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    Die weiße Massai
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die weiße Massai
    Von Lars Lachmann

    Der große Erfolg, der Corinne Hofmanns autobiographischer Roman zuteil wurde, in welchem sie ihre Erlebnisse über die vier Jahre schildert, die sie in Kenia als Frau eines Samburu-Kriegers verbracht hatte, veranlasste Produzent Günter Rohrbach, den Stoff unter der Regie von Hermine Huntgeburth unter dem Titel „Die weiße Massai“ umzusetzen. Das Ergebnis ist in erster Linie ein Liebesdrama, welches mitunter auch dokumentarische Züge aufweist.

    Am letzten Tag ihres gemeinsamen Urlaubs in Kenia treffen Carola (Nina Hoss) und ihr Freund Stefan (Janek Rieke) gleich mehrere Male auf zwei traditionell gekleidete Krieger der Samburu, eines Nebenstammes der Massai. In den Straßen von Mombasa gerät das Touristenpärchen in eine gefährliche Situation, in welcher sich die beiden Männer unverhofft als große Hilfe erweisen. Carola möchte die beiden Retter aus Dankbarkeit auf einen Drink einladen, womit sie sich jedoch den Unmut ihres Freundes zuzieht, der den letzten gemeinsamen Abend am liebsten allein mit ihr im Hotelzimmer verbringen möchte. Carola zieht daraufhin allein mit den beiden Männern weiter in die nächstgelegene Disco. Als Stefan später doch noch hinzustößt und seine Freundin mit Lemalian (Jacky Ido), einem der beiden Samburu-Krieger, auf der Tanzfläche wiederfindet und äußerst gereizt auf diese Situation reagiert, versucht Carola den Frieden zu wahren und nimmt Abschied von ihrer flüchtigen Bekanntschaft. Am nächsten Morgen am Terminal des Flughafens fasst sie jedoch aus dem Bauch heraus den Beschluss, nicht wieder mit Stefan in die Schweiz zurückzufliegen, sondern Lemalian aufzusuchen und bei ihm zu bleiben. Die Suche nach ihrer neuen Flamme gestaltet sich zunächst schwieriger als erwartet. Nachdem sie dessen Spur durch die kenianische Steppe bis nach Maralal verfolgt hat, wohin sich sonst kaum ein Tourist verirrt, begegnen sich sie beiden schließlich wieder. Doch das Leben in Lamalians Stammesgemeinschaft mit ihren für Carola ungewohnten Sitten und Bräuchen erweist sich allein aufgrund der kulturellen Differenzen als harter Prüfstein für die ungewöhnliche Beziehung der beiden Liebenden...

    Das beginnt schon mit der unterschiedlichen Auffassung von Sexualität, welche die beiden jeweils mit in die Partnerschaft einbringen. So hätte sich beispielsweise Carola die erste intime Begegnung mit ihrem neuen Liebhaber sicherlich etwas romantischer vorgestellt als sie tatsächlich ausfällt. In der patriarchalisch geprägten Struktur der Samburu spielt die Sexualität der Frau bestenfalls eine untergeordnete Rolle und auch im täglichen Zusammenleben innerhalb des Stammes gelten in dieser Hinsicht bestimmte Regeln, die eingehalten werden müssen. Erst während eines Aufenthaltes in der nächstgelegenen Stadt, wo für Carola einige Behördengänge anstehen, bietet sich für sie eine Gelegenheit, Lemalian ihre westliche, selbstbestimmte Auffassung von Sexualität näher zu bringen, als die beiden in einem Hotelzimmer übernachten müssen.

    Vor diesem Hintergrund mag sich das von Carola ungefähr in der Mitte des Films mittels eines Voice Over ausgesprochene Statement: „Ich bekam eine Ahnung davon, dass es Dinge gab, die schwieriger waren als Küssen“, vielleicht nicht mehr ganz so banal anhören – wenn sich auch ein Großteil ihrer Reflexionen über ihre Erlebnisse auf eben diesem Level abzuspielen scheint. Der Charakter der Protagonistin zeichnet sich schließlich vor allem anderen durch eine schon fast unfassbare Naivität aus, wenn es darum geht, trotz der völlig andersartigen Lebensweise ihres

    Mannes ihre eigenen Wertvorstellungen hoch zu halten. Was ihr erstaunlicherweise sogar mitunter recht gut gelingt, da Lemalian schon einige Male über seinen Schatten springen muss, um seinerseits den Frieden zu wahren – für einen stolzen Samburu-Krieger keinesfalls eine leichte Aufgabe.

    Einprägsame Zwischenfälle wie der Tod einer Samburu-Frau während der Todgeburt ihres Kindes, die Beschneidung eines Mädchens oder Lemalians Eifersucht, als Carola in ihrem mittlerweile selbst aufgebauten Laden auch männliche Kunden freundlich bedient, werden letztlich zur Zerreißprobe für die Beziehung des Paares. Dabei verwundert es umso mehr, welche Hürden im Laufe dessen dennoch genommen werden und welche Schwierigkeiten die beiden trotz allem gemeinsam zu meistern im Stande sind. Aus dieser ständigen Reibung gewinnt die Dramaturgie der Handlung auch ihre hauptsächliche Dynamik. Als Kontrastfiguren zu Carola fungieren zum einen der im nahe gelegenen Dorf wohnende italienische Pater Bernardo (Nino Prester), dessen Warnungen vor sich anbahnenden Konflikten diese stets in den Wind schlägt, sowie zum anderen die in Maralal lebende deutsche Elisabeth (Katja Flint), welche ebenfalls mit einem Schwarzen verheiratet ist, sich aber in die untergeordnete Rolle als Frau eingefügt hat. Wenngleich sie beim Pater zunächst auf Unverständnis und Spott stößt, erntet Carola dennoch von beiden Figuren eine gewisse Bewunderung für ihre Unnachgiebigkeit.

    So wie es letztlich dem Zuschauer überlassen bleibt, diese die Hauptfigur auszeichnende Mischung aus Naivität und gleichzeitiger Entschlossenheit insgesamt gesehen als Stärke oder als Schwäche auszulegen, lässt sich Ähnliches über das Thema des Films selbst sagen: Wer eine umfangreiche Dokumentation mit vielen Hintergrundinformationen erwartet, wird eher enttäuscht werden, da in den meisten Fällen auf Erklärungen für dieses oder jenes Verhalten der Stammesbewohner verzichtet wird, so dass diese auf den Zuschauer bis zum Ende hin zum Teil ebenso fremd wirken wie auf Carola, die sich während ihres langen Aufenthaltes kaum ein Wort der lokalen Sprache aneignet und mit den Einheimischen entweder auf Deutsch oder in rudimentärem Englisch konversiert.

    Trotz der Tatsache, dass sich das Filmteam um Authentizität bemüht hat – es wurde weitgehend an Originalschauplätzen gedreht und die Crew, insbesondere der in Frankreich aufgewachsene Darsteller von Lemalian, Jacky Ido, hat sich vor den eigentlichen Dreharbeiten über einen längeren Zeitraum vor Ort mit der Lebensweise der Samburu beschäftigt – bleibt das Resultat doch in erster Hinsicht ein interkulturelles Liebesdrama mit seinen Höhen und Tiefen, welches mit seinem thematischen Schwerpunkt der – auch sexuellen – Selbstbehauptung der Frau vielleicht noch stärker das weibliche Publikum ansprechen dürfte.

    Link-Tipp: CD-Kritik „Soundtrack - Die weiße Massai“

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