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    Lauf um dein Leben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Lauf um dein Leben
    Von Tobias Diekmann

    Der Sportler Andreas Niedrig belegte beim Ironman Hawaii 1997 den 17. Platz. Eigentlich nicht unbedingt erwähnenswert, sofern man seine bewegende Vergangenheit nicht kennt. Denn Niedrig war noch zehn Jahre zuvor hochgradig heroinsüchtig und stand einige Male vor dem totalen Absturz, aus dem er sich aber trotz etlicher Rückschläge aus eigener Kraft befreien konnte, und sich dank der wiederentdeckten Liebe zum Sport und viel Disziplin mit der Zeit zu einem erfolgreichen Triathleten entwickelte. Sein Vorleben hat er bereits in seiner Biographie „Vom Junkie zum Ironman“ erzählt, und so war es nur noch eine Frage der Zeit, bis man sich an die Verfilmung dieses interessanten Stoffes wagte. Adnan G. Köse hat nun mit „Lauf um dein Leben“ nach einigen Kurzfilmen und TV-Projekten seinen ersten großen Film realisiert, und dabei gleich mit Uwe Ochsenknecht und Max Riemelt in der Rolle von Niedrig zwei namhafte Darsteller an Bord ziehen können. Einem wirklich guten Sportlerdrama wäre somit Tür und Tor geöffnet, zumal Niedrig höchstpersönlich den Machern bei der Realisierung des Projekts als Berater zur Seite stand. Leider entpuppt sich das Biopic im Ganzen dann aber als ziemlich halbgares Vergnügen, das über etliche dramaturgische Schwächen nicht hinwegtäuschen kann.

    Andreas (Max Riemelt), Kurt (überraschend zurückhaltend: Axel Stein), Motte (Robert Gismek) und Ismail (Ismail Deniz) sind die „Fantastischen Vier“ im Ruhrgebiet der 80er Jahre. Sie halten nicht viel vom spießigen Leben der anderen. Sie hangeln sich lieber von einem Kick zum nächsten, konsumieren Unmengen an Drogen oder klauen Platten, um sie auf der Straße an Großdealer zu verticken. Eines Tages tritt Sabine (Jasmin Schwiers) in Andreas’ Leben und er verliebt sich sofort in sie. Kurze Zeit später ist bereits das Kind unterwegs, es wird geheiratet und ein Job gesucht, was den Beginn des „spießigen“ Lebens von Andreas markiert. So sehen das zumindest seine Freunde, die sich vernachlässigt fühlen und sich zunächst von ihm distanzieren. Doch echte Freunde können dann halt doch nicht voneinander lassen, und so sind die „Fantastischen Vier“ schnell wieder eine eingeschworene Clique. Dabei bemerken sie in ihrer latent vorhandenen Langeweile langsam nicht mehr, dass sie immer tiefer in den Drogensumpf rutschen, und sich vor allem Andreas durch seine Abhängigkeit zusehends verändert und seine Ehe aufs Spiel setzt. Erst nach etlichen Abstürzen und dem Tod vor Augen erkennt er, dass sich sein Leben grundlegend ändern muss. Dabei helfen kann ihn, sehr zum Leidwesen des strengen Vaters (Udo Schenk), sein früherer Lauftrainer Oscar (Uwe Ochsenknecht), der ihn unter seine Fittiche nimmt und mit ihm – wie früher - anfängt zu trainieren; fürs Leben und den nächsten großen Marathon.

    Es gibt eigentlich einige Aspekte in „Lauf um dein Leben“, die man auf der Habenseite verbuchen kann. Die Kamera setzt die Kulissen des Ruhrgebiets angemessen ins Licht und bei Max Riemelt, der hier als Hauptcharakter den Film auf seinen Schultern tragen muss, zeigt sich fortwährend, dass er durchaus das Potential besitzt, die unterschiedlichen Facetten im Leben von Andreas Niedrig im Spannungsfeld Junkie und Hochleistungssportler auch physisch adäquat umzusetzen. Von der Musikuntermalung wird mitunter vielleicht etwas inflationär Gebrauch gemacht, aber spiegelt sie im Ganzen doch ein passendes Gefühl der 80er wider (von den Frisuren mal ganz abgesehen). Bis hierin also alles gar nicht so schlimm.

    Das eigentliche Problem sitzt etwas tiefer und zeigt eklatante Mängel im Wort- und Handlungsaufbau, die in ihren Auswirkungen dann leider den gesamten Film in Mitleidenschaft ziehen. Denn allein die Sätze, die den Schauspielern in den Mund gelegt werden, kommen größtenteils so schrecklich hölzern daher, dass sie eine unfreiwillige Komik offenbaren und ernst gemeinte Dialoge einfach nur noch lächerlich wirken. Vor allem die Begegnungen von Andreas mit seinem Vater sind wirklich schlimm, darf der strenge Polizist doch nur Klischeesätze einfältigster Sorte heraushauen. Die emotionale Kühle und das Unverständnis beider Parteien füreinander kann in keiner Einstellung angemessen transportiert werden. Jeder einzelne Satz wirkt aufgesetzt und steif. Da fragt man sich bisweilen schon, wer für solche strunzdoofen Texte zuständig war.

    Natürlich hat sich Adnan G. Köse einen großen Brocken für ein Kinodebüt herausgesucht, sind doch gerade Biographien schwierig für die Leinwand umzusetzen, da sie sich oftmals über eine größere Zeitspanne erstrecken, so dass im Vorfeld gut überlegt sein muss, an welchen Stellen man die Schnitte setzt, um trotzdem ein homogen wirkendes Ganzes abliefern zu können. Diesbezüglich zeigt sich dann auch die größte Schwäche von „Lauf um dein Leben“, da überhaupt keine Ausgewogenheit in der erzählten Zeit auszumachen ist, und somit der Film in keiner Sekunde rund wirkt. Der Untertitel lautet „Vom Junkie zum Ironman“, und nach über einer Stunde fragt man sich, wann denn nun endlich der Sinneswandel des Protagonisten einsetzt, und man langsam mal zum „Ironman“ übergeht.

    Doch Köse erzählt viel zu ausführlich die Vorgeschichte, Andreas’ Kampf mit den Drogen, die Rückfälle, das Verhältnis zu Frau und Kind, den Problemen innerhalb der Clique etc. Das ist streckenweise sehr langatmig und bestätigt dann die Befürchtungen, dass für den Teil des Neubeginns nicht mehr viel Platz bleibt. Es reicht nämlich für eine emotionale Glaubwürdigkeit auf Seiten des Zuschauers einfach nicht, im Folgenden Andreas drei Mal über Landstraßen, durch Wälder und einen Stadtmarathon zu hetzen. So sieht der Beginn einer Karriere im Hochleistungssport nicht aus, zumal im Vorfeld die Drogensucht bis ins kleinste Detail (und noch unter Einbeziehung fiktiver Nebenstränge) ausgewalzt wurde. Wo sind nun auf dem Weg nach oben die Selbstzweifel, Rückschläge, Überanstrengungen und die langsam zunehmenden Erfolge geblieben? Die werden in das letzte Drittel des Films gequetscht, bleiben quasi außen vor und das, wo sie doch nach der überwundenen Abhängigkeit eine ebenso wichtige Phase von Niedrigs Lebens beschreiben.

    „Lauf um dein Leben“ lässt einen somit eher ratlos zurück und vermag es nur selten, ein stimmiges Bild vom Leben eines Ausnahmeathleten zu skizzieren, wobei zumindest die Leistung der Darstellerriege positiv auffällt. Im Presseheft zum Film sagt Niedrig nach Begutachtung des Rohschnitts: „Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich ihn gar nicht so recht beurteilen. Ich habe ja gewusst, dass mein Leben nicht so eins zu eins darzustellen ist.“ Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

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