Mein Konto
    Maos letzter Tänzer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Maos letzter Tänzer
    Von Christian Horn

    Seit den Nullerjahren scheint das Genre der Leinwandbiografie eine regelrechte Renaissance zu erleben. So waren etwa im Jahr 2004 mit „Aviator", „Ray" und „Wenn Träume fliegen lernen" gleich drei Biographien in der Kategorie „Bester Film" für den Oscar nominiert. Berühmtheiten aus allen gesellschaftlichen Kreisen – ob aus Kultur, Politik oder Religion, ob Bankräuber, Countrysänger oder Filmdiva – liefern mit ihren Auf- und Abstiegsgeschichten genügend Stoff für Produzenten und Drehbuchautoren, wobei die künstlerischen Herangehensweisen stark variieren. Regisseur Bruce Beresford („Miss Daisy und ihr Chauffeur", „Last Dance") und Drehbuchautor Jan Sardi („Wie ein einziger Tag") wählen für das Biopic „Maos letzter Tänzer", das vom Werdegang des chinesischen Balletttänzers Li Cunxin erzählt und auf dessen Autobiografie aus dem Jahr 2003 basiert, eine recht klassische Dramaturgie, die ihren Protagonisten von der Kindheit über die Jugendjahre bis in Erwachsenenalter begleitet. Als Problem erweist sich dabei, dass „Maos letzter Tänzer" die Lebensgeschichte Lis nicht tiefergehend beleuchtet, sondern recht oberflächlich Stationen abhakt und so die starke gesellschaftspolitische Dimension des Stoffs vernachlässigt.

    Anfang der Siebzigerjahre entdecken Talentsucher im Dienste Maos den elfjährigen Li Cunxin (zunächst: Wen Bing Huang, später: Chengwu Guo; am Ende Chi Cao) in der chinesischen Provinz und beordern ihn an die Pekinger Kunstakademie, wo er zum Balletttänzer ausgebildet werden soll. Sieben Jahre währt die militärisch organisierte und stets auf die Treue zum kommunistischen Regime fokussierte Ausbildung, die den Tänzern keinen Spielraum zur Entwicklung eines eigenen Stils zugesteht. Während seine Mitstreiter technisch einwandfreie, aber seelenlose Auftritte absolvieren, bleibt Lis Hingabe zum Tanz stets spürbar. Das sieht auch Ben Stevenson (Bruce Greenwood, „Star Trek"), der in Peking einen chinesischen Austauschschüler für das Ballett von Houston sucht. Seine Wahl fällt auf Li, der nach anfänglicher Überforderung merkt, dass er seine Leidenschaft für das Ballett in den USA weitaus freier und individueller ausleben kann. Außerdem avanciert der talentierte Tänzer hier innerhalb kurzer Zeit zur lokalen Berühmtheit. Als sich das Austauschjahr schließlich gen Ende neigt, heiratet Li kurzentschlossen seine amerikanische Freundin Elizabeth (Amanda Schull, „Center Stage"), damit er nicht nach China zurückkehren muss – doch das chinesische Konsulat setzt ihn zunehmend unter Druck. Zum Glück steht Li mit Charles Foster (Kyle MacLachlan, „Twin Peaks") ein mutiger und einflussreicher Anwalt zur Seite.

    Während die erste Hälfte von „Maos letzter Tänzer" zwischen Kindheit, Jugend und der ersten Zeit in Houston hin und her schneidet, konzentriert sich der zweite Teil auf Lis Erlebnisse in den USA, wo der Tänzer seine erste Liebe trifft und für die Leistungen am Ballett erste Anerkennung erntet. Dadurch, dass Bruce Beresford die anfangs etablierte, nicht chronologische Erzählweise in der zweiten Hälfte aufgibt, ändert sich in gewisser Weise auch das Thema des Films: Zu Beginn bebildert der Regisseur vor allem die kulturellen und politischen Unterschiede zwischen China und den USA, zwischen Kommunismus und Kapitalismus, wobei es auch mal lustig zugeht. Die zweite Hälfte stellt sich dann als gewöhnliche Aufstiegsgeschichte eines Stars dar, garniert mit einem Love Interest, zunehmend bestimmt von der Assimilation Lis in Amerika und getragen von den durchweg ansehnlichen, aufwändig inszenierten Tanzchoreographien, die Chi Cao mit großer Präsenz füllt. Schließlich erreicht Beresford den dramatischen Höhepunkt der Geschichte, bei dem sich die erste Hälfte als Echo zurückmeldet und der letztlich wohl der eigentliche Anlass für die Realisierung des Stoffs war: Gegen dessen Willen hält der chinesische Konsul Li Cunxin in der Botschaft fest – der Aufstieg des Tänzers ist zu einem Politikum geworden. Für die Politik im Hintergrund hat Bruce Beresford aber nicht allzu viel übrig, sondern eher für die emotionale Komponente des Schicksals.

    Die Geschichte von Li Cunxin, der heute als Börsenmakler in Australien lebt, ist in der Tat spannend – die filmische Umsetzung leidet jedoch daran, dass sie nichts weiter als eine bloße Bebilderung derselben unternimmt. Bruce Beresford macht keinen Standpunkt klar, interessiert sich nur oberflächlich für die historischen Hintergründe und dringt kaum in seine Hauptfigur vor - die Liebesgeschichte serviert er, Lis Eingewöhnung im fremden Gesellschaftssystem behauptet er. So stellt „Maos letzter Tänzer" wie so viele Biopics vor ihm die einzelnen Stationen aus Lis Biografie mehr oder minder unverbunden nebeneinander und scheint kaum an einer analytischen Durchdringung interessiert.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top