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    Come Out and Play - Kinder des Todes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Come Out and Play - Kinder des Todes
    Von Lars-Christian Daniels

    Narciso Ibáñez Serradors spanischer Horrorklassiker „Ein Kind zu töten…“ hat hierzulande eine wahre Odyssee hinter sich: In der Kinofassung der 70er Jahre und in der späteren Videoversion fehlte nicht nur der komplette Vorspann – der Film lief in den deutschen Kinos zudem noch unter dem unpassenden Titel „Scream“ und wurde später stark geschnitten und schwachsinnig in „Tödliche Befehle aus dem All“ umgetauft. In den 80er Jahren wurde die Videokassette schließlich indiziert und stand bis vor wenigen Jahren auf dem Index. Seit 2008 ist der Schocker aber in einer restaurierten, in Deutschland erstmalig ungekürzten Fassung wiedererschienen und erstrahlt dank der Überarbeitung in neuem Glanz. Da das zeitlose Schreckensszenario aber inhaltlich bis heute keinerlei Staub angesetzt hat, erschließt sich auf den ersten Blick nur bedingt, dass mit „Come Out And Play – Kinder des Todes“ nun auch ein mexikanisches Remake erscheint: Der weißrussische Filmemacher Makinov, der der Öffentlichkeit hartnäckig seinen vollständigen bürgerlichen Namen und sein Gesicht vorenthält, inszeniert fast schon eine 1:1-Kopie des Originals, die sich nur durch die Neubesetzung und kleinere Details von „Ein Kind zu töten“ unterscheidet. Die Neuversion bestätigt noch einmal die Klasse des spanischen Originals und ist ebenso ein verstörender Alptraum, in dem vermeintlich unschuldige Kinder zum personifizierten Grauen für die Erwachsenen werden, auch wenn Makinov etwas dicker als sein Vorbild Serrador aufträgt.

    Das junge Pärchen Francis (Ebon Moss-Bachrach, „Lola gegen den Rest der Welt“) und Beth (Vinessa Shaw, „Side Effects“) freut sich auf den vorerst letzten Urlaub zu zweit: Beth ist im siebten Monat schwanger. Die beiden mieten an der mexikanischen Küste ein kleines Motorboot und schippern durch das türkisblaue Meer zur abgelegenen Insel Punta Hueca, auf der sie ein paar ruhige Tage fernab des Karnevalstrubels und der Pauschaltouristen verbringen wollen. Als sie auf dem Eiland ankommen, scheint sich der Wunsch nach Ruhe und Abgeschiedenheit zunächst zu erfüllen: Außer ein paar einheimischen, wortkargen Kindern am Bootsanleger ist im Dorf keine Menschenseele anzutreffen. Bars und Hotels stehen verlassen, im Supermarkt fehlt von den Angestellten jede Spur. Als Francis aber Zeuge wird, wie eine Gruppe Kinder einen alten Mann totprügelt und grausame Spielchen mit der Leiche treibt, schwant den beiden, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt: Die Kinder haben die Macht auf der Insel an sich gerissen und töten jeden Erwachsenen, der sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringt...

    Don’t innovate – imitate! Die Umkehrung des berühmten Werbeslogans trifft die Grundausrichtung von Makinovs „Come Out And Play“ im Kern. Der Regisseur, Drehbuchautor und Producer hält sich extrem eng an Narciso Ibáñez Serradors Original und verzichtet fast komplett auf Neuerungen. Exemplarisch zeigt sich dies an der Supermarktszene, in der der Zuschauer im Gegensatz zum ahnungslosen Francis auf der Insel erstmalig eine Leiche zu sehen bekommt: Hier stimmt jede Einstellung exakt mit der aus „Ein Kind zu töten“ überein. Langsam tastet sich Makinov, der auch für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet, über den Supermarktboden, um zu Füßen des durch die Regale streifenden Francis schließlich die verwesende Leiche einzufangen und den Zuschauer damit bis ins Mark zu erschüttern. Durch die einleitende Begegnung mit dem schweigsamen Angler ist dies hier aber nicht ganz so unvorbereitet wie im Original: Makinov trägt auf dem Bootssteg deutlich dicker auf als sein spanischer Kollege, so dass das düster dreinblickende, angelnde Kind schon bei der Ankunft erahnen lässt, das dem jungen Pärchen kein Erholungsurlaub bevorsteht.

    Der größte Unterschied zu „Ein Kind zu töten“ ist Makinovs Verzicht auf die rahmenden historischen Szenen: Anders als Narciso Ibáñez Serrador beginnt der Filmemacher seine Geschichte direkt an der mexikanischen Küste, an der im Gegensatz zum Original auch keine Leiche angeschwemmt wird. Dem Zuschauer wird eine Interpretation der grausamen Inselereignisse dadurch noch erschwert: Während  Ibáñez Serrador eine mögliche blutige Rache der Kinder an den Kriege führenden und weltweit für Leid sorgenden Erwachsenen zumindest als mögliches Motiv in den Raum stellte, wirken die bestialischen Tötungsakte und die morbiden Spielchen bei Makinov durch den fehlenden historischen Kontext noch rätselhafter. Die verstörende Wirkung wird dadurch jedoch nicht erhöht: Die unzähligen „Evil Child“-Filme der vergangenen Jahrzehnte sind nicht spurlos am Publikum vorbeigegangen, und die berühmte Piñata-Szene fällt bei Makinov beispielsweise eine ganze Ecke gewöhnlicher aus, weil das spielerische Element hier einem eher sadistischen weichen muss.

    Ansonsten lebt der fast in Echtzeit spielende „Come Out And Play“, der auf dem Fantasy Filmfest 2013 gezeigt wurde, wie das Original weniger von billigen Schockmomenten oder den expliziten Tötungsakten, sondern von seiner bedrohlichen Intensität, die den vermeintlichen Erholungsurlaub für Francis und Beth zum tödlichen Alptraum macht und den Zuschauer noch lange nach dem Abspann beschäftigt. Schauspielerisch hinterlässt hier Ebon Moss-Bachrach („The Marc Pease Experience“), der die moralische Zwickmühle und die tiefgreifende Verunsicherung des werdenden Vaters glaubwürdig auf die Leinwand bringt, den stärksten Eindruck: Wie können unschuldige Kinder zu Mördern werden? Wie kann es soweit kommen, dass er selbst auf unschuldige Kinder schießt? Eine Antwort sucht der Zuschauer ebenso vergebens wie der zutiefst erschütterte Francis, und das macht den Reiz des Films aus. Erfreulicherweise lässt auch Makinov sein Remake offen ausklingen: Sogar ein Sequel scheint angesichts der heutigen Produktionsmechanismen möglich.

    Fazit: Wenn unschuldige Kinder zu bestialischen Mördern werden – Filmemacher Makinov zeichnet in seinem Remake das gleiche Schreckensszenario wie schon Narciso Ibáñez Serrador in den 60er Jahren. Von der verstörenden Intensität und den markerschütternden Bildern des Originals büßt das mexikanische Remake dabei nur wenig ein.

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