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    Mr. Collins' zweiter Frühling
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mr. Collins' zweiter Frühling
    Von Asokan Nirmalarajah

    Lange galt Al Pacino neben Robert De Niro als nahezu unfehlbare Koryphäen der Schauspielkunst. Die zwei New Yorker Vorzeigeschüler des Method Acting feierten ihren Durchbruch in den ersten zwei „Der Pate“-Filmen und festigten anschließend trotz gelegentlicher Fehltritte ihren Ruf als wandelbare und detailbesessene Charakterdarsteller. Doch nach dem Jahr 2000 wurden ihre Kinoprojekte tendenziell mittelmäßiger, ihre Auftritte beliebiger und ihre Figuren eindimensionaler: Die beiden Oscar-Preisträger verkauften sich immer wieder unter Wert – wobei es trotzdem gelegentliche Lichtblicke zu verzeichnen gab. De Niro ließ in der Zusammenarbeit mit David O. Russell („Silver Linings Playbook“, „Joy“) seine frühere Intensität aufblitzen, während Pacino in Fernsehfilmen wie „Angels in America“ glänzte. Und nun spielt dieser in der Tragikomödie „Mr. Collins‘ zweiter Frühling“, dem ungemein charmanten, wohlig menschelnden Regieeinstand des Drehbuchautors Dan Fogelman („Cars“, „Crazy Stupid Love“), seine wohl beste Leinwandrolle seit den Zeiten von „The Insider“, „An jedem verdammten Sonntag“ und „Insomnia“. Da ist es umso bedauerlicher, dass das exzellent besetzte und geistreich geschriebene Musikerdrama nicht auch in Deutschland im Kino zu sehen ist.    

    Danny Collins (Al Pacino) ist ein ergrauter Schmuserocker, der sich dem Alkohol, den Drogen und dem Luxusleben hingibt  - samt seiner viel zu jungen Verlobten Sophie (Katarina Cas). Um dieses extravagante Dasein zu finanzieren, muss er für die Fans die alten Hits aufwärmen. Doch dann bekommt Danny zum 64. Geburtstag von seinem Manager Grubman (Christopher Plummer) einen 40 Jahre alten Brief geschenkt, der den Sänger nie erreicht hat. Der Absender: John Lennon. In dem Schreiben wollte der Ex-Beatle den Musikerkollegen Collins zu mehr künstlerischem Wagemut inspirieren, der ihn aber nie erreicht hat. Nach der Lektüre durchlebt Danny eine schlaflose Nacht und beschließt, wieder ein ernstzunehmender Songwriter zu werden und auch in seinem Privatleben aufzuräumen. Er nimmt sich ein Zimmer im Hilton, wo er der Hotelmanagerin Mary Sinclair (Annette Bening) schöne Augen macht. Und er bemüht sich darum, von seinem unehelichen Sohn Tom (Bobby Cannavale) und seiner Schwiegertochter Samantha (Jennifer Garner) sowie der ganzen Familie akzeptiert zu werden …

    So konventionell und vorhersehbar die Handlung in der Zusammenfassung auch klingen mag, die Ausgestaltung im Film ist überraschend frisch, amüsant und berührend. Zwar wirkt

    Dan Fogelmans Drehbuch - das übrigens auf einer wahren Begebenheit basiert, die dem englischen Folk-Sänger Steve Tilston widerfahren ist - stellenweise arg konstruiert und plump symbolisch (muss Danny Collins‘ Enkelin unbedingt Hope heißen, damit er an passender Stelle Hallo und Tschüss zur „Hoffnung“ sagen kann?), doch steckt es zugleich voller geistreicher und glaubwürdiger Dialogszenen. Und von denen lebt dieser bescheidene und unaufgeregte Schauspielerfilm. Alle Figuren des mal melancholischen, mal lebensfrohen Musikerdramas sind namhaft besetzt und liebevoll gestaltet. Al Pacino zeigt in der mal traurigen, mal absurden Rolle des reumütigen Altrockers so viel ungezügelte Spielfreude und doppelbödigen Charme wie seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr (und erhielt dafür eine verdiente Golden-Globe-Nominierung). Annette Bening („American Beauty“) wiederum liefert sich mit ihm als distanzierte, aber interessierte Sparringspartnerin wunderbar schlagfertige Wortduelle in bester Screwball-Comedy-Tradition, während Christopher Plummer („Beginners“) als altersweiser, abgebrühter Manager glänzt.

    Gute Noten verdienen sich neben Jennifer Garner („Dallas Buyers Club“) auch die beiden  Fernsehstars Josh Peck (aus „Josh & Drake“) und Melissa Benoist (das aktuelle „Supergirl“) in kleineren Rollen. Ein überaus starkes Ensemble trägt „Mr. Collins‘ zweiter Frühling“ und eine  herausragende Leistung zeigt dabei Bobby Cannavale („Boardwalk Empire“), auf dessen Engagement Al Pacino explizit bestand. Als Dannys Sohn Tom spielt Cannavale die widerstreitenden Gedanken und Gefühle, die das ambivalente Verhältnis der beiden prägen, minutiös aus und erst diese Genauigkeit macht das Ende des Films so ergreifend. Hier wird nicht von großen Veränderungen erzählt, sondern von kleinen Annäherungen beim schwierigen Versuch, ein besseres Leben zu führen. So wird aus „Mr. Collins‘ zweiter Frühling“ ein gerade in seiner Bescheidenheit sympathischer Film zum Mitfühlen und Mitfiebern.

    Fazit: Al Pacino konnte uns lange nicht mehr so für eine seiner Leinwandfiguren begeistern wie für „Mr. Collins“, einen sympathischen Kauz voller Fehler und guter Absichten, der in diesem durchweg wohltemperierten und liebenswert gestalteten Film eine würdige Bühne findet.

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