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    69 Tage Hoffnung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    69 Tage Hoffnung
    Von Asokan Nirmalarajah

    Wer 69 Tage lang in einer Mine verschüttet ist, hat viel Zeit zum Nachdenken. Etwa darüber, was passiert, sollte man wider Erwarten doch noch von den Behörden aus dem Höllenloch befreit werden. So geschehen 2010 in Chile, als eine Gruppe von 33  Arbeitern in einer alten Kupfer- und Goldmine in San José festsaß. Als die Rettungseinheit das scheinbar Unmögliche vollbrachte und Kontakt zu den unter der Erde Gefangenen herstellte, schlossen die fast verhungerten Männer angesichts der großen Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit einen Pakt: Ihre Geschichte sollte fair erzählt und verwertet werden. Das Ergebnis war der Bestseller „Deep Down Dark“ des Journalisten Hector Tobar, sein Faktenroman bildete wiederum die Vorlage für die starbesetzte Verfilmung des Überlebensdramas durch die  mexikanische Regisseurin Patricia Riggen („La Misma Luna“). Bei allem Bemühen um Ausgewogenheit und trotz des sichtlichen Engagements der Darsteller ist „60 Tage Hoffnung“ allerdings nicht mehr als ein konventioneller Katastrophenfilm mit einem klischeedurchsetzten Drehbuch.

    Es ist ein Tag wie jeder andere: Unter der Führung des Sicherheitsmanns Luis (Lou Diamond Phillips) bricht eine Gruppe von Minenarbeitern aus der chilenischen Wüstenstadt Copiapó auf, um in der Mine von San José ihrem Job nachzugehen. Doch Luis‘ Befürchtungen, dessen Warnungen über Sicherheitslücken bislang bei den Firmenvertretern auf taube Ohren stießen, werden wahr, als die Mine einbricht. 33 Männer können sich in einen Rettungsraum mit minimalem Proviant flüchten, aber das Funkgerät funktioniert nicht und die einzige Fluchttreppe an die Oberfläche hört mittendrin auf: Die Arbeitgeber haben überall an der Sicherheit gespart. Mario (Antonio Banderas) sorgt dafür, dass die mit ihm verschütteten Kollegen die Ruhe bewahren, während die Familien der Männer draußen Druck auf die Firma und auf die chilenische Regierung machen. Es beginnt eine dramatische Rettungsaktion…

    Bei vielen Dramen nach bekannten wahren Begebenheiten tut es der Spannung keinen Abbruch, dass die Zuschauer schon vorher wissen, wie das Ganze ausgeht. Das ist bei „69 Tage Hoffnung“ allerdings etwas anders: Während ihre Kollegen etwa bei „Apollo 13“, „Titanic“ oder auch „Der Sturm“ mit einer geschickten Dramaturgie, lebhaften Figuren und fesselnder Inszenierung oft sogar eine besonders große Wirkung erzielen, schöpft Regisseurin Patricia Riggen das Potential des schlagzeilenmachenden Ereignisses bei weitem nicht aus. Da hilft es ihr auch wenig, dass sie mit James Horner („Braveheart“, „Avatar“) einen der Erfolgsgaranten der drei genannten Beispielfilme unter ihren Mitstreitern hatte. Der im Juni 2015 tödlich verunglückte Komponist schuf für „69 Tage Hoffnung“ eine seiner letzten Filmmusiken, erreicht aber trotz gewohnt eingängiger Themen und sehr stimmungsvoller einzelner Passagen nicht sein bestes Niveau. Außerdem wirkt es zuweilen so, als sollte die Musik im Alleingang für die Emotionen sorgen, die dem Film ansonsten fehlen, was allerdings nur dazu führt, dass Horners Arbeit hier oft übertrieben melodramatisch und falsch klingt.

    Kameramann Checco Varese („Prom Night“) findet zwar beklemmende Bilder für den Überlebenskampf der Männer - überhaupt befindet sich die ganze Produktion abgesehen von den eher unterdurchschnittlichen Spezialeffekten beim Einsturz der Mine technisch auf einem solidem Hollywood-Niveau -, aber den visuellen Qualitäten stehen deutliche erzählerische Schwächen gegenüber. So werden aus den realen Vorbildern der Verschütteten schablonenhafte Filmfiguren ohne Eigenständigkeit (der Frauenheld, der Elvis-Imitator, der Schweigsame, der Familienvater). Dagegen kommt auch die internationale Besetzung nicht wirklich an, obwohl sich vor allem Antonio Banderas („Die Maske des Zorro“) und Lou Diamond Phillips („Young Guns“) mit viel Elan in ihre Rollen werfen. Doch auch sie können dem schematisch wirkenden Geschehen nicht wirklich Leben einhauchen, denn die verbürgten dramatischen Einzel-Episoden aus diesen 69 langen Tage fügen sich nie zu einem organischen Spannungsbogen. So ragt letztlich nur die Sequenz heraus, in der sich die verhungernden Männer ihrer Fantasie hingeben und sich ein gemeinsames Festmahl vorstellen, das opulent bebildert wird.  

    Fazit: In „69 Tage Hoffnung“ wird der wundersame Überlebenskampf von 33 Minenarbeitern in Chile nacherzählt, doch der schematische und erstaunlich wenig spannende Film wird den dramatischen Ereignissen, die 2010 weltweit für Schlagzeilen sorgten, kaum gerecht.

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