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    Wandlungen - Richard Wilhelm und das I Ging
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wandlungen - Richard Wilhelm und das I Ging
    Von Robert Cherkowski

    Wer sich in unseren Breitengraden jemals mit fernöstlicher Philosophie auseinandergesetzt hat, der wird - bewusst oder unbewusst - auch mit Richard Wilhelm in Berührung gekommen sein. Wilhelm, den es 1899 als christlicher Missionar nach China verschlug, hat die Schriften des Daoismus-Begründers Laotse ins Deutsche übersetzt und dem östlichen Glauben seinerzeit mit die Türen des Westens geöffnet. Zwar wurde Wilhelms Engagement seinerzeit eher belächelt, doch die Zeit hat ihm Recht gegeben und mit Fug und Recht darf er heute als ein Wegbereiter interkultureller Verständigung und religiöser Aufgeschlossenheit bezeichnet werden. Seine Enkelin, die Filmemacherin Bettina Wilhelm, hat sich seines bewegten Lebens angenommen und errichtet ihrem Großvater, den sie selbst nie kennenlernte, nun mit „Wandlungen – Richard Wilhelm und das I Ging" ein angenehm anzuschauendes, thematisch jedoch oberflächliches dokumentarisches Denkmal.

    Die „Wandlungen", auf die der Titel anspielt, haben mehrere Bedeutungen. Natürlich geht es zum einen um das „I Ging", also das „Buch der Wandlungen" selbst, doch gleichzeitig ist auch der Wandel des frommen Evangelisten Wilhelm hin zur östlichen Philosophie gemeint. Diese individuelle Veränderung fand zudem vor dem Hintergrund politischer und historischer Umwälzungen statt, die Richard Wilhelm in der Übergangszeit vom 19. zum 20. Jahrhundert hautnah miterlebte –genannt seien der Boxeraufstand und die humanitären Katastrophen im China jener Zeit. Zu diesen Verwandlungen kommt schließlich noch eine Wandlung anderer Art, denn Bettina Wilhelm wandelt in den Fußstapfen ihres Großvaters, indem sie den Stationen seines Lebens Besuche abstattet. Leider stellt sie sich dabei das ein oder andere Mal zu sehr selbst in den Mittelpunkt und rennt dazu inhaltlich die meiste Zeit offene Türen ein: Wer sich vorher gar nicht mit dem Schaffen Richard Wilhelms auseinandergesetzt hat, der wird nach ein paar Minuten Wikipedia-Recherche womöglich mehr wissen als nach 87 Minuten „Wandlungen".

    Bettina Wilhelm versucht das Konzept des „I Ging" gleichsam zwischen Tür und Angel zu erklären und scheitert an dieser Beiläufigkeit. Zwar zieht sie Wissenschaftler und Experten zu Rate, aber die Zeit und auch das Niveau ihrer Befragung reicht oft nur dazu aus, dem Zuschauer zu versichern, dass das „I Ging" höchst bedeutsam sei und selbst die größten Denker oft ein ganzes Leben gebraucht hätten, es auch nur annähernd zu verstehen. So pendelt Bettina Wilhelm etwas unentschlossen zwischen dem Bemühen, Interesse für die religiösen und philosophischen Aspekte ihres Stoffes zu wecken, und einer arg konventionellen Lebenslauf-Dokumentation mit reichlich historischen Fotos und noch mehr erklärendem Off-Kommentar. Wirklich zwingend gerät diese Mischung nicht und bisweilen wirkt die Montage gar etwas willkürlich und die Zusammenhänge sind nicht mehr wirklich nachvollziehbar.

    Trotz der genannten Einschränkungen ist „Wandlungen" ein durchaus gefälliger Film, was vor allem dem gemächlichen Erzähltempo zu verdanken ist. Wer die Ruhe und die nötige Aufgeschlossenheit mitbringt, der kann sich von der durch die ruhig-sonore Stimme von Sylvester Groth („Whisky mit Wodka", „Inglorious Basterds"), der den Kommentar des Films spricht, noch unterstrichene Langsamkeit in einen fast hypnotischen Zustand versetzen lassen. Hier wird indirekt fast so etwas wie fernöstliche Gelassenheit vermittelt, die wiederum beinahe vergessen lässt, dass es hier thematisch nicht viel sagenhaft Neues zu entdecken gibt.

    Fazit: Wer sich eine tiefschürfende oder kunstvolle Auseinandersetzung mit dem Wirken Richard Wilhelms erhofft, der wird von der filmischen Skizze seiner Enkelin enttäuscht sein. Für allgemein an der Person Wilhelm Interessierte und für Laotse-Neulinge jedoch ist „Wandlungen" als sanfter Einstieg durchaus empfehlenswert.

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