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    Stomp the Yard
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Stomp the Yard
    Von Nicole Kühn

    Finde etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt, und du wirst den Weg zu dir selbst finden. So oder so ähnlich muss wohl die Message gelautet haben, die Regisseur Sylvain White mit seinem Tanzfilm „Stomp The Yard“ im elitären College-Milieu der USA in die Welt bringen möchte. Die High Society, in die das Ghetto-Kid DJ Williams mit dem Willen zum Neuanfang eintritt, ist bevölkert von eindeutig guten oder bösen Menschen, und mittendrin der aufrechte, unkorrumpierbare Protagonist. Von allen Seiten locken die üblichen Verdächtigen mit ihren unmoralischen Angeboten und lenken die Wege der Ereignisse in allzu vorhersehbare Bahnen. Am interessantesten bleibt als heimlicher Hauptdarsteller der stampfende Rhythmus des Formationstanzes, der auch hierzulande spätestens seit der spektakulären Truppe „Stomp!“ das Publikum mitreißt.

    Nach dem gewaltsamen Tod seines Bruders lässt der passionierte Street Dancer DJ Williams den Moloch L.A. hinter sich und versucht, seinem Bruder zu Ehren sein Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Voller guter Vorsätze beginnt er ein Studium an der Truth-University im bürgerlichen Atlanta und lernt als Helfer seines Onkels, der als Hausmeister für ein schmuckes Ambiente an der Uni sorgt, den Ernst des Lebens kennen. Doch schon bald sieht er sich verschiedenen Versuchungen gegenüber: Da sind zum einen die beiden seit Jahren rivalisierenden Stepping-Clubs Mu Gamma und Theta Nu, die weit über den sportlichen Wettkampf hinaus mächtige Bruderschaften bilden, deren Mitglieder eine glanzvolle Karriere quasi schon gepachtet haben. Umgekehrt bleibt Nichtmitgliedern der Weg nach oben versperrt – egal wie gut die schulischen Leistungen sind. Beide umwerben DJ heftig, um mit seinen energiegeladenen Tanzeinlagen die nächsten Meisterschaften zu gewinnen. Zum Anderen ist da die attraktive April (Meagan Good), für DJ sehr viel verlockender als die Privilegien, die ihm beide Clubs anbieten. Was die Sache kompliziert macht: April ist mit dem selbstverliebten Anführer der Mu Gammas, Grant (Darin Dewitt Henson), liiert – weil ihr Vater, der Direktor der Universität, für sein Töchterchen eine gute Partie vorgesehen hat. Ein steiniger Weg also, den DJ vor sich hat, um seine Träume zu verwirklichen.

    Regisseur Sylvain White lässt in seinem dritten Spielfilm deutlich seine Verwurzelung in der Ästhetik von Musikvideos und Werbespots erkennen. Wie es sich für einen Film gehört, in dem die Musik zu einem Identifikationsfaktor wird, spielen diese und der dazugehörige Tanz eine zentrale Rolle. Am intensivsten sind die Momente, in denen die Tanzfläche für die Akteure zur Bühne wird, auf der sie ihre Gefühle, Konflikte und Ängste in Bewegung umsetzen und ihre Rollen in der Gesellschaft in den Hintergrund tritt. Die stampfenden, akrobatischen Choreografien transportieren eine große Energie, die von der dynamischen Kamera aufgefangen wird. Schade, dass auch diese Sequenzen sich mit ihrer Betonung uramerikanischer Werte wie Tradition, Kampfgeist und einer sonderbaren Form von Brüderlichkeit ein ums andere Mal in hohlen Symbolismen bis zur Peinlichkeit verlieren. Die Story kommt so uninspiriert daher wie ein Projekt direkt aus der Drehbuchwerkstatt, die meint, Patentrezepte für einen fesselnden Handlungsverlauf parat zu haben. Dennoch haben die Drehbuchautoren ein zentrales Element vernachlässigt, vermutlich in einem Anflug von missionarischem Übereifer. Zwar beobachten sie bei der nach wie vor herrschenden Diskriminierung der Schwarzen in den USA feinsinnige Details und vermeiden es so, die Schwarzen nicht nur als Opfer darzustellen. Vielmehr sind sie inzwischen voll eingestiegen in das System von Korruption und Erpressung. Demgegenüber wirkt der Held so aseptisch und weise, dass man ihm das weder abnimmt noch auch nur ansatzweise mit ihm fühlen kann.

    Direkt aus dem Moloch L.A. kommt dieser junge, vom Schicksal nicht gerade verwöhnte Mann in diese vermeintlich heile Welt und hat eine fast schon abstoßende und selbstbewusste Aufrichtigkeit und Weisheit an sich. Damit lehrt er nicht nur die Anführer der beiden Stepping-Clubs Mores, sondern auch gleich den Rektor der Universität höchstpersönlich.

    Dass die Figuren allesamt trotz der dramatischen Ereignisse aalglatt bleiben und den Zuschauer in keiner Weise berühren, liegt also nicht nur am oberflächlichen Spiel der Darsteller, keinem von ihnen gelingt es jedoch, aus seiner klischéehaften Rolle persönliche Nuancen heraus zu holen. Weder die Bilder noch die Darsteller vermögen deutlich zu machen, um welch existenzielle Fragen es den Figuren geht (und davon gibt es im Übermaß), umso platter formulieren es deshalb die Dialoge. Columbus Short, der vor allem im TV präsent ist, schlägt sich immerhin wacker in seiner bisher größten Kinorolle, seine größere Stärke liegt jedoch eindeutig in seinem tänzerischen Talent, das er auch als Choreograph für Popstars wie etwas Britney Spears umsetzt. Nicht ganz inkonsequent ist es daher, dass „Stomp the Yard“ mehr ein überüberlanger Musikclip mit Schauspieleinlagen ist als das Coming-Of-Age-Drama, als das es sich selbst bezeichnet.

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