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    Violinissimo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Violinissimo
    Von Andreas Staben

    Musikwettbewerbe seien im Prinzip widersinnig, so heißt es mehr als einmal in Radek Wegrzyns und Stephan Anspichlers Dokumentation „Violinissimo" über drei Teilnehmer an einem renommierten und hochdotierten Geiger-Wettstreit. Und es ist gar nicht nötig, an Veranstaltungen wie „Deutschland sucht den Superstar" zu denken, um dieser Einschätzung grundsätzlich zuzustimmen. Individuelle künstlerische Leistungen zu vergleichen und in eine wertende Reihenfolge zu bringen ist immer eine heikle Angelegenheit. Das illustriert das Regisseursduo auf sinnfällige Weise, indem es die ausgewählten jungen Musiker einander direkt gegenüberstellt und gerade dadurch ihre jeweilige Eigenständigkeit unterstreicht. Der Violin-Wettbewerb ist so letztlich nur der Anlass und der Rahmen für das feinfühlige Porträt dreier junger Künstlerpersönlichkeiten. Ihre Kunst selbst - das Geigenspiel und die Musik - wird dabei allerdings nicht unbedingt zu nachhaltiger Wirkung gebracht.

    Der „Internationale Joseph Joachim Violinwettbewerb, Hannover" findet seit 1991 alle drei Jahre in der niedersächsischen Landeshauptstadt statt. 35 junge Geiger im Alter von 16 bis 28 Jahren spielen über zwei Wochen in fünf Runden die Preisträger aus, die neben einem Scheck auch Konzertengagements und eine wertvolle alte Geige als Leihgabe gewinnen können. Bei der Ausgabe des Jahres 2009 haben sich die Regisseure vor Beginn des Wettbewerbs drei der Nachwuchsmusiker aus dem Teilnehmerfeld für ihren Film ausgesucht. Dieses Trio begleiten sie über die zwei Wochen in Hannover, ergänzend kommen Interviews und Impressionen aus der Heimat der Geiger dazu. Bei dieser Auswahl hatten Radek Wegrzyn und Stephan Anspichler ein glückliches Händchen, alle drei Porträtierten sind durchaus faszinierende Persönlichkeiten: Da ist zum einen das ehemalige Wunderkind, das sich nur wenige Tage vor einem karriereentscheidenden Konzert beim Basketball den Finger brach, da ist der junge Mann, der die seltene Chance hatte, auch während seiner Zeit beim israelischen Militär weiter Geige zu spielen und dabei entdeckte, wie wichtig ihm die Musik wirklich ist und da ist zu guter Letzt das hochbegabte Mädchen aus Frankreich, das nach einem einsamen Jahr in London beinahe alles aufgegeben hätte.

    Clara-Jumi Kang, Itamar Zorman und Solenne Paidassi erzählen uns in ihren eigenen Worten von ihrem Werdegang, ihren Träumen und Hoffnungen, von Rückschlägen und Enttäuschungen. Diese unaufdringlich geführten und in kurze Segmente aufgeteilten Interviews sind das Herzstück des Films. Im Zusammenschnitt mit den Selbstauskünften erhalten die Blicke hinter die Wettbewerbskulissen und auf die Konzertbühne individuelle Bedeutung – und wenn die Halbfinalauftritte der drei Protagonisten mit Mozarts Violinkonzert Nr. 4 in einer hervorragend montierten Sequenz übergangslos miteinander verschmelzen, dann lassen sich in den Interpretationen tatsächlich die verschiedenen Persönlichkeiten der einzelnen Musiker erahnen. Schwieriger ist dagegen die künstlerische Einordnung der gezeigten Darbietungen. Es gibt einige allgemeine und recht abstrakte Erklärungen über das Wesen der Musik sowie über die Erwartungen von Jurys, aber die Wettbewerbsentscheidungen sind genauso wie die Selbsteinschätzungen der Künstler anhand der präsentierten, meist sehr kurzen Auszüge höchstens für Experten nachvollziehbar. So wecken die Filmemacher zwar Interesse für die jungen Violinisten, aber nicht für ihre Musik und schon gar nicht für den Wettbewerb.

    Radek Wegrzyn hat vor „Violinissimo" nur den Spielfilm „Sommer auf dem Land" gedreht, während Stephan Anspichler („Egoiste: Lotti Latrous") bereits Dokumentarfilmerfahrung besaß. Diese unterschiedlichen Hintergründe finden im gemeinsamen Film durchaus ihren Niederschlag. Die beiden Regisseure folgen der Wettbewerbschronologie, sie behalten den durch die Abläufe vorgegebenen Spannungsbogen bei und verstärken ihn vor dem Erstrundenauftritt mit dramatischer Filmmusik sogar noch bis zur Übertreibung. Sie sind bei den Momenten der Anspannung und Entspannung hinter der Bühne dabei und auch, wenn die Namen derjenigen bekanntgegeben werden, die es in die nächste Runde schaffen. Aber als es zum großen Finale kommt, wird das Ergebnis lapidar in einer Texttafel mitgeteilt. Das ist ein wenig, als würde man eine Fußballübertragung mitten im Elfmeterschießen abbrechen und es wirkt wie ein plumper Versuch noch einmal mit Nachdruck daran zu erinnern, dass es in der Musik nicht in erster Linie ums Gewinnen oder Verlieren geht. Das haben die drei Protagonisten auf ihre Weise da schon längst viel eloquenter zum Ausdruck gebracht.

    Fazit: „Violinissimo" ist eine kurzweilige Dokumentation über drei junge Geiger bei einem Violinwettbewerb, wobei die individuellen Porträts deutlich mehr überzeugen als der Blick in die Welt der klassischen Musik.

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