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    Die Kommune
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Kommune
    Von Carsten Baumgardt

    Im Alter von sieben bis 19 Jahren lebte Thomas Vinterberg („Am grünen Rand der Welt“) tatsächlich in einer Kommune! Diese Zeit hat den dänischen Regisseur naturgemäß für immer geprägt:  Chaos, Abenteuer, Freiheit, intellektuelle Diskussionen – es war immer etwas los. Die Erfahrungen eines ungezwungenen Lebens und der daraus resultierenden Probleme hat der Mitbegründer der Dogma-95-Bewegung („Das Fest“) schon 2011 zu dem Theaterstück „Die Kommune“ verarbeitet, dem er jetzt eine gleichnamige Verfilmung folgen lässt. Der dänische Beitrag im Wettbewerb der 66. Internationalen Filmfestspiele von Berlin beginnt als fröhliche Komödie und entwickelt sich schließlich zu einem bitteren Familiendrama. Während es der heiteren Hälfte an Biss mangelt, überzeugt der dramatische Abschnitt trotz einiger Klischees mit ungehemmter Emotionalität.

    Der erfolgreiche Kopenhagener Architekt Erik (Ulrich Thomsen) erbt in den 1970er Jahren eine alte Riesenvilla, die er eigentlich für eine Million Kronen verkaufen will. Doch seine Lebensgefährtin, die Fernsehmoderatorin Anna (Trine Dyrholm), drängt Erik dazu, eine Kommune zu gründen, in der sie mit ihrer gemeinsamen 14-jährigen Tochter Freja (Martha Sofie Wallstrøm Hansen) und einer Reihe von Freunden (Magnus Millang, Fares Fares, Lars Ranthe und andere) leben können. Das chaotisch-harmonische Zusammensein endet schleichend, als Erik seine Frau mit seiner Studentin Emma (Helene Reingaard Neuman) betrügt und anschließend verlässt. Während Anna die Demütigung anfangs noch mit Fassung zu (er)tragen scheint, erweist sich ihr Vorschlag, Emma in die Kommune einziehen zu lassen als fatal.

    Man fragt sich eine ganze Zeit lang, wo Thomas Vinterberg mit seiner „Kommune“ erzählerisch hinwill. Er etabliert in aller Ruhe das unaufdringlich-authentische 70er-Jahre-Setting und führt die Mitglieder der Gemeinschaft mit all ihrem Charme und ihren Macken ein, ohne dass sich dabei eine klare Handlungsstruktur herausschälen würde. Der Film mäandert richtungslos vor sich hin, bis Vinterberg schließlich die erzählerischen Zügel anzieht und ganz allmählich das Genre wechselt. Wenn er dann endlich die Gefilde des (Melo-)Dramas erreicht und der Gefühlspegel auf vollen Anschlag hochgefahren wird, dann macht sich auch der lange Anlauf bezahlt, denn die so ausführlich eingeführten Figuren haben bis dahin alle eine entsprechende Fallhöhe erreicht.

    Obwohl man schon bald ahnt, dass sich hier nichts Gutes anbahnt und Anna an Eriks Affäre zerbrechen wird, schreitet die Entwicklung nur langsam voran. Das bekommt im Lauf der Zeit durchaus etwas absichtsvoll Quälendes, gibt aber vor allem Trine Dyrholm („In einer besseren Welt“) die Gelegenheit zu einer mitreißend intensiven Darbietung. Sie drängt Ulrich Thomsen („Zweite Chance“, „The Thing“) als Erik, der zunächst als Triebfeder der Geschichte dient, aber dann immer passiver wird, zunehmend in den Hintergrund, bis das Drama um die Betrogene schließlich in einer diskussionswürdigen theatralischen Metapher gipfelt, die Vinterberg um Anna und Vilads (Sebastian Grønnegaard Milbrat) konstruiert, den herzkranken Sohn einer weiteren Kommunardin.

    Fazit: Thomas Vinterberg kann mit seinem tragikomischen 70er-Jahre-Drama „Die Kommune“ trotz starker Emotionen nicht an die ungeheure Intensität seiner cineastischen Großtaten „Die Jagd“ und „Das Fest“ anknüpfen.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2016. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 66. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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