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    Freakonomics
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Freakonomics
    Von Christoph Petersen

    Mit ihrem 2005 erschienenen Sachbuch „Freakonomics“ landeten die Autoren Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner einen weltweiten Bestseller: Bis heute wurden mehr als vier Millionen Exemplare verkauft, 2009 folgte zudem noch die ähnlich erfolgreiche Fortsetzung „SuperFreakonomics“. Der Clou an den Büchern: Der Ökonom Levitt hat eine Menge wissenschaftlicher Theorien auf Lager, die uns die Welt und unseren Alltag mit ganz neuen Augen sehen lassen, während der Journalist Dubner das Talent besitzt, diese so aufzuschreiben, dass sie auch jedermann versteht. Dabei geht es oft um Bereiche, die von Ökonomen ansonsten ausgespart werden – zum Beispiel die wirtschaftlichen Umstände bei Drogendealern, Selbstmordattentätern oder Sumoringern. Bei dieser literarischen Erfolgsgeschichte verwundert es nicht, dass sich mit Morgan Spurlock, Alex Gibney, Eugene Jarecki sowie Heidi Ewing und Rachel Grady einige der bedeutendsten Dokumentarfilmer unserer Zeit bereitgefunden haben, für die Kinofassung von „Freakonomics“ einzelne Kapitel des Buchs als Kurzdokumentationen zu verfilmen. Obwohl drei der vier Beiträge wirklich gelungen sind, bleibt die größte Stärke der Vorlage bei der Transformation zum Kinofilm auf der Strecke.

    McDonald’s-Vielfraß Morgan Spurlock (Oscar-Nominierung für „Super Size Me“) ist zwar der bekannteste Name unter den Regisseuren, trotzdem ist sein Segment „Roshanda oder sonst ein Name“ das uninspirierteste. Die Frage „Beeinflusst der Name den Erfolg eines Menschen?“ ist schnell beantwortet – anschließend zieht Spurlock die Episode mit recht beliebig wirkenden Straßeninterviews nur noch unnötig in die Länge. Ganz anders Vielfilmer Alex Gibney (Oscar für „Taxi To The Dark Side“) in seinem Beitrag „Pure Korruption“: Was als harmloser mathematischer Beweis für den Betrug beim Sumoringen beginnt, schraubt sich bald zu einer Meisterleistung des investigativen Journalismus hoch – korrupte Cops und vertuschte Morde inklusive.

    Eugene Jarecki (hat im Gegensatz zu den Kollegen keine Oscar-Nominierung, dafür einen Adolf-Grimme-Preis für „Why We Fight – Amerikas Kriege“) zieht in seinem Beitrag „Das Leben ist nicht immer schön“ nicht nur einen auch filmisch eleganten Querverweis zu dem Weihnachts-Klassiker „Ist das Leben nicht schön?“ mit James Stewart, sondern hat auch die überraschendste Auflösung zu bieten: Hängt der unerwartete Rückgang der Kriminalität in den USA Anfang der 1990er wirklich mit verbesserten Polizeitaktiken zusammen? Die Antwort birgt gerade für ein so stark christlich geprägtes Land wie die USA gewaltigen gesellschaftlichen Sprengstoff! „Kann man einen Neuntklässler mit Bestechung zum Erfolg bringen?“ ist schließlich das einzige Segment, mit dem die Filmemacher merklich über den Inhalt des Buchs hinausgehen. Heidi Ewing und Rachel Grady (Oscar-Nominierung für „Jesus Camp“) begleiten in ihrer amüsanten Kurzdokumentation, in der sie ihren Teenager-Protagonisten angenehmerweise immer auf Augenhöhe begegnen, für einige Monate ein Schulprogramm. Bei diesem werden Neuntklässler für gute Noten und wenig Fehlzeiten mit Geld und einem Limousinen-Service belohnt.

    Weitere Kapitel der Buchvorlage werden von Produzent und Co-Regisseur Seth Gordon („Kill The Boss“) lediglich in kurzen Einschüben zwischen den längeren Segmenten angerissen. Der Nachteil dieser Umsetzung: Während der Leser des Buchs sich nach und nach mit Hilfe der vielen kleinen Geschichten zunehmend das große Ganze erschließen kann, bleiben die anekdotischen Beobachtungen im Film für sich alleine stehen. Die gewitzt-genialen Querverweise, die die Autoren Levitt und Dubner immer wieder ziehen und so dem Leser alle paar Seiten einen die eingefahrenen Denkmuster auf den Kopf stellenden Ah-ha-Effekt bescheren, fehlen im Film. So bleibt am Ende nur eine Sammlung von vier kurzen Dokumentationen über Thesen, denen kaum mehr gemein ist, als dass sie zufällig im selben Buch behandelt wurden.

    Fazit: Zwar sind drei der vier in „Freakonomics“ präsentierten Kurzdokumentationen richtig gut, trotzdem entfacht der Film nicht jene Begeisterung für die wissenschaftlichen Ideen hinter den kurzweiligen Anekdoten, die sich beim Lesen der Buchvorlage unweigerlich einstellt.

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