Mein Konto
    Tanz der Teufel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Tanz der Teufel
    Von Björn Helbig

    Schon als der damals 23 Jahre alte Sam Raimi seinen Film „Tanz der Teufel” dem Publikum in Cannes präsentierte, gingen die Reaktionen auseinander. Mancher konnte mit dem Splatterwerk, das sich vor seinen Augen auftat, so gar nichts anfangen. Andere vermuteten sofort, dass der junge Sam Raimi ein Ausnahmetalent und sein erster Langfilm alles andere als uninspirierter Horrorschund sei. Die letztere Gruppe sollte Recht behalten. Heute ist Raimi einer der angesehensten Regisseure, dessen Schaffen nicht nur im Horrorgenre stilbildend ist. „Tanz der Teufel“ war lediglich der erste Beweis seiner Könnerschaft.

    Die fünf Freunde Ash (Bruce Campbell), seine Freundin Linda (Betsy Baker), seine Schwester Cheryl (Ellen Sandweiss) sowie das Pärchen Scott (Richard DeManincor) und Shelly (Theresa Tilly) machen Urlaub in einer abgelegenen Hütte im Wald. In deren Keller entdecken sie ein Buch und ein Tonbandgerät. Auf letzterem befinden sich die Tagebuchaufzeichnungen des vormaligen Bewohners, eines Wissenschaftlers, der berichtet, dass es sich bei dem Buch um das sagenumwobene „Necronomicon ex mortis“ handelt, das Beschwörungsformeln für Dämonen enthalte. Daraufhin folgen ebensolche Formeln und was dann passiert, hätten sich weder die fünf Freunde noch das Publikum in Cannes in ihren blutigsten Träumen vorzustellen gewagt...

    „You bastards! Why are you torturing me like this? Why?“ (Ash)

    Sam Raimi (Die Killer-Akademie, Darkman, Armee der Finsternis, Schneller als der Tod, Spider-Man, Spider-Man 2), Jahrgang 1959, drehte seine ersten 8mm-Filme schon im Kindesalter, wobei die Quelle der Inspiration nach eigenen Angaben seine umfangreiche Comic-Sammlung war. Mit seinen Freunden Robert Tapert, der als Produzent fungierte, und Bruce Campbell drehte Raimi 1978 zunächst einen dem späteren „Tanz der Teufel“ sehr ähnlichen Kurzfilm „Within The Woods“. Damit erhoffte man sich, das nötige Geld für einen größeren Film einzuspielen. Das hat zwar nicht geklappt, aber der Langfilm kam dann trotzdem zustande. Alles Weitere ist Geschichte. „Tanz der Teufel“ wurde schnell zum Kultfilm. Die Exklusivität des Films wurde noch verstärkt, als die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) 1983 den Film indizierte und ein Jahr später sogar beschlagnahmen ließ. Erst 1995 durfte das Werk nach einem Klagemarathon, der bis vor das Bundesverfassungsgericht ging, in einer um zwei Minuten gekürzten Version wieder herausgebracht werden.

    Es ist erstaunlich, was Raimi mit seinen minimalen Zutaten geschaffen hat: Wald, Hütte, Necronomicon, Dämonen, Schrotflinte, Motorsäge – fertig ist das Grundgerüst für einen exzellenten Splatterfilm. Dazu brauchte er nicht einmal gute Schauspieler. Zum Stichwort „Necronomicon“: Dieses spielt in allen drei Teilen von „Tanz der Teufel“ eine wichtige Rolle. Das fiktive Buch geht zurück auf ein Essay des US-amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft („History of the Necronomicon“, 1927). Das mit Blut geschriebene und in Menschenhaut gebundene Buch der Toten enthält im Film uralte Begräbniszeremonien und Dämonenbeschwörungen. Durch lautes Sprechen dieser Formeln erwachen die Dämonen und nehmen von den Menschen Besitz. Und das erleben die Protagonisten des Films auch auf ziemlich unschöne Weise. Unter Horrorgesichtspunkten holt Raimi jedenfalls nicht nur alles aus dem Genre heraus, er schaffte es auch, selbiges um etliche Motive und Techniken zu erweitern. Vor allem zu erwähnen sind da Raimis berühmte Kamerafahrten mit der so genannte „Shakycam“. Hierzu wurde eine Kamera auf ein Brett geschnallt und durch den Wald bzw. durch die Hütte gezogen oder getragen und das Ergebnis hinterher mit veränderter Geschwindigkeit abgespielt. Diese Technik wurde eines von Ramis Markenzeichen. Bei „Tanz der Teufel“ findet sie vor allem Verwendung, um die Welt aus der Sicht des im Wald lebenden Bösen zu illustrieren.

    „Tanz der Teufel“ ist aber nicht nur eine Aneinanderreihung von starken Szenen (z.B. beim Kartenlegen oder Ashs Blickduell mit Linda), der Film kann darüber hinaus auch mit einem atmosphärischen Gesamtkonzept aufwarten. Der Wald und vor allem die Hütte haben von Anfang an eine äußerst bedrohlich Ausstrahlung, die durch die Entdeckung der Kellergewölbe noch verstärkt wird. Auch als es nach dem Abspielen der Beschwörungsformel zur Sache geht, schafft es der Film, die klaustrophobische Situation weiter am Leben zu erhalten und sich nicht im Gesplattere zu verlieren. Zwar wird gebissen, gekratzt, zerhackt und geschossen, was das Zeug hält, doch die brutalen Szenen sind ebenfalls sehr gekonnt umgesetzt. Trotz des offensichtlichen Augenzwinkerns haben sie auch heute noch nichts von ihrer Intensität eingebüßt. In diesem Zusammenhang sollen auch die tollen maskenbildnerischen Leistungen hervorgehoben werden, die den Besessenen einen einmalig schaurig-skurrilen Look verpassen.

    „I know now that my wife has become host to a Candarian demon. I fear that the only way to stop those possessed by the spirits of the book is through the act of... bodily dismemberment.” (ein toller Tipp vom Tonband)

    Eine Diskussion über die Frei- bzw. Unfreiwilligkeit der Komik einiger Splattersequenzen dürfte angesichts der Entwicklung, welche die „Tanz der Teufel“-Trilogie genommen hat, überflüssig sein. (Hierzu empfiehlt es sich, einmal den Audiokommentar der DVD zu hören.) Doch trotz des Schalks, der Raimi & Co bei „Tanz der Teufel“ geritten hat, ist der rohe Erstling trotzdem nichts für Leute mit schwachen Nerven. Natürlich steht es zusätzlich außer Frage, dass die Effekte mittlerweile ein Vierteljahrhundert alt sind und dass nur ein kleines Budget zur Verfügung stand. Und das sieht man auch. Was den Machern trotz des geringen finanziellen Handlungsspielraums alles gelang, zeugt aber von deren Enthusiasmus. Die Vielzahl der Einfälle, die der Regisseur und sein Team bei „Tanz der Teufel“ unterbringen, erstaunen immer wieder auf’s Neue. Doch obwohl der Film ein wahres Ideenfeuerwerk ist, sollte es Raimi mit dem zweiten Teil der Trilogie gelingen, noch einen drauf zu setzen. 1987 erschien „Tanz der Teufel 2“. Der deutsche Untertitel lautete „Jetzt wird noch mehr getanzt.“ Dort bittet Antiheld Ash die Dämonen der Finsternis auf schrecklich komische Weise nicht zum letzten, aber zum besten Mal zum Tänzchen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top