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    V/H/S Viral
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    V/H/S Viral
    Von Tim Slagman

    Dem Subgenre des Found-Footage-Horrors steckt das Polarisierende schon in seinen – wie manche mittlerweile finden – reichlich morschen Knochen. Da wackelt die Kamera, da krächzt der Ton, da lädt die Konstruktion überdeutlich dazu ein, die Logik der Geschichte genauso zu hinterfragen wie den stets implizit als Selbstverständlichkeit untergeschobenen Umstand, dass irgendjemand aus irgendwelchen Filmfetzen einen dann stets doch einigermaßen kohärenten Plot zusammenmontieren konnte. Die Macher der „V/H/S“-Reihe mogeln sich stets mit einem simplen, aber effektiven Trick um derlei Vorwürfe herum: Die Kurzfilme, die sie in diesen Anthologien versammeln, sind an Serien wie „Tales from the Crypt“ oder „Twilight Zone“ angelehnt – kleine, komprimierte Schocker, die sich Fragen nach ihrer inneren Logik häufig schon vorauseilend-offensiv durch ihre haarsträubenden Prämissen entziehen. Die aktuelle Kompilation „V/H/S Viral“, an der insgesamt fünf Regisseure gearbeitet haben, dehnt die Grenzen des Subgenres entsprechend weit aus, doch insgesamt lohnt sich dieses Risiko durchaus.

    Die Episode „Vicious Circle“, die als Rahmenhandlung die anderen drei Kurzfilme miteinander verbindet, erweist sich dabei als im mehrfachen Sinne besonders desorientierend: Ein junger Mann schließt sich einer Verfolgungsjagd auf einen mysteriösen Eiskremwagen an, dessen Fahrer unterwegs anscheinend seine Freundin mit an Bord genommen hat – während die Stadt und ihre Menschen im Chaos eines viralen Handyvideos versinken. „Dante the Great“ verdankt seinen Ruf als Zauberer einem Geheimnis: Sein Mantel, einst im Besitz von Harry Houdini, hat tatsächlich magische Kräfte, sehnt sich aber nach Menschenfleisch. Der Versuch eines Tüftlers, die Tür zu einem Paralleluniversum zu öffnen, ruft im spanischsprachigen Beitrag die „Parallel Monsters“ auf den Plan. Und eine Gruppe jugendlicher Skater, die auf der Suche nach einer neuen Halfpipe bis ins mexikanische Tijuana gereist ist, löst versehentlich mit einem schwarzmagischen Ritual den titelgebenden „Bonestorm“ aus.

    Die Filmemacher lösen sich mehr oder weniger stark von den Fesseln der klischeehaft normierten Found-Footage-Inszenierung mit ihrem Wackelkamera-Overkill. So erzählt Gregg Bishop („Dance of the Dead“) die Geschichte des vom Ehrgeiz auf mörderische Abwege geleiteten Dante als Mischung aus Camcorder-Material, Einsatz- und Verhörvideos sowie dem sauberen, hochaufgelösten Material eines Fake-Dokumentarfilms. Während es bei „Bonestorm“ von Justin Benson und Aaron Moorhead („Spring“, „Resolution“) hingegen nur so wirbelt vor hastigen Reißschwenks der Helmkameras, so widersetzt sich ihr nahezu rein kinetisches Actionsplatterkino zumindest den dramaturgischen Genre-Standards aus unregelmäßigen schockartigen Entdeckungen, die am Ende in einer sicheren Katastrophe gipfeln. Hier erweisen sich die angedachten Opfer als nur milde überrascht vom Auftauchen mexikanischer Zombies und darüber hinaus auch als ausgesprochen schlagfertig.

    Die Darstellung und Entwicklung der „Parallel Monsters“ in Nacho Vigalondos („Timecrimes“, „Open Windows“) Segment erweist sich als effektvolle, herrlich überdrehte Satire auf allzu bürgerliche (und katholische) Traditionen: Der Spanier zeigt eine sich nur langsam enthüllende, dann aber prachtvoll hysterische Gegenphantasie. Das rahmende „Vicious Circles“ allerdings, das Marcel Sarmiento („22 Ways To Die“) als boshafte Dystopie einer Gesellschaft im voyeuristischen Wahn angelegt hat, ersäuft in ebendieser Hysterie. Die Sozialkritik verschmiert irgendwo zwischen den grell flackernden Lichtern der Einsatzwagen, dem gehetzten Verlauf einer unübersichtlichen Verfolgungsjagd im viel zu vage skizzierten städtischen Raum sowie dem Gehechel und Geschrei der Figuren im permanenten Adrenalinrausch. Insgesamt gibt die Anthologie damit einen leidlich gelungenen Überblick über die Grenzen des Genres und die Möglichkeiten, diese sachte neu zu definieren.

    Fazit: Auch der dritte Teil der Found-Footage-Anthologiereihe besteht aus  Beiträgen recht unterschiedlicher Qualität, wobei die engen Grenzen des Subgenres in einigen Segmenten sowohl ästhetisch wie auch erzählerisch bewusst gesprengt werden.

    PS: Gestrichen wurde kurz vor Veröffentlichung übrigens das Segment „Gorgeous Vortex“ von Todd Lincoln („Apparition – Dunkle Erscheinung, in dem eine seltsame Organisation Jagd auf einen Serienkiller macht. Diese Episode gibt es aber immerhin als Zusatzmaterial zur limitierten Collector’s Edition auf Blu-ray und DVD.

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