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    The Death of Stalin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Death of Stalin
    Von Björn Becher

    Armando Iannucci weiß, wie man die Absurditäten des Politbetriebs aufs Korn nimmt. Seine Serie „The Thick Of It“ über einen dauerfluchenden britischen Strippenzieher hinter den Londoner Kulissen der Macht ist brillante Polit-Comedy und das dazugehörige Kino-Spin-off „Kabinett außer Kontrolle“ eine urkomische Satire. Anschließend hat Iannucci den Sprung über den Atlantik geschafft und in der vielfach preisgekrönten Persiflage „Veep“ mit Julia Louis-Dreyfuss das Treiben im Weißen Haus aufs Korn genommen. Nachdem es bei dem Film- und Serienmacher bisher immer um fiktive Personen ging, knöpft er sich nun mit „The Death Of Stalin“ erstmals die ganz reale Politik vor. Sein auf einem Comic von Fabian Nury basierender Ausflug in ein düsteres Kapitel der sowjetischen Diktatur ist genauso böse und schwarzhumorig wie seine Serien, auch wenn er deutlich seltener jene brillanten Dialogfeuerwerke zündet, für die seine TV-Arbeiten berühmt sind. Das mag aber vor allem daran liegen, dass einem das Lachen angesichts des bedrückenden realen Stoffes immer wieder im Halse stecken bleibt.

    Moskau, 1953: Josef Stalin (Adrian McLoughlin) bricht nach einem Schlaganfall in seinem Arbeitszimmer zusammen und wird erst am nächsten Morgen gefunden. Ganz tot ist der Diktator noch nicht, doch seine Vertrauten haben nur noch einen Gedanken: die Nachfolge! Der rückgratlose Ja-Sager Georgi Malenkow (Jeffrey Tambor) übernimmt erst einmal die Geschäfte – so ist es vorgeschrieben. Doch in Wirklichkeit bringt sich der mit allen Wassern gewaschene Geheimdienstchef Lawrenti Beria (Simon Russell Beale) in Stellung. Er schafft es schnell, alles an sich zu reißen und seine Macht zu zementieren. Das sieht vor allem Nikita Chruschtschow (Steve Buscemi) mit größter Sorge: Der Minister fürchtet, von dem Konkurrenten abgemeldet zu werden…

    So konzentriert sich der Regisseur und Autor oft auf die clevere Ausschmückung der Kleinigkeiten am Rande des Machtgerangels und erzielt mit kleinen Gesten und witzigen Details die größte Wirkung. Wenn Chruschtschow während der Beerdigung mit Malenkow die Plätze tauschen will, um sich besser mit einem anderen Parteimitglied unterhalten zu können und dabei überlegt, wie man es anstellen kann, dass es so ausschaut, als gehöre der Stellungswechsel zum Ablauf der Trauerzeremonie, artet das zu einem urkomischen Eiertanz am Sarg des Diktators aus. Sowieso ist es immer wieder Steve Buscemi („Fargo“) mit seiner stilechten Halbglatze, der die besten Momente hat. Wirkt es am Anfang so, als würden seinem Chruschtschow alle Felle davonschwimmen, weil er als einziger wenigstens etwas Herz hat, zeigt er nach und nach seine harten Seiten. Auch und gerade bei ihm haben wir es hinter der witzigen Fassade mit einem kühl und rücksichtslos kalkulierenden Machtmenschen zu tun – daran lässt Iannucci keinen Zweifel.

    Es liegt in der Natur des Stoffes, dass in den Witzen oft unmenschliche Grausamkeit mitschwingt und den brutalen Machtdemonstrationen ihrerseits ein tief absurder Widersinn innewohnt, entsprechend balanciert der Filmemacher seinerseits oft auf einem schmalen Grat. Wenn Beria, der wohl der grausamste Foltermeister überhaupt war, schnell mal beschließt, alle Exekutionen auszusetzen und Gefangene freizulassen, um sich als Mann des Volkes und Gegenentwurf zum Schreckensherrscher Stalin zu profilieren, kommt es zu einem jener vielen Momente, bei denen einem das Lachen im Halse stecken bleibt: Der Befehl zur Einstellung aller Hinrichtungen erreicht ein Erschießungskommando mitten in seiner „Arbeit“. Für ein paar Gefangene kommt er knapp zu spät und einen von ihnen erwischt es nur deshalb noch, weil die Schüsse die Verkündung der Anordnung übertönen. Der erste Überlebende in der Reihe steht derweil nur verdutzt da. Wenige Sekunden bevor er erschossen werden sollte, ist er plötzlich frei, während nur wenige Zentimeter neben ihm die Leiche eines weniger glücklichen Leidensgenossen in einer Blutlache liegt.

    Das Prunkstück von „The Death Of Stalin” sind die Schauspieler. Einmal mehr gibt Armando Iannucci seinen Darstellern viele Freiheiten, lenkt aber zugleich ihre Energie in die richtigen Bahnen. In der englischen Originalfassung dieser russischen Story ist es im ersten Moment etwas befremdlich, dass jeder so redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Aber die Schauspieler bringen ihre sehr unterschiedlichen Akzente zu maximal komischer Wirkung. Neben Buscemi glänzt dabei vor allen anderen Jason Isaacs: Der „Harry Potter“-Star spielt mit unglaublichem Drive einen dauerfluchenden Oberbefehlshaber des Militärs. Eine Freude ist es auch Monty-Python-Mitglied Michael Palin nach rund 20 Jahren mal wieder auf der Kinoleinwand zu erleben. Er verkörpert den von Stalin auf die Abschussliste gesetzten Ex-Außenminister Molotow als wunderbar verzagten Opportunisten und gehört zu einer ganzen Riege erstklassiger Neben- und Kleindarsteller.

    Fazit: Mit großartigen Darstellern und viel Witz zeigt Armando Iannucci in seiner Satire „The Death Of Stalin“ die Abstrusität einer sehr dunklen Epoche.

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