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    Die Frau in Gold
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Frau in Gold
    Von Lars-Christian Daniels

    Schauspieler Daniel Brühl („Die fetten Jahre sind vorbei“) macht derzeitig Karriere auf der Überholspur – und das nicht nur, weil er 2013 die anspruchsvolle Hauptrolle als Formel 1-Fahrer Niki Lauda in Ron Howards „Rush“ meisterte. Der „Good Bye, Lenin!“-Star ist längst nicht mehr nur in deutschen Kinofilmen zu sehen, sondern auch bei namhaften Hollywood-Produktionen (zuletzt „A Most Wanted Man“ oder „Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt“) ein gefragter Mann. 2015 wurde der Deutsch-Spanier in die Berlinale-Jury berufen und ist beim Festival auch auf der großen Leinwand zu sehen: Im britisch-amerikanischen Kunstraub-Drama „Woman in Gold“, das in der Hauptstadt seine Weltpremiere feierte, verkörpert Brühl wie bereits in „Rush“ einen Österreicher – diesmal allerdings keinen Rennfahrer, sondern den 2006 verstorbenen Journalisten Hubertus Czernin. Der brachte kurz vor der Jahrtausendwende die „Causa Klimt“ ins Rollen, um die es im Film geht: Der britische Regisseur Simon Curtis („My Week With Marilyn“) zeichnet in seinem starbesetzten Historiendrama die Restitution der von den Nazis geraubten Gustav-Klimt-Gemälde nach, die erst nach jahrelangem Streit von der Republik Österreich an ihre rechtmäßige Besitzerin zurückgegeben wurden.

    Wien, 1938: Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten herrschen Angst und Terror in der Donaustadt. Systematisch enteignen die Besatzer alle Juden – auch die Großfamilie um Vater Gustav Bloch (Allan Corduner) und seinen Bruder Ferdinand Bloch-Bauer (Henry Goodman), die man ihrer üppigen Kunstsammlung beraubt und aus Wien vertreibt. Gut 50 Jahre später beschließt Blochs Tochter Maria Altmann (Helen Mirren), die damals rechtzeitig in die USA emigrieren konnte, zurückzuholen, was rechtmäßig ihr gehört: die „Goldene Adele“, ein wertvolles Jugendstil-Porträt ihrer Tante Adele (Antje Traue), die sich vom berühmten Maler Gustav Klimt (Moritz Bleibtreu) hatte verewigen lassen. Das Gemälde, das später als „österreichische Mona Lisa“ bekannt wurde, hängt mittlerweile im Wiener Schloss Belvedere. Altmann bittet den Anwalt Randol Schoenberg (Ryan Reynolds) um Hilfe, den Enkel des jüdischen Komponisten Arnold Schoenberg. Der Jurist lebt mit seiner Freundin Pam (Katie Holmes) ebenfalls in Los Angeles und ist Feuer und Flamme, als er vom Wert des Gemäldes hört: Es geht um weit über 100 Millionen Dollar. Nur sind die österreichischen Behörden nicht gewillt, das Nazi-Raubgut wieder herzugeben…

    Das ist wie ein James Bond-Film, und du bist Sean Connery“, meint die pfiffige Maria Altmann bei ihrer Rückkehr nach Wien zu Anwalt „Randy“ Schoenberg – und so ganz Unrecht hat die rüstige Kunstsammlerin damit nicht. In „James Bond 007: Der Hauch des Todes“ war es 1987 zwar genau genommen nicht Sean Connery, sondern sein 007-Nachfolger Timothy Dalton, der der Donaumetropole einen Besuch abstattete, doch tun sich beim Blick auf die Bond-Reihe einige Parallelen auf: Simon Curtis führt sein Publikum beispielsweise gezielt zu den schönsten Ecken Wiens – zur prunkvollen Staatsoper, ins prächtige Schloss Belvedere und in einen Park zu Füßen des berühmten Riesenrads auf dem Prater. Anders als der Geheimagent Ihrer Majestät lassen Altmann und Schoenberg die obligatorische Fahrt in der Gondel allerdings aus und treffen stattdessen den Wiener Journalisten Hubertus Czernin, der wertvolle Informationen für sie bereithält. Diese Sequenz steht exemplarisch für die Zielstrebigkeit der Filmemacher: Trotz schicker Kulissen und humorvoller Zwischentöne verlieren Regisseur Curtis und Drehbuchautor Alexi Kaye Campbell den Kern ihrer Geschichte – Altmanns verbissenen Kampf um die „Woman in Gold“ – nie aus den Augen.

    Campbell verarbeitet in seinem Skript die wahren Lebensgeschichten von Eric Randol Schoenberg und Maria Altmann und gliedert die Handlung grob in zwei Hälften: Bevor der Film nach gut einer Stunde zum waschechten Justizdrama auswächst, geht es um die Planungen der Rückholaktion im Los Angeles und Wien der 90er Jahre, die regelmäßig durch Rückblenden in die späten 30er Jahre unterbrochen werden. In aufwändig inszenierten Bildern zeigt Curtis, den Einmarsch der Nazis und den Raub der wertvollen Kunstschätze, die später unter anderem Adolf Hitlers Berghof und den Hals von Hermann Görings zweiter Ehefrau Emmy schmückten. Zu den spannendsten Sequenzen des Films zählt die temporeiche Flucht der jungen Maria (Tatiana Maslany) und ihres späteren Mannes Fritz (Max Irons), die von SS-Soldat Heinrich (Tom Schilling, „Oh Boy“) durch ein enges Wiener Gassen-Gewirr gejagt werden – auch wenn der Zuschauer bereits weiß, dass die beiden am Ende entkommen. Im Mittelteil des Films schleichen sich dann zwar einige Längen ein, diese werden jedoch durch das prächtig harmonierende Hauptdarsteller-Duo elegant kaschiert.

    Oscar-Preisträgerin Helen Mirren („Die Queen“) schüttelt ihre Rolle als spitzzüngige und verzweifelt um ihr Recht kämpfende Vertriebene souverän aus dem Ärmel und stiehlt mit ihrer amüsant ausgespielten Sturheit und vielen schnippischen One-Linen zahlreiche Szenen. Ryan Reynolds („The Voices“) bleibt anfangs etwas blass – im Schlussdrittel aber, als vor dem Obersten Gerichtshof der USA der entscheidende Kampf ausgefochten wird, spielt sich der „Green Lantern“-Star auch in den Streitgesprächen zwischen Schoenberg und Altmann in den Vordergrund. Vor allem deutsche Zuschauer dürften darüber hinaus viele bekannte Gesichter entdecken: Neben den bereits genannten Darstellern zählen auch Ludger Pistor („Casino Royale“) und Justus von Dohnanyi („Männerherzen“) als störrische Wiener Kunstverwalter, Ex-„Tatort“-Kommissarin Nina Kunzendorf und „Game Of Thrones“-Star Charles Dance zur Besetzung. Sie alle tragen ihren Teil dazu bei, dass die emotionalen Höhen und Tiefen, die Altmann während des zähen Kampfes um ihr rechtmäßiges Erbe durchlebt, im Film greifbar werden – dafür hätte es den etwas zu dick aufgetragenen Schlussakkord, der an eine Schlüsselsequenz aus James Camerons Kassenschlager „Titanic“ erinnert, gar nicht gebraucht.

    Fazit: Das stark besetzte Kunstraub-Drama „Woman in Gold“ ist sehenswertes Unterhaltungskino und zugleich ein Plädoyer gegen die Bürokratie und die Gier im staatlichen Umgang mit von den Nazis enteigneten Juden.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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