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    Ein Geschenk der Götter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Ein Geschenk der Götter
    Von Tim Slagman

    Mit „Ein Geschenk der Götter“ erzählt Oliver Haffner eine richtig schöne Geschichte – aus dem Leben gegriffen, humorvoll und dabei, wie man so sagt, „nahe an den Figuren“. Außerdem geht es noch um die Macht der Fiktion, die Macht der Literatur, des Schauspiels und darum, sich mit all dem und der eigenen Phantasie herausziehen zu können aus dem Schlamassel des Alltags. Beim Filmfest München 2014 gab es dafür sowohl den Bayern 3-Publikumspreis als auch den Förderpreis Neues Deutsches Kino. Das dürfte auch daran liegen, dass die Tragikomödie sehr gefällig ist, genau einer jener Filme, an denen es eigentlich wenig auszusetzen gibt. Eigentlich. Denn irgendwie spürt man in beinahe jeder Einstellung eine rätselhafte Glätte, ein verkrampftes Verlangen, bloß keine Fehler zu begehen. Und mit dieser Mutlosigkeit vermeidet man zwar einen schlechten Film, macht aber auch keinen richtig guten.

    Die Schauspielerin Anna (Katharina Marie Schubert) hat auf der Bühne gerade einen furchtbaren Texthänger erlebt, da eröffnet ihr der scheidende Direktor auch schon, dass bald ihr ganzes Leben zur Hängepartie wird. Der Job ist futsch, doch die Sachbearbeiterin auf dem Arbeitsamt hat da eine ganz besondere Idee: Theater als Weiterbildungsmaßnahme für ein paar Leidensgenossen, denen eigentlich Computer versprochen wurden, für die allerdings – noch – kein Geld da ist. Anne entscheidet sich, den überwiegend eher bildungsfernen Schülern „Antigone“ von Sophokles zuzumuten. Dabei würde Dimitri (Adam Bousdoukos) viel lieber ein vegetarisches griechisches Restaurant eröffnen, der Fahrlehrer Hubert (Rainer Furch) viel lieber Dimitri rassistisch beschimpfen, und Max (Rick Okon) hat einen guten Grund, jede Leseprobe zu verweigern. Wie soll da die Tragödie noch einen guten Ausgang nehmen?

    Na, indem die an den Rand der Gesellschaft Gedrängten aus den archaischen Konflikten wieder Mut für ihr eigenes Leben schöpfen. Dramaturgisch funktioniert das bei Oliver Haffner in der Regel so, dass auf einen großen Krach oder eine fundamentale Ablehnung des Dramenstoffes oder der eigenen Rolle darin zunächst ein schockiertes Durchatmen folgt – und in der nächsten Szene, durch Nacht oder ein paar Tage getrennt, der vermeintlich Abtrünnige mit einem fließend rezitierten Monolog aus eben der „Antigone“ brilliert. Wie für so vieles in Haffners Film gilt auch für diese Plotmechanik: Sie ist nicht neu, aber immer noch leidlich effektiv.

    Den Verlierern der hochflexibilisierten Leistungsgesellschaft im übertragenen wie im Wortsinne eine Stimme zu geben, ist sein grundsympathisches Anliegen, so wie alles an dieser Arbeit – ihr Konzept, ihre Figuren, ihr Blick – nach Sympathie schreit. Womöglich liegt genau hier aber auch die große Schwäche des Films: Haffner fühlt sich verpflichtet, auch seinen Nebenfiguren ein rudimentäres Schicksal zu skizzieren, das dann eben über das Rudimentäre nicht hinauskommt. In einigen sehr witzigen, gelungenen Szenen seziert er die eitlen Selbstbespiegelungsmechanismen des Theaterbetriebs zwischen Kunst und Kommerz, freilich ohne die satirische Schärfe dieser Momente aufrechterhalten zu können. „Ein Geschenk der Götter“ ist ein netter Film, dem man bisweilen anmerkt, dass er so furchtbar nett gar nicht werden sollte.

    Und in netten Filmen ist das versöhnliche Ende im Großen wie im Kleinen ziemlich vorhersehbar: Natürlich kommt es zur Aufführung, natürlich finden sich Pärchen, natürlich versöhnen sich der fiese Fahrlehrer und der traumtänzerische Dimitri dann doch zumindest so weit, dass sie gemeinsam proben können. Daran ist, wie an der Erzählung an sich, überhaupt nichts auszusetzen. Aber man wird dennoch das Gefühl nicht los, all dies schon einmal so oder ganz ähnlich gehört und gesehen zu haben, in jüngerer Zeit vor allem in dokumentarischen Filmen wie „Miss Hanne goes Everest“ oder Niko von Glasows „Alles wird gut“.

    Fazit: Routiniert und allzu vorhersehbar widmet sich Oliver Haffner in seiner Tragikomödie den Abgehängten des Leistungssystems und der Kraft der Fiktion. Sein Anspruch, gesellschaftlich relevant zu sein, versandet in schlichter Nettigkeit.

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