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    Buffalo Soldiers ’44 – Das Wunder Von St. Anna
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Buffalo Soldiers ’44 – Das Wunder Von St. Anna
    Von Lars-Christian Daniels

    Ursprünglich verdanken die Buffalo Soldiers ihren Spitznamen den Indianern, welche die schwarzen Locken der afro-amerikanischen Bürgerkriegssoldaten im 19. Jahrhundert mit einer Haarpracht verglichen, die ihnen bis dato weitaus vertrauter war: Büffelmähnen. Doch spätestens seit Reggae-Legende Bob Marley ihnen einen seiner berühmtesten Songs gewidmet hat, dürfte der Begriff auch historisch weniger sattelfesten Menschen geläufig sein. Die Protagonisten in James McBrides erfolgreichem Roman „Buffalo Soldiers '44 – Das Wunder Von St. Anna" stehen knapp einhundert Jahre später in einer rein dunkelhäutigen Einheit für ihr Vaterland auf dem Schlachtfeld. Mitten im Zweiten Weltkrieg erfahren die US-Soldaten in einem umkämpften toskanischen Dorf zu Zeiten eines von Diskriminierung und Unterdrückung geprägten Amerikas erstmalig echte Menschlichkeit. Es überrascht nicht, dass sich mit Spike Lee („Malcolm X") ein Regisseur der Verfilmung des Stoffes angenommen hat, der bekannt für seine gesellschaftskritische Haltung und die filmische Annäherung an das Schicksal von Afro-Amerikanern in den Vereinigten Staaten ist. Vor der düsteren Kulisse von Nazi-Terror und Kriegsverbrechen erzählt der Filmemacher die Geschichte einer ebenso ungewöhnlichen wie bewegenden Freundschaft und inszeniert zugleich einen bisher wenig beleuchteten Aspekt amerikanischer Zeitgeschichte. Dass das Kriegsdrama mit knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit eine ganze Ecke zu lang geraten ist, liegt an James McBrides selbst verfasster Drehbuchadaption, die einfach zu viele kleine Handlungsfäden im Plot unterbringen will.

    Herbst 1944: Der Zweite Weltkrieg hat die Toskana erreicht. Während sich die deutsche Wehrmacht in Italien auf dem Rückzug befindet und eine letzte Verteidigungslinie errichtet, um den Vormarsch der Alliierten zu stoppen, versucht die US-Armee, die strategisch wichtige Stellung am Serchio-Fluss zu durchbrechen. Unter den US-Soldaten sind auch die vier afro-amerikanischen Privates Hector (Laz Alonso), Stamps (Derek Luke), Bishop (Michael Ealy) und Sam (Omar Benson Miller), der seit einer Brückensprengung in Florenz einen kostbaren Marmorkopf bei sich trägt. Während eines Angriffs werden die Kameraden von ihrer Einheit abgeschnitten und retten den kleinen Angelo (Matteo Sciabordi) vor dem sicheren Tod. Sam will den italienischen Jungen nicht alleine zurücklassen und nimmt ihn mit in ein nahegelegenes Dorf. Dort erfahren die Buffalo Soldiers etwas, das ihnen in ihrer Heimat stets verwehrt wurde: Gleichberechtigung, Menschlichkeit und Respekt...

    „Buffalo Soldiers '44 – Das Wunder Von St. Anna" kann sich vor allem dann als Enttäuschung entpuppen, wenn der Zuschauer mit falschen Erwartungen an den Film herangeht. Wer James McBrides Bestseller nicht gelesen hat und ein erschütterndes Antikriegsdrama im Stile von Francis Ford CoppolasApocalypse Now", Oliver StonesPlatoon" oder Steven SpielbergsDer Soldat James Ryan" erwartet, wird schnell feststellen, dass McBride auch bei seiner Drehbuchadaption einen anderen Schwerpunkt setzt. Er serviert dem Publikum nur einleitend ein längeres Schlachtfeldgemetzel und klagt den Krieg als solchen eher indirekt an. Nach der Ankunft im Dorf beleuchtet er stattdessen das Schicksal und die Zukunftsängste seiner vier Hauptfiguren, die zwar in ihrer Hautfarbe gleich, in ihrem Wesen aber ganz verschieden sind. Sie riskieren ihr Leben für ein Heimatland, das außer pauschaler Diskriminierung und omnipräsentem Rassismus wenig für „Nigger" übrig hat. Spike Lee („25 Stunden", „Inside Man") gelingt dabei der Spagat zwischen dialoglastigen, ernsten Passagen und unbeschwerten Zwischentönen. Auch die Rahmenhandlung um den Partisanenkampf in den toskanischen Wäldern und die Morde der deutschen Besatzer inszeniert er gewohnt souverän.

    Durch die Rettung des italienischen Waisenjungen nimmt Private Sam innerhalb der Soldatentruppe schon bald eine Sonderrolle ein. Die ungewöhnliche Freundschaft und die heiteren Annäherungsversuche zwischen dem „Schokoriesen" und seinem kleinen Begleiter lassen sich anfangs nur schwer mit dem Grauen an der Front, das durch abgetrennte Gliedmaßen und blutüberströmte Soldaten greifbar wird, in Einklang bringen. Mit zunehmender Spieldauer jedoch entwickelt sich das putzige Verhältnis des hünenhaften GIs zu seinem aufgeweckten Freund zu einer echten Trumpfkarte. Omar Benson Miller, dessen Rolle als geistig etwas zurückgebliebenes Riesenbaby ein wenig an seine Performance in „8 Mile" erinnert, harmoniert prächtig mit Matteo Sciabordi, der bei seinem Leinwanddebüt nachhaltig Eindruck hinterlässt. Kehrseite der Medaille: Weil Sam zugleich derjenige ist, der den erbeuteten Marmorkopf in einem Netz mit sich trägt, vereinen sich die beiden wichtigsten Handlungsfäden in ein und derselben Person. Das Schicksal seiner drei Kameraden bleibt dadurch emotional auf der Strecke, was vor allem im Mittelteil des Films zu erheblichen Längen führt. Und in Bezug auf die wertvolle Trophäe aus Florenz kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese in erster Linie dazu dient, den Bogen zur zweiten Erzählebene in den 80er Jahren zu schlagen.

    Für deutsche Zuschauer gibt es in der US-Produktion gleich eine ganze Reihe prominenter Landsleute zu entdecken. Am meisten Leinwandzeit wird Christian Berkel („Operation Walküre", „Inglourious Basterds") eingeräumt, der seit seiner Rolle als unerschütterlicher Arzt in Oliver HirschbiegelsDer Untergang" offenbar Gefallen an Stoffen gefunden hat, die zur Zeit des Dritten Reichs spielen. Er verkörpert einmal mehr den unerschütterlichen Moralisten, der als Einziger die Befehle seiner rücksichtslosen Vorgesetzten hinterfragt und sich dem gnadenlosen Terror verweigert. Alexandra Maria Lara („Small World") dominiert als deutsche Propagandaqueen mit verführerischem Sirenengesang die einleitende Sequenz am Serchio-Fluss, an dem Oliver Korittke („Bang Boom Bang") leider schon nach wenigen Sekunden tödlich verwundet wird.

    Fazit: „Buffalo Soldiers '44 – Das Wunder Von St. Anna" ist eher rührende Charakterstudie als erschütterndes Kriegsdrama, weiß aber auch ohne bildgewaltiges Grauen zu überzeugen. Weil sich das Drehbuch mit dem schweren Marmorkopf jedoch buchstäblich einen Bremsklotz an den Gürtel geschnallt hat und zudem einige unnötige Nebenkriegsschauplätze eröffnet, gerät die Geschichte um Sam und seinen kleinen Freund Angelo sowie das Schicksal der Buffalo Soldiers leider immer wieder aus dem Blickfeld.

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