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    The Way Back - Der lange Weg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Way Back - Der lange Weg
    Von Jan Görner

    Nach fast sieben Jahren Pause meldet sich „Master And Commander"-Regisseur Peter Weir mit einem neuen Film zurück. „The Way Back", nach den 1952 erschienenen Memoiren des polnischen Gulag-Insassen Slavomir Rawicz, beschreibt die abenteuerliche, wenn auch historisch nicht unumstrittene Flucht einer ungleichen Schicksalsgemeinschaft über 6.500 Kilometer von Sibirien nach Indien. Der Film steht in der besten Tradition früherer Werke des Australiers, der sein Leitmotiv – das existenzielle Freiheitsstreben – hier so deutlich wie selten zuvor ausspielt.

    Polen, 1940: Im sowjetisch besetzten Teil des Landes wird der polnische Kavallerie-Offizier Janusz (Jim Sturgess) bezichtigt, sich negativ über die UdSSR und ihren Führer Josef Stalin geäußert zu haben. Er wird für 20 Jahre ins Strafgefangenenlager nach Sibirien verbannt. Dort trifft er auf politisch Unliebsame und Kriminelle, die unter den Augen der Wachen im Lager eine Gewaltherrschaft ausüben. Mit dem Schauspieler Khabarov (Mark Strong) fasst Janusz den Entschluss, das Lager Richtung Süden über die sowjetisch-mongolische Grenze zu verlassen. Vom Amerikaner Smith (Ed Harris) vernimmt er, Khabarov sei ein Hochstapler. Doch der junge Pole gibt nicht auf. Gemeinsam mit dem brutalen Gangster Valka (Colin Farrell) brechen Janusz und Smith aus. Ebenfalls im Schlepptau: Der jugoslawische Buchhalter Zoran (Dragos Bucur), der Künstler Tomasz (Alexandru Potocean), der erst 17-jährige Kazik (Sebastian Urzendowsky) und der lettischen Priester Voss (Gustaf Skarsgard). Auf der gefährlichen Reise durch Wüsten, Steppen und Wälder lesen sie die junge Polin Irena (Saoirse Ronan) auf. Doch der Weg zurück in die Freiheit steckt voller Gefahren...

    „The Way Back" erzählt eine zutiefst humanistische Geschichte von unbedingtem Freiheitswillen. Damit steht der Film in der Tradition von Weir-Großtaten wie „Die Truman Show" oder „Der Club der toten Dichter". Hier wie dort lassen die Protagonisten ihre bekannte Welt hinter sich, um wahre Freiheit zu erringen – sei es Unabhängigkeit von einem TV-Produzenten mit Gott-Komplex oder einem lebensfeindlichen Schuldrill. Inwiefern die im Film geschilderten Vorfälle auf wahren Begebenheiten beruhen, spielt für Weirs universelles Thema in diesem Sinne keine Rolle. Drei Männer werden es nach Indien schaffen, lässt eine Texteinblendung zu Beginn wissen. Die Frage ist nur: wer? Und wie? Weir eröffnet mit einer einnehmenden Szene: Janusz' Verhör. Unter Folter hat Janusz' Frau (Sally Edwards) als Zeugin gegen ihren Mann ausgesagt.

    Im Gulag angekommen, lässt der Kommandant die neuen Insassen wissen, dass nicht der Stacheldraht und die Wachen die Grenzen ihres Gefängnisses seien, sondern 13 Millionen Quadratkilometer unbarmherzige Natur, die sich in alle Himmelsrichtungen erstrecken. Es ist vor allem das Verdienst von Weirs Stammkameramann Russell Boyd, sowohl die bedrohliche Enge des Lagerlebens, als auch die Schönheit und Gefahr der sibirischen Weiten einzufangen. Entgegen den Konventionen des Ausbruchsfilms konzentriert sich Co-Autor Weir auf seine Flüchtlingstruppe, etwaige Verfolger zeigt er nicht. Auf diese Weise ruht der Fokus stets auf seinen Protagonisten. Ihre Ängste – ob sie verfolgt werden, wie sie Hunger und Natur standhalten sollen – werden so unmittelbar greifbar. Ebenso steht hier nicht der Konflikt zwischen den mitunter sehr verschiedenen Figuren im thematischen Mittelpunkt.

    Trotz bedrückender Passagen ist „The Way Back" ein Werk voller Anerkennung und Optimismus, das die Fähigkeit, im Notfall alle Gräben zu überwinden und zusammenzurücken, als menschliches Wesensmerkmal herausstellt. Ohne heroische Reden, pathostriefende Musik oder kitschige Todesszenen verlässt sich Weir neben Boyds ausgezeichneter Kameraarbeit ganz auf seine tollen Darsteller. Er erzählt von sieben Menschen, die in die nicht enden wollenden Weiten der sibirischen Taiga blicken und alle etwas anderes sehen. Jede der Figuren hat eine eigene legitime Perspektive, eine eigene Motivation, und wird darüber auf der Leinwand lebendig. Mit seinem gemächlichen Erzähltempo und der behutsamen Regie ist „The Way Back" dabei ein im besten Wortsinne altmodischer Film.

    Eingedenk der geringen Aufmerksamkeitsspanne, die zeitgenössische Regisseure ihrem Publikum offenbar zugestehen, scheint Regisseur Weir und Schnittmeister Lee Smith bisweilen die Angst umzutreiben, der Zuschauer könne sich allzu schnell langweilen. Daher wird das Publikum durch einige Abschnitte der Geschichte nur so durchgescheucht, denen eine Vertiefung dabei sehr gut getan hätte. Andererseits würde eine detailliertere Bebilderung einer solchen Reise wohl jeden Rahmen sprengen. Das Ergebnis ist dennoch nicht ganz zufrieden stellend. Historisch fragwürdig, dafür emotional einnehmend hat Peter Weir mit seinem ersten Lebenszeichen seit „Master and Commander" ein sehenswertes Drama abgeliefert, bei dem sich besonders die international noch wenig bekannten Darsteller wie der Rumäne Dragos Bucur („Der Tod des Herrn Lazarescu") ins Gedächtnis spielen.

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