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    Shaft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Shaft

    Netflix bringt uns den Sitcom-"Shaft"

    Von Sidney Schering

    Nicht zuletzt dank seines oft zitierten, parodierten und kopierten Funk-Titelsongs ist der kernige Blaxploitation-Held Shaft eine Filmikone geworden – selbst in Deutschland, wo Blaxploitation-Filme nie größere Popularität erlangte. Drei Kinoabenteuer und eine Fernsehserie sind in den 70er-Jahren entstanden, 2000 brachte „Boyz n the Hood – Jungs im Viertel“-Regisseur John Singleton eine Fortsetzung heraus, in der Samuel L. Jackson als jüngerer Verwandter des Original-Shafts durch eine Thrillerhandlung stapft. Dieses Mal dauerte es nur 19 Jahre, bis die „Shaft“-Saga weitergesponnen wird. Dafür arbeiteten Netflix und Warner zusammen, weswegen „Shaft“ in den USA im Kino läuft, im Rest der Welt auf dem Streamingdienst. Im Mittelpunkt steht der Enkel des ursprünglichen John Shaft (Richard Roundtree hat auch einen Auftritt). Folgte auf die Blaxploitation-Action der 1970er bei der Neuauflage 2000 ein Thriller, bietet uns Tim Story („Fantastic Four: Rise Of The Silver Surfer“) nun eine Action-Komödie feil, die zwar ihre Momente hat, aber auch ausgesprochen mutlos ist…

    John Shaft III (Jessie Usher), genannt JJ, wurde allein von seiner fürsorglichen Mutter Maya (Regina Hall) großgezogen, da sie ihren Jungen nicht der steten Gefahr aussetzen wollte, die JJs Vater John Shaft II (Samuel L. Jackson) umgibt. Der Versuch, den Jungen vom Einfluss seines Vaters fernzuhalten, ist Maya geglückt: Anders als die John Shafts vor ihm, ist JJ zu einer besonnenen, aber auch schüchternen Person herangewachsen. Er hat einen Abschluss vom MIT und arbeitet beim FBI als Experte für Cybersicherheit, und anders als die Schürzenjäger in seinem Familienstammbaum, befindet sich JJ seit langer Zeit in einem vorsichtigen Dauerflirt mit seiner Sandkastenfreundin Sasha (Alexandra Shipp). Als JJs bester Freund Karim (Avan Jogia) tot aufgefunden wird, glauben alle, dass der Ex-Junkie rückfällig geworden ist und sich eine Überdosis verpasst hat. JJ dagegen ist sich sicher, dass Karim ermordet wurde und wendet sich an den einzigen privaten Schnüffler, dem er zutraut, diesen Fall zu knacken – seinen Vater.

    Scherze über die Generation Y

    Die ursprünglichen „Shaft“-Filme waren Ergebnisse der Black-Power-Bewegung und zeigten ein neues Bewusstsein der schwarzen US-Bevölkerung: Sie skizzierten gesetzestreue wie gesetzesuntreue Schwarze im gemeinsamen Kampf gegen ruchlose, weiße Unterdrücker. Der „Shaft“-Film aus dem Jahr 2000 thematisierte sowohl die erlangten Fortschritte im Kampf gegen Rassismus als auch die weiterhin existierenden gesellschaftlichen Baustellen. Und welchen Kampf sucht sich der neue „Shaft“? In den ersten paar Filmminuten scheint es, als hätten sich die Drehbuchautoren Kenya Barris und Alex Barnow die Mikroaggressionen „der alten Garde“ als Zielscheibe der Kritik herausgesucht: Wenn JJ sich selbst für einen FBI-Einsatz vorschlägt, muss er sich von seinem grantigen Vorgesetzten Vietti (Titus Welliver) eine abfällige Tirade über die feigen, nutzlosen ITler anhören und darüber, dass seine Tochter mit einem Männernamen angesprochen werden müsse.

    Die Genrestandards suggerieren: Die Weltsicht des fiesen, strengen Chefs ist die Perspektive, von der sich unser Protagonist und wir abwenden. Dass JJ zudem in einer anderen, frühen Szene von einem älteren, über Millennials schimpfenden Autofahrer grundlos angepöbelt wird, verstärkt den Gedanken, dass die sogenannte Generation Y die neue, zu Unrecht niedergemachte Gruppe im „Shaft“-Universum ist. Doch dann betritt Samuel L. Jackson die Bildfläche – und die Perspektive wird völlig auf den Kopf gestellt: Mit süffisanten Schnellfeuerwerkdialogen macht Shaft II. unentwegt seinen Sohn nieder – und in nur sehr wenigen Fällen wird suggeriert, dass er zu hart mit ihm ins Gericht geht. Jackson darf mit voll aufgedrehtem Charisma ein Millennial-Klischee nach dem nächsten in der Luft zerreißen, und die Drehbuchautoren legen JJ weder schlagfertige Antworten in den Mund, noch gönnen sie ihrem Protagonisten auf Handlungsebene sonderlich viele Erfolgserlebnisse.

    Drei Generationen Shaft!

    Ein Großteil dieser Action-Komödie läuft so ab, dass JJ mit seiner Vorsicht, seiner Ablehnung gegenüber Waffen, seiner Höflichkeit gegenüber Frauen, seiner Abneigung gegenüber Schimpfwörtern, seiner Obsession, Regeln einzuhalten und seinem gediegen-modernen Mode- sowie Einrichtungsgeschmack als verweichlicht dasteht und die Auflösung des eigentlich im Fokus stehenden Kriminalfalls behindert. Dies ist ein Bruch mit dem bisherigen Ethos der „Shaft“-Reihe, die sich immer auf die Seite der demographischen Gruppe gestellt hat, über die andere gesagt haben: „Was jammert ihr dauernd, so schlecht werdet ihr doch gar nicht behandelt?“ Nun dagegen bekommen die Abwiegelnden Recht zugesprochen, die „Also früher lief das anders ab“-Sager.

    Obendrein streut diese Grundhaltung massig Sand ins Getriebe eines Films, der wie eine Buddy-Actionkomödie aufgebaut ist: Filme wie „Bad Boys“ und „Lethal Weapon“ leben davon, dass sich die von den Hauptfiguren verkörperten Gegensätze ergänzen, dass beide Helden ein bisschen richtig liegen und ein wenig daneben sind. Barris und Barnow dagegen lassen eine Hälfte des Duos nahezu durchweg die Oberhand behalten – einzig ein paar Seitenhiebe darauf, dass Jacksons Shaft das Internet nicht kapiert, lassen JJ mal besser dastehen. Ansonsten setzen seine Heldenmomente voraus, dass er sich vom Old-School-Weg überzeugen lässt, weshalb dieser „Shaft“ in den Charaktersequenzen monoton und damit vorhersehbar gerät.

    Jackson sorgt für Unterhaltung

    Allerdings hat Jackson ein so zielsicheres komödiantisches Timing, dass seine Sprüche und kritischen Blicke durchweg unterhaltsam bleiben. Und selbst wenn Jessie Ushers JJ über weite Strecken des Films der sprichwörtliche Esel vom Dienst ist, kann auch er schauspielerisch durchaus überzeugen: Sein tapsiger, über Gebühr ehrlicher Schreibtischheld erringt sich dank Ushers großäugigem Spiel einige Mitleidslacher. Und so forciert seine Wandlung zum kernigeren Typen auf Skriptebene sein mag – Usher bringt sie mit seinem sich schleichend erhärtendem Gestus überzeugend rüber.

    Tim Storys komödiantisches Händchen ist insofern Fluch und Segen zugleich: Die verbalen Schlagabtausche sind zuweilen in ihrem Duktus sitcomhaft geraten (ein Vorwurf, den sich Story schon bei seinen Superheldenfilmen gefallen lassen musste), und das dürften nur wenige Filmfans von einem „Shaft“-Teil erwarten. Jedoch nimmt Storys größtenteils auf die verbale Pointe zurechtgebogene, in den Actionpassagen übersichtliche, aber wenig Style aufweisende Regieführung dem ständigen Herumtreten auf Millennials etwas Schärfe. Und selbst, wenn ein „Shaft“-Film ohne Schärfe zunächst wie eine absurde Vorstellung klingt, verhindert es in diesem Fall wenigstens, dass dieser Teil entgegen der Franchisetradition in zu regressive Gewässer gerät. Stattdessen ist er eine Kreuzung aus temporeicher Altherrenwitz-Sitcom und Krimi-Procedural mit solidem Kriminalrätsel.

    Fazit: „Shaft“ verbindet wenig mit seinen Vorgängern: Scherze über Millennials statt scharfe Gesellschaftskritik und ein stark runtergeschraubter visueller Style bescheren uns einen Sitcom-„Shaft“, bei dessen Späßen aber größtenteils das Timing sitzt.

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