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    Sie nannten ihn Spencer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Sie nannten ihn Spencer
    Von Manuel Berger

    „Hallo ihr Schamottriesen! Das soll ein Film über Bud Spencer sein? Da muss viel mehr Glut in die Zwiebel rein!“ Obwohl die sentimentalen Kindheitserinnerungen des Bestsellerautors Luciano De Crescenzo an seinen Freund Carlo Pedersoli zum Einstieg nett zu hören sind, wagt man Thomas Danneberg nicht zu widersprechen, wie er da so aus dem Off schnauzt. Der Synchronsprecher von Terence Hill trug schließlich maßgeblich zur Popularität des wohl schlagkräftigsten Duos der Filmgeschichte in Deutschland bei und sollte wissen, wie man dieses zu präsentieren hat. Regisseur Karl-Martin Pold weiß es offenbar auch, denn „Sie nannten ihn Spencer“ unterscheidet sich nicht nur aufgrund des schnodderigen Off-Kommentars von der gemeinen Wissensdoku. Statt eines wortlastigen Porträts widmet Pold dem 2016 verstorbenen Carlo Pedersoli alias Bud Spencer ein vitales dokumentarisches Leinwandabenteuer, in dem er sich nicht nur thematisch, sondern auch stilistisch mit dem Lebenswerk des Multitalents auseinandersetzt. Man könnte fast sagen: Was 1967 mit „Zwei vom Affen gebissen“ begann, wird nun mit „Sie nannten ihn Spencer“ fortgesetzt – dem ersten posthumen Spencer/Hill-Film!

    Zu verdanken hat man diesen einerseits der Diplomarbeit des österreichischen Regisseurs, für die er 2009 den Trailer zu einer fiktiven Spencer-Doku drehte. Bei der Recherche dazu hat er so viel Spannendes entdeckt, dass er sich anschließend daran machte, die Fiktion eines Films über den Schauspieler Wirklichkeit werden zu lassen. Irgendwann kam dann Superfan Marcus Zölch ins Spiel und damit auch Bud Spencers Pressedame – der zweiten Wegbereiterin des Films in seiner heutigen Form. Schließlich war sie es, die Marcus kurzfristig ein arrangiertes Treffen mit seinem Idol verwehrte. Gerade deshalb entsteht die Idee, quer durch Europa zu reisen, um Bud Spencer doch noch irgendwann die Hand schütteln zu können. Bei einem Fantreffen im süddeutschen Dasing lernt Marcus Jorgo Papasoglou kennen, einen Bruder im Geiste – sie ziehen schließlich gemeinsam los und Karl-Martin Pold begleitet ihre Reise, die noch vor dem Tod des Protagonisten enden wird, mit der Kamera.

    „Sie nannten ihn Spencer“ wird nach der Begegnung zwischen Marcus und Jorgo zu einem Hybrid aus Buddy-Roadmovie (mit einigen nachgestellten Szenen) und Dokumentation. Die beiden Fans reisen zu Wegbegleitern Spencers, die ihnen Hinweise zu dessen möglichem Aufenthaltsort geben oder sie zu anderen Ansprechpartnern schicken. So geht es von einem Gesprächspartner zum nächsten und Pold nutzt diesen roten Faden, um an passender Stelle verschiedene Aspekte von Spencers Persönlichkeit und Werdegang zu beleuchten. Er stützt sich jedoch nicht nur auf den prall gefüllten Lebenslauf des berühmten Schauspielers, sondern erzählt die Geschichten der beiden reisenden Fans gleich mit: Marcus fand nach einem Genickbruch durch die Spencer/Hill-Filme neuen Lebensmut, sieht sich mittlerweile als „Kulturbeauftragter“ des Phänomens und besitzt eine beeindruckende Fanartikel-Sammlung, für die er sich von der Augsburger Puppenkiste sogar extra eine Plattfuß-Marionette anfertigen ließ. Der von Geburt an blinde Jorgo schildert detailliert, wie er als Kind „Vier Fäuste für ein Halleluja“ und Co. auf Audiokassetten mitgeschnitten hat. Für ihn sind sie zu einer Konstante im Leben geworden und zu einer moralischen Institution.

    Auch Polds Regie merkt man an, wie viel Leidenschaft in „Sie nannten ihn Spencer“ steckt. Der Filmemacher, dessen Vita fast so bunt ausfällt wie die seines Titelhelden (er war schon Christbaumverkäufer, Genmaisforscher, Plantagenarbeiter und Paulo Coelhos Chauffeur), spickt seine Dokumentation mit Szenen aus den Spencer/Hill-Filmen, die oft das vorher Gezeigte ergänzen oder kommentieren. Wenn sich Jorgo und Marcus streiten, beschimpfen sich Spencer und Hill, wenn Alessandro Capone (Regisseur von „Zwei Supertypen in Miami“) Bud als ewiges Kind bezeichnet, lugt Augenblicke später der Genannte aus einem Kinderwagen hervor (in einer Szene aus „Zwei sind nicht zu bremsen“). In Zusammenspiel mit dem von Synchron-Legende Rainer Brandt – er war auch schon für die zum Kult gewordenen deutschen Dialoge der meisten Klassiker des Prügelduos verantwortlich -  verfassten, flapsigen Off-Kommentar und dem geschickten Einsatz ausgewählter Oliver-Onions-Ohrwürmer entstehen zwei extrem kurzweilige Kinostunden.

    Und trotz aller Spielereien und dem offen zur Schau gestelltem Enthusiasmus verliert Pold die Hauptsache nie aus den Augen: über Bud Spencers Leben und Werk zu informieren. Filmwissenschaftler, Schauspiel- und Crewkollegen zeichnen in lebhaften Interviews ein umfassendes Bild der Klamauk-Ikone. Das Leinwandimage des stattlichen Italieners wird genauso zum Thema wie seine frühen Erfolge als Schwimmer, seine Starallüren und seine Essensgewohnheiten (der erstaunliche Appetit des Fleischbällchen-Freundes wird in einigen kuriosen Anekdoten zum Thema). Eine wertvolle Infoquelle ist nicht nur dabei Spencers kongenialer Leinwandpartner Terence Hill alias Mario Girotti, der freimütig über die gemeinsamen Zeiten plaudert. Und wenn es bei Pold darum geht, die Bedeutung des filmischen Nachlasses von Bud Spencer zu bemessen, dann wird der unschätzbare Anteil Hills klar herausgearbeitet: Als Duo waren sie am stärksten. Doch die Herzen der Filmemacher (und vieler anderer Fans) hängen vor allem an Spencer und so wirkt Hill, auf dessen persönlichen Hintergrund Pold eben nicht eingeht, hier ein wenig wie jene Nebenfiguren mit unausgeschöpftem Potenzial, die es in den meisten Superheldenfilmen gibt. Und dass „Sie nannten ihn Spencer“ mehr Superheldenfilm als Dokumentation ist, beweist spätestens die Post-Credit-Szene.

    Fazit: Acht Jahre Produktionszeit haben sich definitiv gelohnt – Karl-Martin Pold zollt Kultschauspieler Bud Spencer nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch stilistisch Tribut. „Sie nannten ihn Spencer“ ist ein kreativ inszeniertes, kurzweiliges Künstlerporträt. Für Fans ein Muss.

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