Jodie Foster jagt einen Killer! Aber gab es überhaupt einen Mord?
Von Christoph PetersenEs ist schwer vorstellbar, dass ein oscarprämierter Hollywood-Superstar eine Hauptrolle in einem deutschen (und dazu auch noch deutschsprachigen) Kinofilm übernimmt. Aber das ist dann eben nur ein weiterer Punkt, in dem das französische Kino uns voraus ist: Vor zehn Jahren konnte Rebecca Zlotowski für ihren dritten Spielfilm „Das Geheimnis der zwei Schwestern“ bereits Natalie Portman und Lily-Rose Depp für englischsprachige Parts gewinnen. Aber es ist natürlich noch mal eine ganz andere Hausnummer, dass in „A Private Life“ nun niemand Geringeres als die zweifache Oscarpreisträgerin Jodie Foster (für „Angeklagt“ und „Das Schweigen der Lämmer“) die französischsprachige (!) Hauptrolle übernimmt.
Aber so ein bisschen extra Starpower kann das selbst in kleineren Nebenrollen extrem namhaft besetzte Krimidrama auch sehr gut gebrauchen. Denn besonders spektakulär ist „A Private Life“ abseits des zentralen Besetzungs-Coups nun nicht gerade. Die Dramaturgie des Whodunit, bei dem sich vor der Frage nach dem Täter erst einmal die stellt, ob es überhaupt einen Mord gab, entspricht jedenfalls weniger einem Zuspitzen als einem Dahinplätschern. Als Krimi ist das alles nicht clever oder aufregend genug, für ein Psychodrama fallen die Analysen doch eher banal aus. Und trotzdem schaut man sich „A Private Life“ erstaunlich gerne an, was neben einer konstant-milden Anspannung und einem sympathisch-feinen Humor vor allem an Fosters unbestreitbarem Charisma liegt.
Die aus Amerika stammende, aber schon ewig in Paris lebende und arbeitende Psychoanalytikerin Lilian Steiner (Jodie Foster) legt großen Wert auf absolute Professionalität. So lässt sie aus den Sitzungen mit ihren Couchgästen, die sie aus alter Gewohnheit auf inzwischen nur noch schwer erhältlichen Minidiscs aufzeichnet, wenig bis gar nichts persönlich an sich heran. Aber das ändert sich, als ihr die Tochter ihrer langjährigen Patientin Paula Cohen-Solal (Virginie Efira), mitteilt, dass ihre Mutter plötzlich gestorben sei. Als sie bei der Totenwache vorbeischaut, wird Lilian von Simon (Mathieu Amalric), dem Ehemann der Verstorbenen, nicht nur feindselig angestarrt, sondern sogar aus der Wohnung geworfen.
Wie sie später erfährt, ist Paula an einer Überdosis eben jenes Beruhigungsmittels verstorben, das Lilian ihrer Patientin wegen ihrer Schlafstörungen verschrieben hat. Dabei sind Psychoanalytiker*innen in Frankreich im Gegensatz zu den USA eigentlich gar nicht dazu berechtigt, wie uns der Dokumentarfilm-Großmeister Frederick Wiseman in einem Cameo-Gastspiel als Lilians eigener Psychoanalytiker erklärt. Ist Lilian also womöglich (Mit-)Schuld am Tod? Hätte sie erkennen müssen, dass Paula womöglich selbstmordgefährdet ist? Oder hat sie sogar beim Ausstellen des Rezepts einen Fehler gemacht? Und benehmen sich Ehemann Simon und Tochter Valérie (Luàna Bajrami) nicht irgendwie merkwürdig? Könnte also nicht vielleicht doch ein Mord dahinterstecken?
Wenn Lilian und ihr Ex-Mann Gabriel (Daniel Auteuil) in einer regnerischen, stürmischen Nacht in das abgelegene Landhaus von Simon eindringen, um nach einer gestohlenen Minidisc oder sonstigen Beweisen für seine Beteiligung an einem möglichen Komplott zu suchen, würde man an dieser Stelle eigentlich eine Spannungsspitze erwarten. Aber die bleibt aus. Stattdessen wirkt es, als hätten weder Rebecca Zlotowski noch ihre Co-Autorinnen Anne Berest und Gaëlle Macé ein sonderliches Interesse am zentralen Mysterium. Und ganz ehrlich: In der Karriere der betont feministisch orientierten Regisseurin, die zuletzt das meisterhafte, aber leider nie in Deutschland erschienene Patchwork-Drama „Other People's Children“ verantwortet hat, gab es bislang auch eher wenige bis gar keine Hinweise auf ein Interesse am Krimi-Genre.
Aber vor ihrem spontanen Einbruch sucht Lilian ihren Ex in dem kleinen Lokal auf, von dem sie ganz genau weiß, dass er dort jeden Montagabend zum Essen hingeht – und hier ist Zlotowski dann wiederum voll in ihrem Element: Gabriel erlaubt sich mit dem Kellner einen Gag, den er offenbar schon vor 20 Jahren gemacht hat – und sowieso wirkt das ganze Gespräch auf Anhieb dermaßen vertraut, dass man die Mordermittlungen auch sofort links liegen lassen und stattdessen den ganzen Abend mit den beiden Ex-Eheleuten (und ihrer wirklich sehr, sehr lecker aussehenden Pasta) verbringen würde.
Sowieso punktet „A Private Life“ immer wieder mit feinem Humor: Als Pierre (Noam Morgensztern) plötzlich außer der Reihe vor ihrer Tür steht, geht Lilian von einem seelischen Notfall aus. Aber Pustekuchen! Ihr Patient ist nur gekommen, um ihr zu sagen, dass er bei der Hypnotiseurin Jessica Grangé (Sophie Guillemin) gewesen sei – und die hätte ihn in 20 Minuten und für 50 Euro von seiner Nikotinsucht befreit. Jetzt hätte er gerne seine 32.000 Euro wieder, die er in den vergangenen acht Jahren für seine Therapie auf den Tisch gelegt hat. Auch Lilian wird die Hypnotiseurin später aufsuchen, als sie einfach nicht mehr aufhören kann zu weinen. So erinnert sie sich an ein früheres Leben während der Nazi-Besatzung von Paris, in dem sie eine lesbische Affäre mit ihrer nun toten Patientin hatte.
Zum ersten Mal in ihrer langen Karriere scheint ihr ein Fall also tatsächlich nahe zu gehen. Denn im Verlauf des Films verstehen wir, dass die Psychoanalytikerin längst nicht so gefestigt ist, wie es in ihren Therapiestunden immer scheint – vor allem die Beziehung zu ihrem Sohn Julien (Vincent Lacoste) und dessen Baby-Sohn ist fast schon pathologisch distanziert. Warum nun aber ausgerechnet die Beschäftigung mit diesem Kriminalfall dafür sorgt, dass sich alle ihre persönlichen Schwierigkeiten und problematischen Verhaltensweisen in Luft auflösen? Die Wege der Psychoanalyse sind offenbar unergründlich, aber gönnen tut man's ihr auf jeden Fall.
Fazit: Ein Film wie gemacht für eine Sonntagsmorgen-Kinomatinee mit Croissant und Café au Lait. Nicht zu aufregend, nicht zu clever, nicht zu tief, aber während der Plot gleichmäßig dahinplätschert, hat man trotzdem eine angenehme Zeit mit der französischsprechenden Jodie Foster als Psychoanalytikerin auf der Suche nach einem Mörder und zu sich selbst.
Wir haben „A Private Life“ beim Cannes Filmfestival 2025 gesehen, wo er außer Konkurrenz seine Weltpremiere gefeiert hat.