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    Smokin' Aces
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Smokin' Aces
    Von Carsten Baumgardt

    Wer den Namen Joe Carnahan bisher noch nicht kannte, sollte schleunigst dessen düsteres Cop-Drama Narc (2002) nachholen. Denn dieses kleine Genreglanzstück eröffnete ihm im Big-Budget-Hollywood Tür und Tor. Bei Mission: Impossible 3 stieg der Regisseur nach Differenzen mit Superstar Tom Cruise aus, doch mit dem tiefschwarzhumorigen Action-Thriller „Smokin’ Aces“ startet der Kalifornier jetzt richtig durch. Sein ultrabrutaler Höllenritt ist spektakuläres Unterhaltungskino, dessen Story dem hohen Tempo am Ende nicht ganz Schritt halten kann.

    Las-Vegas-Illusionist Buddy „Aces“ Israel (Jeremy Piven) geht es gehörig an den Kragen. Eine ganze Reihe von Leuten will ihn tot sehen. Israel ist der Hauptbelastungszeuge im Prozess gegen den Mafiaboss Primo Sparazza (Joseph Ruskin), der 130 Morde in Auftrag gegeben haben soll. Eine Million Dollar sind auf den Kopf des Magiers und Entertainers ausgeschrieben. Die FBI-Agenten Richard Messner (Ryan Reynolds) und Donald Carruthers (Ray Liotta) bekommen von ihrem Vorgesetzten Stanley Locke (Andy Garcia) den Auftrag, Israel zu beschützen. Doch der ignoriert die Gefahr im Kokainnebel so gut es geht und feiert im Penthouse eines Luxushotels am Lake Tahoe wilde Orgien. Doch die Luft dort oben wird schnell dünn. Verschiedene Auftragskillerteams sind ebenso wie das FBI im Anmarsch. Dabei stehen sich die Killertrupps gegenseitig im Wege. Besonders wenig gut Kirschen essen ist mit den psychopathischen Neo-Nazi-Brüdern Darwin (Chris Pine), Jeeves (Kevin Durand) und Lestor Tremor (Maury Serling). Raffinierter gehen es schon die Killerinnen Georgia (Alicia Keys) und Sharice (Taraji Henson) an. Das Trio Jack Dupree (Ben Affleck), Pete Decks (Peter Berg) und Hollis Elmore (Martin Henderson) mischt auch noch mit, soll Israel für 50.000 Dollar an den Anwalt Rupert Reed (Jason Bateman) aushändigen, bevor das FBI ihn zu fassen bekommt...

    Der Rahmen der Inhaltsangabe reicht nicht einmal aus, um das gesamte Personal einzuführen. So kompliziert die Handlung mit ihren verschiedenen Fallstricken und Verbindungen auch sein mag, nach kurzer Zeit führen sie alle in eine Richtung: nach Lake Tahoe. Regisseur und Autor Joe Carnahan verzichtet auf einen klassischen Filmaufbau und wagt etwas Unverbrauchtes. Mit kurzen, prägnanten Szenen führt er seine Figuren ein und rüstet sie für den apokalyptischen Showdown im Nomad Hotel in Lake Tahoe. Bei Tony Scotts Finale von True Romance gab es bereits einen Vorgeschmack, Carnahan wälzt den aberwitzigen, bluttriefenden Shootout auf eine knappe Stunde Spielzeit aus, springt von Schauplatz zu Schauplatz innerhalb des Hotels, über das eine wahre Hölle hereinbricht. Seine Inszenierung ist hip und cool bis an die Schmerzgrenze. Es wirkt, als sei der frühe Guy Ritchie auf Speed am Werk. Famose Schnitte und Montagen, knallharte Action, trockene Sprüche und eine Menge Zynismus zeichnen den Film aus. „Smokin’ Aces“ sieht einfach verdammt sexy aus. Um style over substance entgegenzutreten, gibt Carnahan seinem Personal markante Charakterisierungen mit auf den Weg, ohne diesen latenten Vorwurf allerdings komplett entkräften zu können.

    Unter den Figuren befindet sich allerlei Abschaum in verschiedenen Genießbarkeitsstufen. Die beiden FBI-Agenten Messner und Carruthers bieten dem Publikum den emotionalen Zugang zu der Geschichte. Sie sind keinesfalls die Ritter in weißer Rüstung, aber sie kämpfen kompromisslos für die gute Sache. Das versammelte Starensemble kann zum Großteil begeistern. An vorderster Front glänzt Ryan Reynolds (The Amityville Horror, Blade: Trinity) mit viel Charisma. Er kann es sogar mit seinem Partner Ray Liotta („Narc“, GoodFellas, Cop Land) aufnehmen. Herausragend ist ebenso die Performance von Jeremy Piven (Das Urteil, Old School), der als größenwahnsinniger Magier aufdreht, als gäb’s kein Morgen mehr. Gelungen ist auch das Kinodebüt von Sängerin Alicia Keys, die als eiskalte Killerin mit Ausstrahlung und Talent eine Bereicherung darstellt. Doch die großen Namen spielen für Regisseur Carnahan keine übergeordnete Rolle, Angst vor ihnen hat er jedenfalls nicht, denn einige schaffen nicht mal die halbe Distanz. Ben Affleck darf nach Die Hollywood-Verschwörung und Man About Town erneut zeigen, dass er für gute Produktionen kein Bremsklotz sein muss. Mannhaft stellt er sich in einem großspurigen Aufritt in den Dienst der Sache und erfüllt somit seinen Zweck.

    Die kernigen Dialoge passen sich im Ton der eruptiven Gewalt des Film an und sind dementsprechend rau und mit bitterbösem, schwarzen Humor durchsetzt. Die Optik ist eine wahre Augenweide. Besonders brillant angelegt sind die Szenen im Penthouse, wo im Hintergrund der malerische Lake Tahoe als umwerfender Schauwert dient. Die Atmosphäre ist zum schneiden dicht, der Body Count extrem hoch und die Spannung pendelt am Anschlag - Gefangene werden keine gemacht. Was „Smokin’ Aces“ jedoch nachhaltig runterzieht, ist eine gewisse Unentschlossenheit. Meint Carnahan das alles ernst? Nein, dazu ist der Humorteil zu ausgeprägt. Als ultraharter Action-Thriller ohne Humoreinlagen hätte die emotionale Intensität noch besser wirken können. Das Neo-Nazi-Trio mit rotierende Kettensäge im Einsatz könnte direkt aus dem Fundus von „Mad Max“ stammen, ist lediglich eine Karikatur und als Element merklich überzogen. Komplett überflüssig sind zum Beispiel die Mätzchen des bebrillten Karate Kids, das lenkt nur von der Handlung ab und ist zudem einfach dämlich.

    Dazu weichen die Handlungsfäden am Schluss doch merklich auf, so richtig zusammen passt das alles nicht. Obwohl das Ende selbst geglückt ist, schwächt die recht hanebüchene finale Wendung die Gesamtkonstruktion des Skripts ab. Das ist nicht unbedingt kriegsentscheidend, aber diese Unstimmigkeiten verhindern ein noch besseres Werk. Während das Feuilleton pikiert bis schockiert sein wird, sollte das ein junges, actionfreudiges Publikum nicht in geringster Weise jucken. Carnahans furiose, brillant ausschauende und montierte Gewaltorgie hat das Zeug zum kleinen Kultfilm. Tipp: Wer sich für „Smokin’ Aces“ interessiert, sollte sich unbedingt den/die Trailer anschauen. Wer daran Gefallen findet, wird mit einer Achterbahnfahrt belohnt, die dessen Rasanz im Anspieler nur angerissen werden kann...

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