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    Die Bestimmung - Insurgent
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Bestimmung - Insurgent
    Von Andreas Staben

    Im inoffiziellen Duell der beiden zumindest in den USA erfolgreichsten Dystopien-für-Teenager-Franchises „The Hunger Games“ und „Divergent“ hatten die Tribute von Panem (der abschließende vierte Film „Mockingjay Teil 2“ kommt im November 2015) bisher nicht nur zeitlich die Nase vorn. Verkaufszahlen, Einspielergebnisse und Kritikerecho sprachen ebenfalls bislang für Katniss Everdeen alias Jennifer Lawrence und ihre Rebellion. Das dürfte sich auch mit „Die Bestimmung – Insurgent“ nicht wesentlich ändern, mit dem Shailene Woodleys Tris Prior nun in die zweite Runde geht. Obwohl sichtbar versucht wurde, dem neuen Film gegenüber dem Reihenauftakt „Die Bestimmung – Divergent“ frische Impulse zu geben, kommt das SciFi-Action-Drama von Robert Schwentke („R.E.D.“, „Flightplan“), der Neil Burger („Ohne Limit“) auf dem Regiestuhl ersetzte, trotz einer ebenso engagierten wie charismatischen Hauptdarstellerin nicht über das Mittelmaß hinaus.

    Nachdem die Fraktion der gelehrten Ken unter der Führung von Jeanine Matthews (Kate Winslet) die Gruppe der selbstlosen Altruan fast ausgerottet hat, will die Aggressorin ihre Regierungsübernahme in der Kastengesellschaft von Chicago mit einer Botschaft der Gründer legitimieren, die in einer geheimnisvollen Box deponiert ist. Allerdings kann die Kiste nur von einem Unbestimmten geöffnet werden, der nicht eindeutig einer der fünf Fraktionen angehört, sondern die Talente mehrerer Gruppen auf sich vereint und deshalb als Gefahr für die Gemeinschaft angesehen wird. Jeanine lässt die Stadt nach den Unbestimmten durchkämmen, zu denen die flüchtigen Beatrice „Tris“ Prior (Shailene Woodley) und Tobias „Four“ Eaton (Theo James) gehören. Das Pärchen findet gemeinsam mit Tris‘ Bruder Caleb (Ansel Elgort) und dem zu den furchtlosen Ferox gehörenden Peter (Miles Teller) zunächst Unterschlupf im idyllischen Quartier der von Johanna (Octavia Spencer) angeführten friedfertigen Amite. Doch bald ist ihnen Jeanines Scherge Eric (Jai Courtney) auf den Fersen…  

    Als im neuesten Trailer zum Film erstmals jene mysteriöse Box zu sehen war, der Kate Winslets Jeanine offenbar existenzielle Bedeutung zuschrieb, waren die Fans der „Divergent“-Bücher irritiert: Von dem mit den Emblemen der fünf Fraktionen gezierten Kasten ist in Veronica Roths Romanvorlage nirgends die Rede. In der Tat ist das ominöse Stück die auffälligste Neuerfindung der Drehbuchautoren Brian Duffield („Jane Got a Gun“), Akiva Goldsman („A Beautiful Mind“) und Mark Bomback („Planet der Affen: Revolution“) und dient als praktischer, wenn auch nicht sonderlich schlüssig eingesetzter Aufhänger für die Story. Erst liefert sie der machthungrigen Ken-Anführerin den Vorwand, alle Unbestimmten zu jagen, aber (zunächst) nicht zu töten, dann dient sie schnell zur Begründung von Tris‘ Ausnahmestellung und schließlich erlaubt sie die bequeme Bündelung diverser Actionszenen in einem ausgedehnten Finale. Dadurch hat der Film eine klarere erzählerische Linie als der langwierig-komplizierte Teil 1, aber dennoch lösen sich die Macher eher zu wenig von der Vorlage, denn „Insurgent“ wimmelt nur so von bloß Angedeutetem und bleibt so in großen Teilen oberflächlich.

    Es ist nicht nur den traditionellen Problemen der mittleren Teile einer Reihe geschuldet, die gleichsam ohne Anfang und ohne Ende auskommen müssen, dass hier einiges im Ungefähren stecken bleibt, sondern auch und vor allem den unausgereift wirkenden und daher kaum einmal emotional packenden Konflikten, in die sich am ehesten die Fans und Kenner der Bücher mit ihrem Extra-Wissen einfühlen können. Hier werden gigantische schauspielerische Ressourcen verschwendet, denn mit Ausnahme von Tris bekommt keine einzige der zahlreichen Figuren im Film trotz einer Top-Besetzung ein echtes Profil. Das gilt für die Stammkräfte genauso wie für die Neuzugänge Octavia Spencer („The Help“) und Naomi Watts („King Kong“), die als Fours Mutter eine Schlüsselrolle einnimmt, aber vollkommen farblos bleibt. Kate Winslet („Titanic“) knüpft unterdessen an ihre eintönige Darbietung aus dem ersten Teil an, während Jai Courtney („Super 8“) unter einer unwürdig umgesetzten Story-Wendung zu leiden hat. Auch Miles Teller, der immerhin noch eine Spur von süffisanter Ambivalenz zeigen darf, und vor allem Ansel Elgort sind notorisch unterfordert, was jeder bedauerlich finden wird, der etwa „Whiplash“ oder „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ gesehen hat.

    Der ganze Film ist sehr stark auf Tris und ihre Sicht zugeschnitten (was der Ich-Perspektive des Romans entspricht) und ruht damit fast vollständig auf Shailene Woodleys Schultern. Auch sie kann den knappen Szenen mit Four (auch Theo James‘ Rolle ist unterbelichtet) indes keine emotionale Nachhaltigkeit verleihen, die große Liebesgeschichte wurde wie so vieles offenbar für das doppelte Finale in „Die Bestimmung – Allegiant“ aufgespart (Part 1 kommt im März 2016, Part 2 ein Jahr danach). Dennoch ist es hauptsächlich Woodley zu verdanken, dass „Insurgent“ auch für Zuschauer, die weder „Divergent“ gesehen noch die Bücher gelesen haben und für die dieser Film trotz vieler erklärender Szenen nur schwer verständlich sein dürfte, nicht in Langeweile versinkt. Es ist ein echtes Vergnügen zu sehen, wie die Jungschauspielerin selbst in allzu offensichtlichen Szenen (etwa wenn der Neuanfang durch einen selbst verpassten Kurzhaarschnitt, der zudem nach angesagter 200-Dollar-Frisur aussieht, äußeren Ausdruck finden soll) noch einen Kern von Glaubwürdigkeit herausarbeitet.

    Woodley gelingt es in einer aufreibenden Sequenz, in der sie unter dem Einfluss eines Wahrheitsserums gesteht, ihren Freund Will getötet zu haben (was im ersten Film arg beiläufig abgehandelt wurde), durch ihre Intensität sogar fast, erzählerische Defizite im Alleingang auszugleichen. Regisseur Schwentke weiß, was er an ihr hat und so werden die abschließenden Prüfungen, wenn Tris in lebensgefährlichen Simulationen ihre Vielseitigkeit beweisen muss, zu kleinen Höhepunkten, auch wenn die fast messianische Überhöhung der Figur am Ende aus den Resten eines Teenager-Dramas auf nicht gerade überzeugende Art einen Superhelden-Film macht. Als Tris buchstäblich mit sich selbst kämpft, wirkt das Effekt-Brimborium drumherum zwar etwas übertrieben, aber wenn Woodley an einem brennenden Haus hängend über die Ruinen des zerstörten Chicago fliegt, dann lohnt sich der 3D-Blockbuster-Aufwand alleine für diese Szene. Überhaupt werden die Story-Defizite - bei genauerer Betrachtung erweist sich auch die Boxen-Prämisse als äußerst wackelig – zumindest teilweise durch die meist überzeugenden Effekte und das abwechslungsreiche Produktionsdesign ausgeglichen.

    Fazit: Die überzeugende Hauptdarstellerin und einige beeindruckende Schauwerte stehen einer unausgegorenen Geschichte gegenüber.

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