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    Juan of the Dead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Juan of the Dead
    Von Matthias Börner

    Eine wirklich neue und originelle Idee für eine Zombie-Komödie zu finden, ist heutzutage gar nicht mehr so einfach. Es gibt Filme aus Sicht der Zombies („Wasting Away"), über das Halten eines Zombies als Hausdiener („Fido"), über die Ehe mit einem Zombie („Zombie Honeymoon") und natürlich die humorvollen Buddy-Zombie-Filme wie den britischen „Shaun of the Dead", den sich Alejandro Brugués für seinen „Juan of the Dead" nicht nur beim Titel zum Vorbild nimmt. Wer jetzt ein kubanisches Imitat von Edgar Wrights Instant-Klassiker befürchtet, kann aber beruhigt durchatmen: Autor und Regisseur Brugués hat mit „Juan of the Dead" eine eigenständige, extrem vergnügliche Zombie-Komödie geschaffen, die problemlos mit Genregrößen wie eben „Shaun of the Dead" oder auch „Zombieland" mithalten kann.

    Der Taugenichts und Tagedieb Juan (Alexis Díaz de Villegas) ist Anfang 40 und kann ebenso wie sein bester Freund Lazaro (Jorge Molina) auf ein Leben voller Nichtstun und Müßiggang zurückblicken. Die beiden scheuen nur die Verantwortung noch mehr als ehrliche Arbeit. Als sie sich eines Tages mit ihrem Floß über das Meer treiben lassen, werden sie aus dem Wasser von einem entstellten Fremden angegriffen, den Lazaro im Affekt mit einem Harpunenpfeil in den Kopf erschießt. Die beiden denken sich nichts weiter dabei und wollen die Sache diskret auf sich beruhen lassen. Doch schon bald häufen sich die Fälle von scheinbar verwirrten Menschen, die ihre Mitbürger aufessen und die Stadt ins Chaos stürzen. Lazaro und Juan errichten zusammen mit einigen Freunden und Juans Tochter Camila (Andrea Duro) auf dem Dach eines Wohnhauses ihr Hauptquartier und beschließen, ihren kubanischen Mitbürgern gegen Bargeld die lästigen Zombies vom Hals zu halten. Die Gruppe nimmt unter der Führung von „Juan of the Dead" den Kampf gegen die Horden von Untoten auf...

    Die Grundkonstellation von „Juan of the Dead" ist nicht neu und wurde zuletzt in Horrorkomödien wie „Lesbian Vampire Killers" und natürlich „Shaun of the Dead" durchgespielt, in denen wie hier ein ganz normaler Kerl notgedrungen zum Helden wird und mit einem ebenso dicklichen wie dümmlichen, aber dennoch liebenswerten Side-Kick gegen die Untoten ins Feld zieht. Es versteht sich von selbst, dass der Protagonist zusätzlich nebenbei ein weibliches Herz erobern muss, auch wenn es sich dieses Mal um das seiner ihn verachtenden Tochter handelt. Aber dass die Erzählmuster im Genrekino immer wieder die gleichen sind, das gehört zu den Spielregeln. Entscheidend ist, wie überzeugend sie variiert und mit eigenen Ideen angereichert werden – auf dieser Ebene erweist sich „Juan of the Dead" als überaus originell. Schon in den ersten Minuten emanzipiert sich Brugués von den Vorbildern, schließlich weist sein Drehbuch eine ungeheuer dichte Frequenz an Gags auf, die zudem fast immer ins Schwarze treffen. Dazu kommen pointierte Dialoge und mit der kubanischen Hauptstadt Havanna ein hierzulande eher selten zu sehender und geschickt ins Bild gerückter Schauplatz.

    „Juan of the Dead" wartet mit viel rabenschwarzem Humor und einer ausgeprägten Portion Respektlosigkeit auf. Allein die Szene, in der Juan, Lazaro und Vladi (Andros Perugorría) versuchen herauszufinden, was denn mit dem alten Nachbarn aus 8B nicht stimmt, ist den Kauf der Eintrittskarte wert. Der schwungvoll gespielte Film bereitet also großes Vergnügen, ist aber beileibe kein tumber Schenkelklopfer-Splatter-Mix. Durch eine unaufdringliche, aber dennoch unübersehbare Gesellschaftskritik bekommt das mit Freude am blutigen Detail inszenierte Zombie-Schlachtfest eine zusätzliche Ebene: So sind die Staatsorgane im Angesicht der Krise schlicht handlungsunfähig und zeigen keinerlei Präsenz. Auf ein Anrücken von Militärverbänden wie man es aus amerikanischen Zombiefilmen wie „Day of the Dead" kennt, warten sowohl Juan und seine Gefährten als auch der Zuschauer vergeblich. Stattdessen schieben die untätigen offiziellen Stellen die Verantwortung für die missliche Lage fast schon reflexartig fiktiven regimekritischen „Dissidenten" zu. Diese Spitzen gegen den Castro-Regierungsapparat sind aber nur ein Aspekt von Brugués‘ Kuba-Porträt, das im Ganzen fast schon zu einer Liebeserklärung an die karibische Insel und ihre Bewohner gerät.

    Auch wenn keiner genau weiß, worum es sich bei der Krise genau handelt und niemand die verwirrende Lage überblickt, wird trotzdem erst einmal vorsorglich eine Demonstration veranstaltet – so will es die Revoluzzer-Tradition: Mit solchen Einzelheiten nimmt Brugués die kubanische Mentalität liebevoll aufs Korn. Und der vermeintliche Nichtsnutz Juan sieht sich selbst nicht zufällig als Überlebenskünstler, der neben der Massenflucht von Mariel auch die sogenannte Sonderperiode überlebt hat, in der die kubanische Wirtschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in eine ernsthafte Krise geriet und es sogar zu Hungersnöten kam. So tut Juan auch im Angesicht der drohenden Zombie-Apokalypse das, was ihn wie so viele andere Kubaner auszeichnet: sich an die Lage anpassen und den Optimismus bewahren. Er eröffnet sein privates Zombiebeseitigungs-Unternehmen und beteuert auch dann noch seine Liebe zur Heimat, als die Straßen mit Leichen gepflastert und etliche Häuser zerstört sind. Brugués schreibt gerade den jungen Figuren wie Juans Tochter Camila und Lazaros Sohn Vladi eine ungetrübte Zuversicht auf den Leib, die bei ihnen an den Wunsch geknüpft ist, es mal besser zu machen als die Eltern. Es mag einiges faul sein im Staate Kuba, der Zukunft blickt seine Bevölkerung trotzdem voller Hoffnung entgegen.

    Fazit: „Juan of the Dead" ist eine schwarzhumorige Zombie-Komödie aus Kuba, die mit sehr guten Ideen, einem beachtlichen Splatter-Faktor und einem gesellschaftskritischen Unterton punktet.

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