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    "Krieg ist nicht zum Jubeln!": "Midway"-Regisseur Roland Emmerich im Interview

    Beim „Midway“-Interviewtermin in Berlin berichtete uns Regisseur Roland Emmerich von Widerständen während der Dreharbeiten, der Bedeutung von Authentizität – und warum „Midway“ eine gute Antwort auf die Politik von Donald Trump ist.

    Reiner BAJO

    Anfang Oktober hatten wir die Gelegenheit, Roland Emmerich zum Gespräch über seinen Kriegsfilm „Midway - Für die Freiheit“ in Berlin zu treffen. Der in Stuttgart geborene Regisseur sprach im Interview vom Kampf unbekannter Helden für die Demokratie und warum sein Film in den Zeiten von Donald Trump eine wichtige Botschaft vermitteln kann.

    FILMSTARTS: Nach „Independence Day 2“, der große Schlachten enthält, den die meisten Menschen aber eher als Science-Fiction-Film bezeichnen würden, nach „Stonewall“ und nach „Anonymus“: Was hat dich daran fasziniert, jetzt einen Kriegsfilm zu machen?

    Roland Emmerich: Ich bin schon seit 20 Jahren an Midway interessiert. Ich habe damals eine Dokumentation auf dem History Channel gesehen und seitdem wollte ich den Film machen. Aber er war zu teuer. Und damals war auch der Grund, dass die Japaner ihn nicht unterstützen wollten. Sony war an dem Projekt interessiert, aber der damalige Vorsitzende, John Calley, konnte nur Kosten bis 90 Millionen absegnen. Ab 90 Millionen aufwärts musste er die Japaner fragen und die wollten eben keinen Film machen, in dem sie die Schlacht verlieren. Und das verstehe ich auch irgendwie. Aber ich muss sagen, ich bin eigentlich ganz glücklich, dass ich ihn damals nicht gemacht habe. Ich habe damals stattdessen „Der Patriot“ gemacht, mit Mel Gibson.

    „Wir machen einen Film über junge Männer, die damals Demokratie verteidigt haben.“

    Wir haben uns das auch gefragt, warum dieser Film, warum? Aber ich sage dann immer zu allen Leuten: Guck dir doch mal die Welt an! Da ist ein amerikanischer Präsident, der sagt: „Keine Globalisierung, sondern Nationalismus. America first.“ Dann gibt es Brexit. Es gibt überall Rechte und Nationalisten, die aus dem Boden sprießen. Und ich habe gesagt: Wir machen einen Film über junge Männer, die damals Demokratie verteidigt haben. Mit ihrem Leben. Und kein großes Geschrei draus gemacht haben. Da wurde auch nicht groß gejubelt am Ende. Denn man hatte so viele Freunde verloren, dass das glaube ich auch nicht zum Jubeln ist. Krieg ist generell überhaupt nicht zum Jubeln. Und das, glaube ich, ist eine ganz gute Botschaft gerade, in dieser Welt, auch zu zeigen, dass Leute für Ideale sterben. Denn heutzutage geht es ziemlich amoralisch zu und in Amerika könnte jederzeit ein Bürgerkrieg ausbrechen. Denn der Trump stachelt die ja alle an.

    FILMSTARTS: Das heißt, der Film war auch in gewisser Hinsicht ein Statement, zu sagen: Es gibt auch eine andere Art und Weise, zusammenzukommen?

    Roland Emmerich: Ja, oder zusammen zu kämpfen, für eine gute Sache, für Freiheit zu kämpfen, für Demokratie zu kämpfen. Und das war ein völlig vereintes Amerika, da gab es keine zwei Amerikas, wie es sie jetzt gibt.

    "Amerikaner waren nicht immer die Besten und Erfolgreichsten"

    FILMSTARTS: Warum die Schlacht von Midway? Man könnte ja auch andere Schlachten porträtieren.

    Roland Emmerich: Aber Midway war schon eine interessante Schlacht. Die Amerikaner meinten natürlich, die Westfront ist viel wichtiger. Die haben dann diesen Admiral Nimitz in den Pazifik geschickt und gesagt: Die Japaner sind viel besser als wir und sie haben mehr Leute und viel bessere Schiffe, also versuch einfach durchzuhalten. Aber Nimitz war ein sehr smarter Typ, der meinte, okay, wir haben drei Flugzeugträger, die haben zehn. Aber nichtsdestotrotz, wir müssen angreifen. Wir müssen das machen, wir müssen jenes machen. Und er hat ganz bewusst auf auf den Nachrichtendienst vertraut, dem vorher keiner geglaubt hat, und damit Glück gehabt.

    Reiner BAJO

    Und mit viel Glück haben sie es dann eben als Underdogs geschafft. Das nannten sie „Das Wunder von Midway“. Es war auch ein bisschen ein Wunder, denn die Amerikaner waren völlig unterlegen. Und das ist auch wiederum eine tolle Sache für Amerikaner heute zu sehen, dass Amerikaner nicht immer die Besten waren oder die Erfolgreichsten waren. Und damals mit viel Intuition und viel Improvisation gegen eine wohlorganisierte, aber halt auch unbewegliche japanische Flotte angegangen sind.

    FILMSTARTS: Willst du, dass das Publikum den Film vor allem mit diesem Gedanken im Kopf sieht?

    Roland Emmerich: Klar, ich will, dass jeder Mensch den Film sieht. [Lacht.] Eine Trickfrage. Aber klar, ich denke, dass wir den Leuten Sachen zeigen, die sie vielleicht noch nie gesehen haben. Was ja immer schon im Kino ganz wichtig war. Ich habe beispielsweise gesagt: Diese Landung in der Normandie aus „Der Soldat James Ryan“, das ist bei uns das Fliegen mit einem Sturzkampfflugzeug. Das war immer schon für mich unverständlich, dass Menschen so etwas machen können.

    "Alles in diesem Film ist wirklich passiert"

    FILMSTARTS: Der Vorspann von „Midway“ erklärt, dass es sich bei dem Film um einen wahrheitsgetreuen Bericht handelt. Wie wichtig war dir Authentizität?

    Roland Emmerich: Super wichtig. Das war für mich von Anfang an oberste Regel. Alles, was in diesem Film passiert, ist wirklich passiert. Alles. Außerdem haben wir für jeden Teil immer versucht, den besten Berater zu finden. Es gab einen allgemeinen Militärberater. Wenn wir geflogen sind, war ein Militärpilot immer dabei, der den Schauspielern erzählt hat, was sie falsch gemacht haben und wie sie es besser machen können. Als wir mit den Japanern gedreht haben, war da ein japanischer Berater. Als wir die chinesischen Szenen gedreht haben, war es ein chinesischer Berater. Als wir auf dem Flugzeugträger gearbeitet haben, hatten wir einen alten Mann namens Chuck: In den frühen 60ern hat er als junger Mann auf einem Flugzeugträger angefangen und sich hochgearbeitet. Der hat uns viel erzählt, was da so abgeht.

    Und viele Dinge, die mir die unterschiedlichen Leute erzählt haben, sind im Film gelandet. Ich muss sagen, die haben uns so viel geholfen. Und das war uns irre wichtig, es genau so zu machen. Und wenn die gesagt haben: „Das ist falsch“, dann haben wir es anders gemacht.

    FILMSTARTS: Das heißt, ihr habt euch dann auch mit denen verständigt, welche Szenen gedreht werden sollen und welche nicht?

    Roland Emmerich: Ja, die haben dann ab und zu gesagt: „Das ist nie passiert.“ Dann haben wir gesagt: „Okay, dann machen wir es nicht.“ Und das war auch ganz wichtig für mich, denn du willst natürlich auch ein Monument für die Leute erstellen, die damals wirklich gekämpft haben. Und du willst nicht, dass da irgendwelche Lügen erzählt werden. Jeder Film muss natürlich gewisse Freiheit haben und wer weiß, was die realen Soldaten und Piloten damals wirklich geredet haben.

    Aber die ganzen Dinge, die passiert sind, beispielsweise, dass ein Matrose einen Torpedo mit seinem Körper gestoppt hat, weil sonst das Schiff explodiert wäre, das gab es, das ist passiert. Das einer sich in ein stehendes Flugzeug setzt und mit der Bordkanone einen Kamikazeflieger abschießt, das ist alles so passiert. Und wie die Schlacht dann ablief, das war ein bisschen komplizierter als wir es darstellen konnten, da haben wir dann gesagt: „Das ist jetzt nicht so wichtig.“ Aber die ganzen wichtigen Hauptereignisse, die sind alle so passiert.

    Reiner BAJO

    FILMSTARTS: Das heißt, ihr habt das Geschehen auf die allerwichtigsten Punkte innerhalb der Schlacht komprimiert?

    Roland Emmerich: Ja, denn wir hatten am Anfang ein 250-Seiten-Skript. Und ein Skript sollte so 120, 130 Seiten haben. Wir mussten also 100 Seiten rausschneiden. Das haben wir aber ganz vorsichtig gemacht. Da muss man sehr aufpassen, dass man nicht zu viel rausschneidet. Und dann haben wir nachgedacht, wie wir diese oder jene Szene verkürzen können.

    "Ist das wieder einer dieser Hollywoodstreifen mit einer kitschigen Liebesgeschichte?"

    FILMSTARTS: Ich habe da eine Sache aus einem Interview mit dir gehört. Du hast ja in Pearl Harbor gedreht. Da hat sich ein Admiral darüber echauffiert, dass in den großen Kriegsfilmen immer nur die großen Helden, die schon längst bekannt sind, noch einmal gefeiert werden. Und dann sagte er: „Wer hier im Raum kennt Dick Best? “ Und du hast dich gemeldet und gesagt: „In meinem nächsten Film geht es genau um diesen Mann.“

    Roland Emmerich: Genau, und das war der Typ, dessen Erlaubnis wir gebraucht haben, um überhaupt dort drehen zu dürfen. Das Typ hat die ganze Navy und Air Force und alles in Pearl Harbor geleitet, der saß über allem. Und der war richtig arrogant und sarkastisch mit mir. Denn er sagte etwa: „Oh, ist das wieder einer dieser Hollywoodstreifen mit einer kitschigen Liebesgeschichte und so weiter?“ Darauf meinte ich: „Nicht wirklich.“

    Und zum Glück hatten wir einen Militärberater vom US-Verteidigungsministerium dabei, der dann sagte: „Nein, Admiral, das wird eine wirklich gute Nacherzählung von Pearl Harbor und der Zeit zwischen Pearl Harbor und Midway.“ Und dann sagte der Admiral: „Ich erzähl euch jetzt mal was von einem Typen. Wer hier kennt Dick Best?“ Und keiner von den Leuten beim Militär kannte ihn. Da sagte ich: „Admiral? Dick Best ist meine Hauptfigur!“ Von da an war die Stimmung wie ausgewechselt, die Sonne schien und Engelschöre haben gespielt.

    Am Ende war er wie ein Statist in unserem Film, er hat es genossen. Er wollte den Schauspieler [Ed Skrein] treffen, der Dick Best spielt. Was für ihn wichtig war, denn er hat immer gesagt, und das ist tatsächlich eine Sache, die mir in Amerika ein bisschen auffällt: Jeder kennt Pearl Harbor. Viele kennen natürlich auch Midway. Aber was da so genau passiert ist, wissen sie dann nicht. Aber dieser Militärbeauftragte für Pearl Harbor hatte einen Artikel für ein Buch geschrieben, in dem er sagte. „Warum ist Midway nicht unser Trafalgar? In England sind sie stolz auf ihre großen Schlachten, die die Geschichte verändert haben.“

    FILMSTARTS: Erhoffst du dir, dass der Film diese Sicht der Dinge ändert?

    Roland Emmerich: Natürlich werden Leute den Film sehen und dann wissen mehr Leute über Midway Bescheid, ganz einfach. Ich glaube auch, dass der Film wahrscheinlich viel in den Schulen benutzt wird. Wenn da der Zweite Weltkrieg durchgenommen wird, sehen sie dann „Der Soldat James Ryan“ für die Westfront und hoffentlich jetzt „Midway“ für Pearl Harbor und die Schlacht um Midway.

    Japaner neben Amerikanern: Kein Porträt von Kriegstreibern

    Reiner BAJO

    FILMSTARTS: Zu Filmbeginn führte eine Szene, die vor dem Krieg in Japan spielt, den Nachrichtenoffizier Layton und den japanischen Admiral Yamamoto ein. Im Film haben sowohl die japanische wie die amerikanische Perspektive ihren Platz. War dir dieses Nebeneinander wichtig?

    Roland Emmerich: Ja. Der Film begann ursprünglich mit Pearl Harbor. Irgendwann habe ich gesagt: „Das ist irgendwie falsch. Wie können wir den Film anders anfangen lassen?“ Und dann hat mein Drehbuchautor Wes [Tooke] vorgeschlagen: „Warum machen wir nicht eine Szene, die drei bis vier Jahre früher spielt, mit der wir Yamamoto und Layton einführen?“ Also eine Szene, in der die zwei gegeneinandergestellt werden. Da habe ich gesagt: „Haben die sich jemals getroffen?“ Nun, wer weiß?

    Aber das war eine gute Szene, denn du fängst mit japanischen Bildern an und du kriegst ein bisschen was über die zwei Kulturen mit. Aber du bekommst auch mit, dass weder Layton noch Yamamoto Kriegstreiber sind. Es sind einfach Professionelle, die ihren Job machen, wenn Krieg ausbricht. Aber sie wollen keinen Krieg. Und es ist auch so cool, du siehst dann die zwei durch den ganzen Film einfach professionell ihren Job machen.

    "Ein wilder Hund": Die Geschichte von Dick Best

    FILMSTARTS: Der Film beschäftigt sich viel mit den unbekannten Akteuren, die ihren Job machen, aber keine Erwähnung in den Geschichtsbüchern finden, wie eben Dick Best.

    Roland Emmerich: Das war auch interessant für mich: Es gab zwei Leute bei der Schlacht von Midway, die zwei Flugzeugträger zerstört haben. Einer hieß Dusty Kleiss und dann eben Dick Best. Die waren beide auf dem Flugzeugträger Enterprise. Und wir haben ganz bewusst Dusty Kleiss nicht als Figur genommen, denn erstens einmal war er sehr religiös und zweitens war er nicht verheiratet. Und er kam nicht wie Dick Best in die Situation, zum Staffelführer gemacht zu werden. Bei Dick Best war es ganz klar, dass es eine Figur ist, die irre mutig ist und selbstlos und ein bisschen auch ein wilder Hund, der Verantwortung lernen muss. Eine ganz einfache Story.

    Aber was Dick Best wirklich passiert ist – und das kam damals häufiger vor, das ist auch meinem Onkel im Zweiten Weltkrieg passiert – immer, wenn du mit diesen Fliegern weitere Strecken fliegen wolltest, musstest du ganz hoch gehen, deswegen die Sauerstoffmasken. Und im Fall von Dick Best war der Sauerstoff schlecht gemischt, er atmete ihn über eine oder anderthalb Stunden ein und seine Lunge wurde zerstört. Er hat schon Blut gespuckt, als er zurückkam. Und dann ging er trotzdem nochmal raus. Und ganz am Ende konnte er nie wieder fliegen. Und das ist auch meinem Onkel passiert. Die hatten damals in Deutschland keine Krankenhäuser, daher ist er gestorben. Aber nicht im Flugzeug, er ist später auf dem Feld zusammengebrochen, hat Blut gespuckt, war vielleicht kurz im Krankenhaus und ist dann gestorben. Und wie bei ihm ist das Dick Best wirklich passiert. Deswegen haben wir ihn zur Hauptfigur gemacht, weil wir dachten, das ist so eine exemplarische Story.

    "Moonfall" und "Independence Day 3": Emmerichs nächste Projekte

    FILMSTARTS: Was können wir nach „Midway“ für einen Film von dir erwarten? Es stehen ja mehrere Sachen in den Startlöchern …

    Roland Emmerich: Ja. Der nächste Film, den ich machen werde, ist „Moonfall“. Das ist ein ganz einfaches Konzept. Der Mond fällt aus irgendwelchen Gründen auf die Erde. Aber der Mond ist nicht das, wofür wir ihn halten. Mehr will ich auch gar nicht darüber sagen. Es ist ein Science-Fiction-Film, es ist ein Katastrophenfilm, aber es ist auch ein Film, der noch andere Fragen stellen will. Wo kommen wir her? Warum gibt es den Mond? Wie kann es Leben auf unserem Planeten geben? Warum gibt es Leben auf unserem Planeten? Das wird alles so ein bisschen beantwortet.

    FILMSTARTS: Können wir uns danach auf einen dritten „Independence Day“ freuen?

    Roland Emmerich: Das hängt jetzt von Disney ab. Die Leute von Disney werden wahrscheinlich an irgendeinem Punkt mit mir sprechen, denn sie müssen den Stand aller geplanten Projekte kennen. Und natürlich, wenn du drei Filme hast, ist es eben eine Trilogie, es macht einfach mehr Sinn. Ich habe auch eine super Idee für einen dritten Teil.

    FILMSTARTS: Aber du willst noch nichts verraten?

    Roland Emmerich: Nein.

    „Midway - Für die Freiheit“ läuft seit dem 7. November 2019 in den deutschen Kinos.

    Roland Emmerich gesteht: Darum bereut er "Independence Day 2"
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