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    Codename U.N.C.L.E.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Codename U.N.C.L.E.
    Von Carsten Baumgardt

    Die größte Wiederaufbereitungsanlage der Welt steht in Los Angeles, genauer gesagt: in Hollywood. Was irgendwann mal irgendwie Erfolg gehabt hat, wird für die jetzige Generation neu hergerichtet. Auch der englische Regisseur Guy Ritchie hat sich mit seinen beiden „Sherlock Holmes“-Filmen schon recht kreativ an der Recycling-Welle beteiligt und widmet sich nun einer weiteren Neuauflage eines bekannten Stoffes, wobei er diesmal ein deutlich höheres Risiko eingeht: Mit seiner ironischen Agentenkomödie „Codename U.N.C.L.E.“ nimmt er sich die kultige 60er-Jahre-Fernsehserie „Solo für O.N.C.E.L.“ vor, die beim jüngeren Publikum kaum noch bekannt ist, und setzt einmal mehr auf schicken Hochglanz-Anachronismus. Dabei wird die krude Handlung dank der grandiosen Darsteller und Ritchies elegant-verspielter Inszenierung bald zur Nebensache und „Codename U.N.C.L.E.“ zu einem witzig-schwungvollen Vergnügen mit Retro-Touch.

    Anfang der 1960er Jahre befindet sich der Kalte Krieg zwischen Ost und West auf dem Höhepunkt. Doch als ein mysteriöses Verbrechersyndikat mit Verbindungen zu alten Nazischergen scheinbar in den Besitz einer Atomwaffe gelangt, müssen die verfeindeten Supermächte USA und Sowjetunion notgedrungen zusammenarbeiten. Dem CIA-Agenten Napoleon Solo (Henry Cavill) und dem KGB-Spion Illya Kuryakin (Armie Hammer) bleibt nichts anderes übrig, als gegen ihren Willen zu kooperieren. Der verschwundene und vermeintlich für tot gehaltene Top-Wissenschaftler Udo Teller (Christian Berkel) soll für die Verschwörerorganisation die Bombe zusammenbauen, Solo und Kuryakin wollen über seine Tochter, die Ost-Berliner Automechanikerin Gaby Teller (Alicia Vikander), an ihn herankommen. Tatsächlich gelingt es den beiden Top-Spionen, die junge Frau zur Zusammenarbeit zu bewegen: Die Spur führt nach Italien zu Gabys zwielichtigem Onkel Rudi (Sylvester Groth)...

    104 Folgen der TV-Serie „Solo für O.N.C.E.L.“ flimmerten zwischen 1964 und 1968 in Erstausstrahlung über die US-amerikanischen Mattscheiben, dazu liefen von 1964 bis 1983 insgesamt acht Spielfilme im Kino, die hauptsächlich aus einzelnen TV-Episoden zusammengeschnitten wurden. Und da sind wir auch gleich beim einzigen größeren Manko von Guy Ritchies Kino-Remake. Der Film fühlt sich an wie eine lange Episode einer alten Serie, die von ihren ausgesprochen starken Figuren dominiert wird. Der erzählerische Zusammenhang ist auf das Nötigste beschränkt und die etwas wirre Handlung um die Agenten und eine Weltverschwörung gerät schnell in den Hintergrund. Guy Ritchie („Bube, Dame, König, Gras“, „Snatch“) sorgt mit seiner selbstbewussten, vor unverschämter Ironie nur so strotzenden Inszenierung dafür, dass man locker über dieses Ungleichgewicht hinwegsehen kann, aber eines bleibt klar: Hier zählen einzig die schillernden Typen in den Hauptrollen und dazu höchstens noch ein paar Nebenfiguren. Look und Haltung triumphieren über Spannung und Emotionen.

    Immerhin hat Guy Ritchie für sein figurenlastiges Unterfangen die perfekte Besetzung am Start, er zieht Trumpfass auf Trumpfass aus dem Ärmel. Der Engländer Henry „Superman“ Cavill („Batman V Superman“, „Krieg der Götter“) hat keine Probleme, einen amerikanischen Agenten zu spielen, gleichzeitig schwingt trotz überzeugendem US-Akzent immer ein bisschen verschmitzt-britischer Charme mit – als hätte James Bond vom MI:6 die Nase voll und wäre stattdessen bei der CIA untergekommen. Cavill spielt den genialen Ex-Verbrecher schlagkräftig und tiefenentspannt zugleich, ultra-lässig und doch engagiert, wenn es nötig ist. Was er auf die Leinwand bringt, ist Coolness mit Ansage, die Überraschung ist jedoch sein Partner und (ehemaliger?!) Widersacher Armie Hammer („J. Edgar“, „Lone Ranger“), der ihn im Sympathieduell sogar noch aussticht. Der blonde 1,96-Meter-Hüne verkörpert mühelos einen russischen Modell-Agenten - immer wieder wird seine körperliche Präsenz für Gags genutzt, ähnlich wie seine ideologische Konditionierung als sowjetisches Raubein und sein zart-verstohlener Beschützerinstinkt. Hammer rockt.

    Die von Hammers Illya umhegte „Ex Machina“-Sensation Alicia Vikander („Anna Karenina“) als Gaby bildet in diesem satirisch-ironischen Dreier das ausgleichende Element. Als Automechanikern im Ost-Berlin der 60er Jahre ist sie im wahrlich etwas Ungewöhnliches und zeigt unerwartete Talente. Da ist es auch nebensächlich, dass das Deutsch der Schwedin Vikander (in der englischen Originalversion) sehr gewöhnungsbedürftig ist – man hat nicht das Gefühl, dass sie auch nur ein Wort von dem versteht, was sie sagt. Aber um Realismus geht es hier sowieso nicht und Vikander steuert dafür jede Menge Charme und Raffinesse bei. Erfrischend und lustig fällt auch der krachend-sarkastische Auftritt von Romantik-Komödien-Ikone Hugh Grant („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) aus, der zuletzt in der Versenkung zu verschwinden drohte. In „Codename U.N.C.L.E.“ liefert der mittlerweile angegraute Mittfünfziger ein vitales Lebenszeichen als Solos sprücheklopfender Boss Waverly.

    Der Look des Films mag gegenüber der Handlungszeit ein wenig modernisiert sein (Ritchie zeigt seine üblichen Raffinessen, Split-Screen-Einstellungen und schnelle Schnitte), aber der Erzählton von „Codename U.N.C.L.E.“ könnte tatsächlich den 60er Jahren entstammen – deshalb ist die 75 Millionen Dollar teuren Produktion auch durchaus ein kommerzielles Risiko. Für den oft makaberen Humor muss man eine gewisse Toleranz mitbringen, da legt Napoleon Solo schon mal ein gemütliches Brotzeitpäuschen ein, während sein Partner im Hintergrund ums Überleben kämpft oder ein fieser Nazi wird auf einem elektrischen Stuhl förmlich gegrillt – zwar unbeabsichtigt, aber dann durchaus bereitwillig. Nichts wird hier (zu) ernst genommen, der spitzbübische Spaß hat oberste Priorität. Wie sich die Figuren belauern und gegenseitig in die Pfanne hauen ist entschieden wichtiger als die Spannung - auch in den abwechslungsreichen Actionszenen mit ihren Verfolgungsjagden zu Wasser und Land.

    Fazit: Guy Ritchies Kinoversion der 60er-Jahre-TV-Serie „Solo für O.N.C.E.L.“ ist trotz etwas unausgegorener Handlung geglückt. Seine frech-satirische Spionage-Action-Komödie „Codename U.N.C.L.E.“ besticht mit spielfreudigen Stars und jeder Menge Witz und Verve.

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