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    Eine ganz heiße Nummer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Eine ganz heiße Nummer
    Von Asokan Nirmalarajah

    Für den gebürtigen Münchener Markus Goller ist die beschwingt-charmante Dorfkomödie „Eine ganze heiße Nummer" im doppelten Sinne ein Heimspiel. Zum einen führt ihn das pfiffige, mit alpenländischem Dialekt und Lokalkolorit durchsetzte Drehbuch der populären Frauenbuchautorin Andrea Sixt zurück nach Bayern. Und zum anderen kann er sich bei der Geschichte der generationsübergreifenden Freundschaft zwischen drei Frauen, die aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus ihren sexuellen Horizont erweitern müssen, erneut in dem Genre beweisen, für das er zuletzt mit „Friendship!" besonderes Talent gezeigt hat. Wie der Überraschungserfolg über zwei Ost-Jungs, die nach dem Mauerfall nach Amerika fahren und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf geografische und sexuelle Entdeckungsreise gehen, überzeugt auch „Eine ganze heiße Nummer" als amüsantes und rührendes Lustspiel mit viel Charme und Esprit.

    Maria (Bettina Mittendorfer) ist so verzweifelt, dass sie sogar unter Verstopfung leidet. Nicht nur, dass sie sich alleine um ihren kranken, bettlägerigen Vater kümmern muss, seitdem ihre Tochter beim Ex-Mann in Regensburg wohnt und dort die Schule besucht. Auch der Lebensmittelladen, den Maria gemeinsam mit der alten Waltraud (Gisela Schneeberger) und der jungen Lena (Rosalie Thomass) in einem kleinen bayerischen Dorf betreibt, bereitet ihr seit der Wirtschaftskrise Kopfschmerzen: Die Dorfbewohner ziehen es vor, zum günstigeren Aldi in der nächsten Stadt zu fahren. Bald steht das Geschäft kurz vor der Pleite. Als Waltraud dann auch noch um ihr Haus bangt, weil Ehemann Heinz (Ferry Oellinger) seit der Schließung der örtlichen Glashütte keine Anstellung mehr findet, und Lena kein Geld für das Auto hat, mit dem sie zu ihren Verehrern in die Stadt fährt, beschließen die drei Frauen auf anderem Wege Geld zu verdienen – mit der Einrichtung einer Telefonsex-Hotline...

    Ein erster Triumph von Markus Gollers unorthodoxem, ironisch-subversivem Heimatfilm besteht darin, den Vorurteilen zu trotzen, die der platte Titel und der misslungene Trailer beim Kinopublikum wecken. Was in hastig montierter Kurzform noch als plumper Sex-Klamauk daherkam, entpuppt sich im langen Spielfilm als eine nur selten wirklich schlüpfrige, souverän erzählte Situationskomödie in entspanntem Tempo. Dabei sind nicht nur die Telefonsex-Szenen komisch, in denen sich die rustikale bayerische Mundart und die Forschheit der Amateur-Telefonistinnen mit der Sex-Rhetorik und den Stöhn-Symphonien aus einschlägiger erotischer Literatur und aus Pornofilmen verbindet. Amüsant ist auch und vor allem das liebevoll entlarvende Porträt einer erzkatholischen Dorfgemeinschaft, in der sich tradierte Moralvorstellungen wiederholt mit wirtschaftlichen Interessen beißen. Die Eigenheiten des alpenländischen Dialekts stören da nur selten das Verständnis der energisch vorgetragenen Dialoggefechte und tragen vielmehr noch zu dem eigenwilligen Charme der gut ausgearbeiteten Figuren bei.

    „Eine ganz heiße Nummer" steht nicht, wie auf dem ersten Blick vielleicht anzunehmen wäre, in der jüngeren Tradition von Marcus H. Rosenmüllers makabrer Heimatfilm-Posse „Wer früher stirbt, ist länger tot". Vielmehr erinnert seine Geschichte von drei Frauen aus der Arbeiterschicht, deren letzter Ausweg die Vermarktung ihrer Sexualität darstellt, auch in ihrem sorgfältigen Handlungsaufbau an englische Arbeiterklassen-Komödien wie „Ganz oder gar nicht" oder „Kalender Girls". Goller hält gekonnt die Balance zwischen ernsten und humorvollen Elementen und verliert bei der zunächst vielleicht albern wirkenden Idee vom Telefonsex-Service in einer kleinen Dorfgemeinde auch die sozialen Hintergründe der sympathisch gezeichneten Figuren nicht aus den Augen. Dass diese Gratwanderung gelingt, hat der Regisseur zu einem guten Teil auch der bis in kleinste Nebenrollen überzeugenden Besetzung mit charismatischen Darstellern aus der Region zu verdanken, die selbst stereotype Randfiguren mit entwaffnender Vitalität erfüllen.

    Fazit: Markus Gollers bayerische Dorfkomödie nach dem Roman von Andrea Sixt ist eine hübsch fotografierte und mit eingängiger Musik untermalte Heimatfarce mit sympathischen Figuren, die den irreführenden Trailer Lügen straft.

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