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    Ewige Jugend
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Ewige Jugend
    Von Carsten Baumgardt

    Kaum ein Regisseur versteht es so phänomenal, Musik und Bilder zu einer magischen Einheit zu verbinden wie Paolo Sorrentino („Il Divo“). In seiner bei den 68. Filmfestspielen in Cannes 2015 im Wettbewerb uraufgeführten skurrilen Tragikomödie „Ewige Jugend“ dauert es keine fünf Sekunden, bis der italienische Arthouse-Regisseur das Publikum erstmals unwiderstehlich in seinen Bann schlägt. Und die wahrlich mitreißend vorgetragene Performance von Florence And The Machines „You’ve Got The Love“ auf einer rotierenden Bühne ist nur der Auftakt zu zwei virtuos inszenierten Kinostunden. In „Ewige Jugend“ wirft Sorrentino aus der abgeklärten Perspektive des Alters einen ebenso lustigen wie melancholischen Blick auf das Leben und seine Vergänglichkeit, die Freude und das Leid, die Schönheit und die Kunst.

    Der Komponist und Star-Dirigent Fred Ballinger (Michael Caine) hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Nun macht er mit seiner Tochter und persönlichen Assistentin Lena (Rachel Weisz) sowie seinem besten Freund, dem Regisseur Mick Boyle (Harvey Keitel), Urlaub in einem exquisiten Kurhotel in den Schweizer Alpen. Hier treffen sich Reiche, Prominente und Künstler, um auszuspannen und neue Kraft zu tanken. Als ein Abgesandter des britischen Königshauses (Alex Macqueen) Bellinger überreden will, ein letztes Mal zu dirigieren – und zwar für die Königin und Prinz Philipp -, lehnt dieser ab und weigert sich, auf die Bühne zurückzukehren. Derweil wird Lena von ihrem Mann Julien (Ed Stoppard) für den schrillen Popstar Paloma Faith (als sie selbst) verlassen, während sich der spleenige Schauspieler Jimmy Tree (Paul Dano) auf eine neue, anstrengende Rolle vorbereitet.

    Paolo Sorrentino ist ein Bildermagier, jede Einstellung ist komponiert wie ein kleines Kunstwerk – gemeinsam mit seinem Stammkameramann Luca Bigazzi und einem Team von versierten Ton-Tüftlern kreiert der Maestro einmal mehr eine betörende Atmosphäre. Die visuelle Pracht des luxuriösen Hotels wird mit federleichten Popsongs, Technosounds, klassischen Klängen oder sakralen Chören immer wieder zu rauschhaften Passagen verschweißt. Dabei kommt Sorrentino nicht ganz an die opulente Grazie seines oscargekrönten Meisterwerks „La Grande Bellezza“ heran, aber dafür glänzt er diesmal mit noch deutlich mehr Humor als sonst. Und „Ewige Jugend“ ist nicht nur lustig, sondern auch traurig und weise. Und natürlich nicht frei von Zynismus. Wundervolle bissig-scharfe Dialoge werden hier von einem ganzen Haufen köstlicher Running Gags pointiert ergänzt - der beste bietet Diego Maradona als fettleibigen Kurgast und Tennisball-Artisten, der fußballerisch immer noch die meisten Bundesliga-Profis alt aussehen lässt.

    Leben und Kunst sind hier zwei Seiten einer Medaille – ganz so wie bei Paolo Sorrentinos Vorbild Federico Fellini. Der Geist des Schöpfers von „Das süße Leben“ und „Achteinhalb“ ist auch in der Schweizer Bergwelt von „Ewige Jugend“ allgegenwärtig, wo mit einem distinguierten Dirigenten, einem ambitionierten Filmregisseur, einem exzentrischen Starschauspieler und einer flippigen Sängerin ein buntes Spektrum von Kultur- und Unterhaltungsschaffenden porträtiert wird. Im Zentrum stehen dabei zwei 80-jährige Protagonisten, die erstaunlich frisch daherkommen, auch wenn der Regisseur dem Duo zwischendrin einige Altherrenphantasien gönnt. Die bestens aufgelegten Kauze Michael Caine (mit gewohnter Klasse) und Harvel Keitel (selbstironisch und charismatisch) spielen sich höchst genüsslich die Bälle zu und blicken etwas wehmütig dem Leben, seinen Verführungen und dem Schönen hinterher – wobei beide völlig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was ihr Restdasein noch bringen soll.

    „Ewige Jugend“ ist wie schon „La Grande Bellezza“ auch ein Wundenlecken: Es geht um verpasste Chancen und die Fehler der Vergangenheit – die Zukunft hat im Alter von 80 eben keine große Anziehungskraft mehr. Fred Ballinger kokettiert damit, nur noch untätig zu sein und nicht mehr zu arbeiten, obwohl er keineswegs so apathisch ist, wie sein Umfeld ihm einreden will. Mick Boyle dagegen möchte selbstbewusst noch ein Altersmeisterwerk raushauen, was in eine kuriose Konfrontation mit der von Jane Fonda („Barbarella“) gespielten kompromisslos-toxischen Diva Brenda Morel mündet  – ein spektakulärer Auftritt mit dem Charme eines Exekutionskommandos. Um die beiden Hauptfiguren versammelt sich ohnehin ein erlesenes Ensemble, aus dem neben der hinreißenden Rachel Weisz („Der ewige Gärtner“), die ihre beste Szene bei einem vorwurfsvollen Monolog im Schlammbad hat, vor allem Paul Dano („Love & Mercy“) herausragt. Seine Darstellung des Starschauspielers ist eine Meisterleistung des Kuriosen und gipfelt in einer eindrucksvoll-absurden Sequenz, in der Jimmy Tree als Hitler zu sehen ist.

    Fazit: „Ewige Jugend“ ist eine hochgradig amüsante, bittersüße Tragikomödie mit viel Biss - oft weise, manchmal banal, aber immer inspiriert und ein Fest für die Sinne.

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