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    Wie beim ersten Mal
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wie beim ersten Mal
    Von Andreas Staben

    Obwohl die Anzahl älterer Kinogänger stetig wächst, werden Menschen über 50 oder gar über 60 selten zu Hauptfiguren in großen Hollywood-Produktionen gemacht. Wenn das doch einmal passiert, dann tun sie wie die Action-Opis aus „The Expendables 2" oft einfach so, als hätte sich in den vergangenen 20 Jahren kaum etwas geändert. Selbst in Komödien wie „Was das Herz begehrt" und „Wenn Liebe so einfach wäre", die im Gegensatz zum Söldner-Spektakel um Stallone und Schwarzenegger durchaus auch an das reifere Publikum gerichtet sind, verhalten sich die Alten oft ausgesprochen kindisch. Mit einem Auge schielen Produzenten und Marketingstrategen offenbar immer auf die jüngere Mehrheit der Zuschauer, denen sie reife Geschichten mit reifen Figuren nicht ohne Weiteres zumuten mögen. Und so ist es womöglich kein Zufall, dass David Frankels Ü60-Ehekomödie „Hope Springs" in Deutschland mit „Wie beim ersten Mal" einen Titel erhalten hat, der stark an Judd Apatows „Beim ersten Mal" erinnert und damit an ein Kino voller spätpubertärer Zoten. Tatsächlich versucht Frankel, seine im Kern ernste Geschichte mit Ausflügen in seichte und schlüpfrige Humorgefilde abzufedern, die ihr nicht unbedingt guttun. Einzig die beiden exzellenten Hauptdarsteller Meryl Streep und Tommy Lee Jones lösen das Versprechen auf unterhaltsames Erwachsenenkino ein und zeigen reife Leistungen.

    Arnold (Tommy Lee Jones) und Kay Soames (Meryl Streep) sind seit 31 Jahren verheiratet und bewohnen ein hübsches Haus in Omaha, Nebraska. Die Kinder sind längst erwachsen, die Ehe des Buchhalters und der Hausfrau mit dem Nebenjob in einer Boutique ist von Routine geprägt: Sie bereitet ihm das Frühstück, nach dem Büro folgt das gemeinsame Abendessen, schließlich schläft er vor dem Fernseher ein – die Nächte werden in getrennten Schlafzimmern verbracht. Doch damit ist Kay nicht mehr zufrieden. In einer Buchhandlung findet sie den Ratgeber des Psychologen Dr. Edward Feld (Steve Carell), der in seiner Praxis in Maine auch Paartherapiesitzungen anbietet. Als Kay ihrem Mann vorschlägt, daran teilzunehmen, ist der entsetzt und lehnt kategorisch ab. So etwas hätten sie nicht nötig. Seine Frau aber ist fest entschlossen, opfert ihr Erspartes und bucht zwei Flüge nach Maine. In letzter Sekunde überlegt auch Arnold es sich anders, doch als sie auf Dr. Felds Couch sitzen und der laute intime Fragen nach ihrem Sexleben stellt, bereut er seine Entscheidung...

    Seien es die Dating-Tipps aus „Denk wie ein Mann" oder die Schwangerschaftshilfe in „Was passiert, wenn's passiert ist" - Hollywood weiß Rat in allen Lebenslagen. Auch in „Wie beim ersten Mal" dürfen sich Mann und Frau aller Altersgruppen wiedererkennen und verstanden fühlen. Dabei handelt es sich bei dieser kollektiven Ehetherapie ausnahmsweise nicht um eine Ratgeberverfilmung, aber wir alle sitzen mit auf der Couch, wenn der stets sachliche und dennoch einfühlsame Dr. Feld (Steve Carell ist die Verkörperung sympathischer Professionalität) wissen will: Wie oft haben Sie Sex? Wie tun Sie es am liebsten? Welche geheimen Fantasien haben Sie? Er ermutigt Kay und Arnold, sich einander zu öffnen, sich schrittweise wieder näherzukommen und gibt ihnen entsprechende Aufgaben. So schematisch wie Frankel sowohl die Eheroutine der Soames‘, als auch die Therapie präsentiert, ist das alles allerdings oft geradezu banal. Immer wieder schnarcht Arnold beim Golfgucken ein, immer wieder lächelt Kay tapfer über die Nichtbeachtung hinweg und auf Dr. Felds Sofa sitzt das Paar zunächst an den entgegengesetzten Enden, ehe es im Lauf der Zeit in der Mitte zusammenrückt. Und wenn Sprach-, Verständnis- und Hilflosigkeit doch einmal zu einer übermächtigen bitteren Realität zu werden drohen, dann wird einfach mit eklatant offensichtlich eingesetzter Popmusiksoße nachgesüßt – von „Let's Stay Together" über „It Ain't Over 'Til It's Over" bis zu Annie Lenox‘ „Why".

    „Wie beim ersten Mal" soll die Leichtigkeit einer Komödie und die Ernsthaftigkeit eines Dramas zugleich haben, dabei ist der Film immer dann am besten, wenn auf den allzu oft aufgesetzt wirkenden Humor verzichtet wird. So trimmt Regisseur David Frankel („Der Teufel trägt Prada", „Marley & ich") das Ende unnötigerweise mit einem schalen Gag über einen flotten Dreier mit der Nachbarin auf komisch, Ähnliches gilt für Kays Versuch, Arnold in einem Kino oral zu befriedigen. Hier zeigt sich allerdings auch die Klasse der Hauptdarsteller. Die dreifache Oscar-Preisträgerin Meryl Streep beweist einmal mehr, dass sie wirklich alles spielen kann und nachdem sie zuletzt eine Premierministerin, eine Koch-Ikone und eine Modezicke verkörperte, glänzt sie auch als ganz normale Hausfrau. Sie lässt Kays stille Verzweiflung, ihren tapferen Trotz und ihre rührende Unsicherheit spüren. Fast noch eindrucksvoller ist die Leistung von Tommy Lee Jones („Auf der Flucht", „Men in Black"), den wir sonst als kernigen Kerl kennen. Arnold erscheint mit seinem Desinteresse, seinem Egoismus und seiner Verbohrtheit als der Alleinschuldige an der Ehemisere, aber Jones geht unter die Oberfläche des grummelig-motzigen Haustyrannen und zeigt uns einen tief verunsicherten Mann, der ohne Absicht in eine fatale Routine geraten ist und schlicht Angst vor Veränderungen hat. Gemeinsam zeigen uns Streep und Jones Spuren jenes wahrhaftigen Films über wirkliche menschliche Probleme, der „Wie beim ersten Mal" hätte sein können.

    Fazit: „Wie beim ersten Mal" ist als Komödie über die Probleme des Ehealltags der Generation über 60 nicht wirklich gelungen, aber die meisterlichen Hauptdarsteller Meryl Streep und Tommy Lee Jones verwandeln den Film in seinen besten Momenten in ein gefühlvolles Charakterdrama.

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