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    Max Payne
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Max Payne
    Von Sascha Westphal

    Es hat schon seine Gründe, warum ausgerechnet ein Filmemacher wie Uwe Boll das Feld der Videospiel-Adaptionen so intensiv beackert. Zum Teil lassen sich seine vielen Games-Verfilmungen natürlich mit seinem kaufmännischen Talent erklären. Mit ihnen hat Boll eine Nische gefunden, die es ihm erlaubt, Jahr für Jahr mehrere Genrefilme ohne ein allzu großes finanzielles Risiko zu realisieren. Aber Videospiel-Stoffe kommen ihm nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht sehr zu pass. Sie entsprechen auch seinem eher beschränkten filmischen Talent. Sämtliche Adaptionen, sei es nun von Romanen, Comics oder Videospielen, sind immer auch Reduktionen. Der Transfer von einem Medium zum anderen fordert einfach seinen Tribut. Aber während der Verlust bei der Umsetzung von Romanen und Comics durchaus mit einem Gewinn auf einer anderen Ebene einhergehen kann – die Bildgewalt des Kinos kann schließlich vieles ausgleichen –, bleibt die Bilanz bei Filmen nach Games nahezu immer negativ. Das interaktive Element des Spiels lässt sich einfach nicht ersetzen. Insofern muss sich ein Filmregisseur bei der Umsetzung eines Spiels letztendlich gar nicht weiter anstrengen. Wenn man dieses grundsätzliche Scheitern erst einmal akzeptiert hat, kann man wie Boll einfach einen geistlosen Action- und Ballerfilm nach dem anderen herunterkurbeln und dabei noch von etablierten Markennamen profitieren. Natürlich geht es auch ganz anders. Davon zeugt John Moores überaus ambitionierte Verfilmung des Neo-Noir-Spiels „Max Payne“. Aber selbst Moore, der sich mit Im Fadenkreuz und seinen Remakes von Der Flug des Phoenix und Das Omen als einer der Hoffnungsträger des modernen Genrekinos etabliert hat, kann mit diesem harten Großstadt-Noir letztlich weder die Erwartungen der Gamer noch die der Genrefilmfans erfüllen. Auch er scheitert, allerdings auf einem sehr hohen Niveau.

    Seit seine Frau und sein Baby von mehreren Einbrechern getötet worden sind, hält den Polizisten Max Payne (Mark Wahlberg) nur noch eins am Leben: der Gedanke, dass er sich irgendwann rächen wird. Seinen Job in der Mordkommission hat er nach der Tragödie aufgegeben. Stattdessen sitzt er nun jeden Tag im Keller des Polizeireviers und forstet dort die Akten der ungelösten Fälle durch. Nachts streift er dann durch die dunkelsten Gassen und Hinterhöfe der Stadt, durch U-Bahnstationen und Clubs, immer auf der Suche nach Hinweisen auf die Mörder seiner Familie. So begegnet er schließlich einer jungen Frau (Olga Kurylenko) mit Kontakten zur Drogenszene. Als sie, kurz nachdem sie sich von ihm getrennt hat, auf brutalste Weise ermordet wird, gerät Max ins Visier seiner Kollegen. Sein ehemaliger Partner Alex Balder (Donal Logue) hält zwar schützend die Hand über ihn, wird aber schließlich selbst umgebracht. Und wieder ist Max der einzige Verdächtige. Ihm bleibt also gar nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei stößt er auf eine neue synthetische Droge, deren Spur direkt zu dem Pharmakonzern führt, für den einst seine Frau gearbeitet hat.

    Wie schon die Designer seiner Vorlage, die seinerzeit mit einigen revolutionären visuellen Effekten große Aufmerksamkeit erregt hatte und zudem durch die erstaunlich emotionale Zeichnung ihres Titelhelden zahlreiche Videospiel-Fans bis heute begeistert, plündert auch Moore schamlos den Fundus der „Schwarzen Serie“. Das beginnt bei den Figuren – der vor Trauer und Schmerz beinahe sprachlose Payne ist so etwas wie der ultimative Noir-Antiheld, und natürlich steht ihm mit der rätselhaften Mona Sax (Mila Kunis) eine moderne Femme Fatale zur Seite, die Schusswaffen genauso lässig handhabt wie er – und setzt sich nahtlos bei der ziemlich unübersichtlichen Struktur der Handlung fort. Die zentrale Verschwörung ist zwar recht leicht zu durchschauen, aber um sie herum ranken sich so viele Nebengeschichten und -Handlungen, dass man schnell mal die Übersicht verlieren kann. Und wie schon die Regisseure des klassischen Film Noir verliert auch Moore einige dieser Stränge irgendwann einfach aus den Augen oder lässt sie ganz bewusst ins Leere laufen. Der undurchdringlichen Komplexität einer Welt, in der es – zumindest im metaphorischen Sinne – nie Tag wird, kann keine (Film)Erzählung beikommen.

    Noch offensichtlicher sind allerdings die visuellen Anleihen beim Hollywood-Kino der 40er und frühen 50er Jahre. Schwarz und Weiß dominieren die Bilder. Immer wieder sind es Schneeflocken, die das Dunkel der Nacht etwas aufhellen und zugleich für scharfe Kontraste sorgen. Die extreme Künstlichkeit seiner Bildgestaltung hat „Max Payne“ den Ruf eingetragen, er bewege sich auf den gleichen Pfaden, die zuvor schon Robert Rodriguez und Frank Miller mit „Sin City“ beschritten haben. Doch dieser Vergleich greift letztlich zu kurz. Es gibt natürlich gewisse Ähnlichkeiten. Schließlich haben Millers stilbildende Noir-Comics und das Videospiel gemeinsame ästhetische Wurzeln.

    Moore nutzt die Möglichkeiten der modernen digitalen Bildbearbeitungstechniken allerdings ganz anders als Rodriguez. Während Sin City vor allem den Look von Millers Comics reproduziert und damit das Flächige der Kinobilder betont, orientiert Moore sich eher an den mittlerweile legendären Covern der amerikanischen Pulp-Romane und -Magazine der Nachkriegszeit. Seine Stilisierungen lassen Emotionen zu überwältigenden Bildern gerinnen, die dem Betrachter ob ihrer Schönheit den Atem rauben können. Jeder Lichtstrahl, der auf Mark Wahlberg oder Mila Kunis fällt, evoziert ganze Melodramen. Und wenn einmal kräftige Farben ins Spiel kommen, dann scheinen sie wie auch die Gefühle regelrecht überzufließen. Wie auf den alten Covern ist auch in „Max Payne“ alles etwas zu kräftig, zu grell und zu wüst. Moore erhebt wie vor ihm schon einmal ein Filmemacher, der sich an der Pulp-Ästhetik der 40er und 50er Jahre berauscht hat, den Exzess zur Normalität. Und genau wie Jean-Jacques Beineix, dessen 1983 entstandener Neo-Noir „Der Mond in der Gosse“ selbst heute, 25 Jahre später, noch seiner Entdeckung harrt, muss auch er fürchten, dass sein Film auf lange Zeit nichts als Spott und Hohn oder Abscheu und Grimm ernten wird.

    Ihr höchst artifizieller Look katapultiert die Geschichte und ihre Figuren aus der uns bekannten Wirklichkeit heraus in eine fast schon mythische Welt. In ihr erweist sich der Schmerzensmann Max Payne als Nachfahr all der Titanen, Halbgötter und Racheengel, die in Sagen und Legenden, in griechischen Mythen und biblischen Geschichten für Gerechtigkeit kämpfen und deren Zorn kein Maß kennt. In Rollen wie dieser ist Mark Wahlberg ganz in seinem Element. Er war schon immer dann am stärksten und intensivsten, wenn er Charaktere spielen konnte, die sich ganz in ihr Innerstes zurückgezogen haben, deren Entschlossenheit eine andere Form von Trauer ist. Seine leicht nach vorne gebeugte Körperhaltung und seine von unermesslichem Leid verdunkelten Augen erinnern uns daran, dass sich dieser Mann seiner Umwelt zwar als eiskalter Rächer und Killer präsentiert, aber in Wahrheit viel verletzlicher ist, als er es je zugeben würde. Seine Gier nach Rache verdeckt seine Sehnsucht nach Erlösung, doch die kann es für einen derart dunklen und zerrissenen Helden wie ihn nicht geben.

    So grandios Mark Wahlberg in der Rolle des Max Payne auch sein mag und so eindrucksvoll die Bilder des Films auch sind, am Ende fügen sich die einzelnen Teile einfach nicht zusammen. Anders als bei seinen früheren Filmen gelingt es Moore diesmal nicht, einen großen Bogen zu etablieren. Man hat fast den Eindruck, „Max Payne“ zerfalle einem direkt vor den Augen. Obwohl Wahlbergs Spiel und die wilde Künstlichkeit des Looks ein ganzes Reservoir an großen Emotionen in sich bergen, dessen Reichtum und Tiefe sich immer wieder andeutet, bleibt man seltsam unberührt. Vielleicht hätte sich Moore einfach noch weiter von seiner Vorlage und einer typischen Videospiel-Dramaturgie entfernen müssen. Aber genau das wollte er wohl nicht – oder wie soll man sonst die kurze Ego-Shooter-Sequenz erklären, die er zu Beginn des großen Showdowns eingeführt hat, obwohl das Spiel selbst nie in diese Perspektive wechselt. Oder – und auch das wäre eine Erklärung für Moores Scheitern – Spiele, selbst emotional derart komplexe wie „Max Payne“, entziehen sich grundsätzlich einer Vertiefung und Verdichtung, wie sie dieser Film versucht.

    Das würde zumindest erklären, warum Moore hier erstmals nicht zum Kern der gesellschaftlichen und politischen Bedingungen vordringt, die unsere Welt zu dem machen, was sie momentan ist. „Der Flug des Phoenix“ ist zugleich überwältigendes Action-Kino und eine erstaunlich klare Analyse der Auswirkungen der Globalisierung. Auch diesmal muss Moore etwas Ähnliches vorgeschwebt haben. Schließlich hat er aus den Drogendealern des Videospiels gierige Konzernsoldaten und -Offiziere gemacht, die nur an die Maximierung des Profits, ihres eigenen wie den des Unternehmens, denken. Das ist in den Zeiten der Finanzkrise zwar höchst aktuell, aber trotzdem entsteht ein Eindruck von simplifizierender Oberflächlichkeit. Statt mit der erhellenden Komplexität, die seine früheren Werke auszeichnete, wartet Moore nun ausschließlich mit eingängigen Slogans und plattester Kapitalismuskritik auf. Dagegen ist grundsätzlich zwar nichts zu sagen, aber von ihm durfte man sich eigentlich ein bisschen mehr erwarten.

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