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    Verräter wie wir
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Verräter wie wir
    Von Carsten Baumgardt

    Sechs Jahre arbeitete John le Carré für den britischen Geheimdienst MI5 - von 1958 bis 1964. Von den in dieser Zeit erworbenen Insiderkenntnissen zehrt der Bestsellerautor bis heute, auch wenn durchaus spürbar ist, dass ihm klassische Spionagegeschichten, wie er sie seit den heißen Zeiten des Kalten Krieges immer wieder erzählt hat, mehr liegen als die auf ganz andere Art vertrackten Polit- und Wirtschaftsskandale der Gegenwart. Dieser Unterschied zeigt sich auch in den Verfilmungen seiner Bücher: Waren zuletzt „A Most Wanted Man“ und „Dame, König, As, Spion“ auch im Kino grandios gelungene Dramen über Agenten alter Schule, weist Susanna Whites Thriller „Verräter wie wir“ deutliche Defizite auf – ganz wie die Vorlage, denn Le Carrés Roman aus dem Jahr 2010 zählt zu seinen schwächeren Werken. Die Winkelzüge der Handlung halten den Ansprüchen der puren Logik nicht immer stand und zuweilen bemühen auch die Filmemacher arg simple Klischees. Doch der Spannung tut das kaum Abbruch, sodass „Verräter wie wir“ unterm Strich auch dank der schicken Inszenierung und der gut aufgelegten Darsteller solide Unterhaltung bietet.

    Der Oxforder Poesie-Professor Perry (Ewan McGregor) und seine karrierebewusste Anwaltsfrau Gail (Naomie Harris) geraten im romantischen Liebesurlaub in Marrakesch in ein Komplott. Das gut situierte Pärchen will sich eigentlich von Perrys Affäre mit einer Studentin erholen, aber als die arbeitswütige Gail ihren Mann in einem teuren Restaurant zurücklässt, schließt der sich dem großspurigen russischen Geschäftsmann Dima (Stellan Skarsgård) und seinem Feier-Gefolge an. Der vierfache Vater ist der Buchhalter und Chef-Geldwäscher eines einflussreichen russischen Mafiaclans und will die neue Freundschaft zu Perry nutzen, um für sich und seine Familie den Ausstieg aus der Welt des Verbrechens zu arrangieren: Der Akademiker soll eine brisante Datenlieferung an den britischen Geheimdienst übergeben und Verhandlungen über die Übernahme des Russen in das Zeugenschutzprogramm einfädeln: Bei MI6-Agent Hector (Damian Lewis) ist Dima bald an der richtigen Adresse, denn der ist dem korrupten Politiker Aubrey Longrigg (Jeremy Northam) auf der Spur, der wiederum in Geldwäschegeschäfte mit der Russenmafia verstrickt sein soll. So heißt es also: Eine Hand wäscht die andere.

    Die Prämisse der ganzen Geschichte ist auch in der Drehbuchadaption von Hossein Amini („Drive“, „47 Ronin“) wenig glaubwürdig: Dass ein unbedarfter Professor sich nicht nur auf einen zwielichtigen Freund wie Dima einlässt, sondern auch noch bereitwillig bei einem Spionagekomplott mitmischt, wirkt genauso konstruiert wie es sich anhört. Auch die Haken und Fallstricke der Handlung sind nicht immer vollkommen plausibel (etwa wenn Dimas Tochter mit einem arglosen Handytelefon ein Todeskommando anlockt), zugleich sind alle wesentlichen Wendungen und Entwicklungen für Genrekenner leicht vorhersehbar. Trotzdem gibt es keinen Leerlauf, dafür sorgt Regisseurin Susanna White: Sie hält ihre Figuren immer in Bewegung und schickt sie auf eine Hetzjagd um den halben Globus, wobei Kameramann Anthony Dod Mantle („Slumdog Millionär“, „Rush“) die abwechslungsreichen Schauplätze – von Moskau und Marrakesch über London, Paris und Bern bis in die Schweizer Alpen – in exquisite Hochglanzbilder verpackt. Und mit dem mitreißend aufspielenden Stellan Skarsgård („Nymphomaniac“, „Der Medicus“) hat „Verräter wie wir“ einen noch beeindruckenderen Schauwert zu bieten.

    Mit Inbrunst gibt der schwedische Charakterdarsteller den Bilderbuch- und Vollblutrussen Dima und schält unter den Klischees von aufbrausendem Alphatier und wodkaseliger Krokodilstränen-Melancholie eine berührende echte Verletzlichkeit hervor. Der maskulin protzende Mafia-Zampano ist hier noch die vielschichtigste Figur und so verhandelt Regisseurin vor allem an seinem Beispiel Themen wie Ehre, Moral und Gewissen. Es ist kein Wunder, dass auch das englische (Krisen-)Ehepaar Perry und Gail, das zu Beginn des Films noch im Mittelpunkt des Geschehens steht, der Strahlkraft des rauen Russen erliegt und bald nur noch als Fluchthelferduo in der zweiten Reihe agiert. Insbesondere Ewan McGregor („Trainspotting“, „Star Wars I-III“) zeigt dabei als Unbeteiligter, der ähnlich wie in Alfred Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“ unschuldig in eine Verschwörung hineingezogen wird und lange gar nicht weiß, worum es überhaupt geht, eine souveräne Leistung. Und der charismatische Damian Lewis („Homeland“, „Königin der Wüste“) sorgt derweil als eigenwilliger MI6-Agent mit undurchsichtiger Agenda für willkommene Ecken und Kanten jenseits der Spionageklischees.  

    Fazit: Die John-le-Carré-Verfilmung „Verräter wie wir“ ist ein schicker und ansprechend gespielter Verschwörungsthriller, der wenig Neues bietet.

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