossen wurde. Dessen Zoff mit Kossik, der zuletzt in „Tatort: Hundstage“ in einer handfesten Prügelei gipfelte, spitzt sich weiter zu – führt aber zugleich zu einer köstlichen, wenn auch nicht ganz glaubwürdigen Kneipensequenz, nach der die beiden sogar im selben Bett nächtigen, ohne sich menschlich anzunähern.

    Angesichts der zahlreichen offen schwelenden Konflikte, in die auch Bönisch und Dalay unmittelbar hineingezogen werden, bildet Johannes Pröll (Milan Peschel) den Ruhepol im Präsidium: In aller Seelenruhe treibt der penible Kollege von der Dienstaufsicht die gestressten Kommissare beim Verhör vor seiner Videokamera zur Weißglut und stiehlt mit seiner überkorrekten, geduldigen Art fast jede Szene, in der er auftritt. Kinostar Milan Peschel („Schlussmacher“, „Der Nanny“), der bereits als verzweifelter alleinerziehender Vater im herausragenden Frankfurter „Tatort: Weil sie böse sind“ und als mordender Möchtegern-Superheld im spaßigen Münsteraner „Tatort: Der Hammer“ glänzte, mausert sich auch diesmal zum heimlichen Publikumsliebling. Nicht von ungefähr geht der stärkste der vielen tollen Dialoge auf das Konto von Pröll („Wir machen alle nur unsere Arbeit.“) und Faber („Jaja, das haben die im Dritten Reich auch gesagt.“). Und der Dortmunder „Tatort“ wäre nicht der Dortmunder „Tatort“, wenn es am Ende nicht einen knackigen Cliffhanger gäbe: Ein Wiedersehen mit Pröll scheint möglich – wie es mit Kossik und Faber weitergeht, ist aber die wohl spannendste Frage, die im kommenden Jahr endgültig geklärt werden wird.

    Fazit: Thomas Jauchs „Tatort: Zahltag“ ist ein unterhaltsamer und zugleich typischer Beitrag aus Dortmund, in dem der Kriminalfall einmal mehr hinter den Spannungen zwischen den vier Kommissaren zurückstehen muss.

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