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    Paranormal Activity 4
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Paranormal Activity 4
    Von Tim Slagman

    Ein kleiner Junge radelt durchs Haus. Klack, klack, klack macht es auf den Dielen und die dicken Teppiche verschlingen das Fahrgeräusch vollständig. Es ist schon bemerkenswert, dass die Regisseure Henry Joost und Ariel Schulman in ihrer Horror-Fortsetzung „Paranormal Activity 4" ausgerechnet eine Szene aus „Shining" zitieren. Denn Stanley Kubrick wurde seinerzeit vorgeworfen, er habe in seinem Film eher die Mechanismen des Horrorgenres abstrakt reflektiert, statt den Zuschauer mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt zu nehmen. Das immens erfolgreiche Found-Footage-Franchise „Paranormal Activity" aber funktioniert seit jeher genau umgekehrt. Hier wird auf allen erzählerischen Ballast verzichtet, um höchst effektiv an Urängste zu rühren. Schatten, Dunkelheit, belebte Gegenstände, das Ausgeliefertsein des Schlafenden – der Schrecken ist elementar. Im vierten Teil allerdings hat diese Technik einiges von ihrer Schockwirkung verloren – auch deshalb, weil die Filmemacher ihr Publikum allzu oft gezielt auf falsche Fährten locken.

    Fünf Jahre, nachdem Katie (Katie Featherston), von einem Dämon besessen, ihren Freund, ihre Schwester und deren Ehemann umgebracht und ihren Neffen Hunter ins Unbekannte entführt hat, steht plötzlich der kleine Robbie (Brady Allen) vor der Tür einer klassischen All-American-Family in einer namenlosen Kleinstadt. Seine Mutter ist angeblich im Krankenhaus, und Robbie freundet sich schnell mit dem gleichaltrigen Wyatt (Aiden Lovekamp) an. Als unerklärliche Dinge im Haus geschehen, sind Teenie-Tochter Alice (Kathryn Newton) und ihr Freund Alex (Matt Shively) die ersten, die das Unheil wittern.

    Der Plot schließt an die Geschehnisse aus „Paranormal Activity 2" an, aber mal ehrlich: Die Geschichte ist auch dieses Mal eher zum Vergessen, viele Fragen bleiben offen, die innere Logik der Handlung erweist sich als dünn. In den „Paranormal Activity"-Filmen ging es immer schon um etwas anderes, scheinbar ganz einfaches: Spannung, Schock, Suspense. Was haben sich die Regisseure also dieses Mal einfallen lassen, um die Zuschauer in den Bann zu schlagen, welche neuen Tricks und Techniken setzen sie für ihre Horror-Zwecke ein? Da ist zum einen die auf einer Spielkonsole angebrachte Kinect-Kamera. Sie überzieht das nächtliche Wohnzimmer mit einem weißen und grünen Pixelraster, in dem Körper wunderbar chamäleonhaft mit dem Hintergrund verschmelzen können – bis sie sich plötzlich von der Wand oder aus dem Sofa schälen und sich langsam und bedrohlich in Bewegung setzen. Und da ist eine Webcam, die Video-Chats aufzeichnet, also den Gesprächspartner und einen Teil des Raumes hinter ihm. Doch damit fangen die Probleme der Inszenierung an.

    Der radikal objektive Blick der Überwachungskamera, die all das Lauern, Anschleichen und Schlachten vor ihrem Auge ungerührt aufzeichnet, ist konsequent eingesetzt eines der wirkungsmächtigsten Instrumente im Found-Footage-Genre. Die Illusion einer Welt soll da entstehen, die es auch gäbe, wenn keine Kameras da wären. Doch diese Prämisse scheint Joost und Schulman anders als noch bei dem ebenfalls von ihnen inszenierten „Paranormal Activity 3" wenig zu interessieren. Sie verlassen sich weitgehend auf das klassische Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst", indem sie dem Kinopublikum einen Wissensvorsprung vor den Filmfiguren verschaffen. Das funktioniert immer noch leidlich gut, selbst wenn sich die Filmemacher gelegentlich im Mischmasch der Aufnahmen der unterschiedlichen Kameras verheddern und ihnen nur selten ein origineller Dreh zu einer Situation einfällt.

    In kaum einem anderen Genrefilm und in keinem Vorgänger aus der Reihe laufen die Erwartungen der Zuschauer so oft ins Leere wie hier. Die Regisseure streuen an allen Ecken und Enden Hinweise, sie führen Details ein, die zumindest Horrorfans als bedeutsam erkennen müssen – und lassen diese im weiteren Verlauf des Films links liegen. Spätestens, wenn sie einen der ältesten Tricks des Genres aus dem Hut ziehen – die Katze, die für ein ach so bedrohliches Geräusch verantwortlich war – bleibt kein Zweifel mehr: Dieses lustvolle Unterlaufen der Standardsituationen ist Methode. Suspense, so die berühmte Definition von Alfred Hitchcock, entstehe dann, wenn die Zuschauer wüssten, dass sich in einem Raum eine scharfe Bombe unter dem Tisch befindet und nägelkauend die Sekunden bis zur Explosion zählen. Joost und Schulman platzieren in diesem Sinne eine Bombe nach der anderen - und dann zünden sie die meisten gar nicht. Man kann es auch so formulieren: Sie haben die selbstreflexive Variation eines „Paranormal Activity"-Films gedreht – und das recht kenntnisreich und mit viel Sorgfalt.

    Fazit: Selbstreflexives Gedankenspiel statt handfestem Horror: In „Paranormal Activity 4" spielt die bewährte Mischung aus Suspense und Schock, für die die Reihe berühmt ist, nur noch eine untergeordnete Rolle, denn die Filmemacher unterlaufen genüsslich und durchaus clever die Mechanismen des Genres.

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