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    James Bond 007 - Der Spion, der mich liebte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    James Bond 007 - Der Spion, der mich liebte
    Von Martin Soyka

    Alarm! Ein britisches U-Boot der Polaris-Flotte ist spurlos verschwunden und alle taktischen Atomwaffen an Bord mit ihm. Ein Fall für den besten Mann Ihrer Majestät – und James Bond (Roger Moore) lässt sich nicht lange bitten. Die Spur führt nach Kairo, das übrigen Ägypten und schlussendlich nach Sardinien. Doch anders als sonst, bereiten ihm nicht nur die Bösewichter Probleme. Vielmehr sieht sich 007 zum ersten Mal in einer Konkurrenzsituation: er muss sich mit einem weiteren Agenten (Barbara Bach) messen. Einem russischen, weiblichen und sehr attraktiven noch dazu. Die Spur führt zum größenwahnsinnigen Schiffsmagnaten Stromberg (Curd Jürgens), der die Menschheit ausrotten und gleichzeitig dazu zwingen will, unter Wasser neu anzufangen. Und er hat mächtige Helfer. Allen voran Beißer (Richard Kiel), ein riesigen Killer mit Stahlgebiss. Aber Bond hat wie immer ein Ass mehr im Ärmel…

    Phoenix aus der Asche. Nachdem die beiden Vorgängerfilme versucht hatten, auf die Blaxploitation- und die Kung-Fu-Welle aufzuspringen und damit kläglich gescheitert waren, musste ein Befreiungsschlag her. Und was für einer! Alles, was bis dahin bei den Moore-Bonds nicht richtig gelaufen war, gelingt nun spielerisch.

    Zunächst wurde die Figur des James Bond von Regisseur Lewis Gilbert neu positioniert. Moore hatte den Charakter von Anfang an anders gesehen, als die Autoren. Er interpretierte Bond als einen Gentleman, der zwar fähig ist zu töten, dies aber nicht gern tut. Das, was Connerys Bond so anziehend gemacht hatte, wirkte bei Moore aufgesetzt. Stattdessen verlieh man ihm mit „Der Spion der mich liebte“ eine gewisse Leichtigkeit und Selbstironie. Die Dialoge wirken geschliffener als bei den Vorgängerfilmen. Charmanter Witz hat Einzug gehalten. Beispiel:

    Gespielin: „James, ich brauche dich…“

    Bond: „England auch...“

    Und siehe da: es funktioniert. Wie Connery fand auch Moore (und später Brosnan) mit dem dritten Film zu seiner ganz eigenen Form.

    „Der Spion, der mich liebte“ beginnt gleich mit einem echten Spektakel. Eine von Willy Bogner gefilmte Skiverfolgungsjagd endet mit einem, wenn nicht dem größten Stunt der Filmgeschichte: dem Skisprung vom Asgard-Felsen, der handlungskonform vom Polarkreis nach Österreich verlegt worden war. Der Sprung und der Fallschirm sind echt und ohne Schnitt mit nur einer Kamera gefilmt (alle anderen eingesetzten Kameras hatten versagt). Und das Tüp-felchen auf dem „I“: der Union-Jack in Form eines Fallschirms. Derart charmanten Chauvinismus hat man selten gesehen. Der Effekt wie schon in Goldfinger: Beginne Deinen Film mit einem Lacher und er wird funktionieren.

    „Nobody does it better“, singt Carly Simon und interpretiert eines der besten Titellieder des Franchise. Die Musik, inspiriert von den Bee Gees und Mozart (!), stammt von Marvin Hamlisch, der für Der Clou und „So wie wir waren“ Oscars gewonnen hatte und Mitschöpfer von „A Chorus Line“ war. Sein Score ist leichter, als die von Hauskomponisten John Barry, geht aber gut ins Ohr und unterstützt den leicht komödiantischen Ton des Films, wenn etwa Szenen in der Wüste mit dem Thema aus Lawrence von Arabien begleitet werden. Wenn Du schon stiehlst, dann von den Besten.

    Wo wir gerade dabei sind: Die Geschichte ist bei näherer Betrachtung ein Remake von „Man lebt nur zweimal“. Das hatte auch bei der Produktion jeder so gesehen, aber niemand störte sich daran. Diesmal machte man nämlich einiges besser, als beim letzten Mal. Insbesondere verwendete man Charaktere, die tatsächlich Konflikte durchleben. Allen voran Anja Amasova (Bach), die zwischen Pflichterfüllung und Rachedurst hin und her gerissen ist. Und dann Beißer (Richard Kiel), seit Oddjobb aus „Goldfinger“ der markanteste Handlanger der Bond-Reihe. Noch hünenhafter und noch stummer als sein Vorbild (und noch dazu äußerst Furcht erregend) geht er zu Werke, wenn er seinen Opfern wie ein Vampir die Halsschlagader durchbeißt. Dieser Schurke ist eine Ikone der Popkultur geworden, wie sonst nur noch Darth Vader. Die Figur funktionierte so gut, dass man ihn mit dem Leben davonkommen ließ. Leider wurde Beißers wunderbar bedrohliches Image im Nachfolger demontiert, durfte er dort doch auf die Seite der Guten wechseln. Neben Beißer kann auch der normannische Kleiderschank Curd Jürgens nur den Kürzeren ziehen, bleibt sein Schurke doch stoisch, blass und dessen Motivation ein Rätsel. Was bringt jemanden dazu, die gesamte Menschheit vernichten zu wollen? Was ist der Auslöser? So unspektakulär der Schurke, so auch sein Tod. Bond erschießt ihn. Wie profan.

    Abermals wurde für einen Bond-Film eine der größte Kulisse der Filmgeschichte geschaffen: Das Interieur eines Supertankers nebst verschluckten U-Booten. Da man nicht so genau wusste, wie man das Ganze beleuchten sollte, fragte Stardesigner Ken Adam einen befreundeten Regisseur, der gerade in der Gegend war und mit dem er schon zusammengearbeitet hatte: Stanley Kubrick. Der kam (unter strengster Geheimhaltung, wollte er doch nicht mit diesem künstlerisch zweifelhaften Projekt in Verbindung gebracht werden) und half. Und dann das Auto! Ein weißer Lotus Esprit, der nicht nur fahren, sondern auch schwimmen und tauchen konnte und praktischerweise neben Harpunen auch über Wasser-Luft-Raketen verfügte. Ein Spielzeugmodell dieses Autos durfte in keinem Kinderzimmer fehlen. Dass es sich bei dem schwimmfähigen Auto um mehrere Modelle handelte, die von Tauchern bedient werden mussten, ist egal. Die spinnerte Idee zählt, und wenn Bond am Strand (unterlegt mit dem Thema aus „Der Weiße Hai“) aus den Fluten auftaucht und erst einmal einen Fisch entsorgt, wird das eben Gesehene ironisch gebrochen und damit angenehm relativiert.

    Trickskistöcke, Armbanduhren mit Nachrichtenübermittlungsfunktion und Jetskis (damals noch unbekannt) kommen hinzu, dominieren das Geschehen aber nicht. Die Tricks sind exzellent, handelt es sich bei dem gezeigten Tanker doch um ein Modell, das selbst waschechte Kapitäne überzeugte. Allein die versenkbare Stadt „Atlantis“ ist leicht als Fake auszumachen.

    Insgesamt zählt „Der Spion, der mich liebte“ zu den Highlights der Serie. Moore meinte später, dies sei sein Lieblingsfilm. Zu Recht. Schon im Nachfolger versuchte man mit dem durch „Star Wars“ ausgelösten Science-Fiction-Boom wieder auf eine Welle aufzuspringen, anstatt etwas Eigenes zu schaffen. „Der Spion, der mich liebte“ ist Roger Moores bester Film. „Nobody does it better“. Fürwahr.

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