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    Das Alibi - Spiel der Macht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das Alibi - Spiel der Macht
    Von Alexander Friedrich

    Der Kennedy-Clan gehört zu den schillerndsten Familien in den Vereinigten Staaten. Die einst von dem 1888 geborenen Joseph P. Kennedy begründete Dynastie brachte viele einflussreiche Politiker und Geschäftsleute hervor, allen voran den 35. Präsidenten der USA, John F. Kennedy. Die Familie wurde zudem immer wieder von Schicksalsschlägen gebeutelt, sodass in den Medien häufig sogar von einem „Fluch der Kennedys“ gesprochen wird. Vor allem die traumatische Ermordung von JFK 1963, aber auch das tödliche Attentat auf seinen Bruder Robert F. Kennedy 1968 gelten als einschneidende Daten in der US-Zeitgeschichte. Im Politdrama „Das Alibi – Die Kennedy Lüge“ steht nun der dramatische Wendepunkt im Leben und der Karriere des überlebenden Kennedy-Bruders Edward im Zentrum.

    Der von allen nur Ted genannte neue Hoffnungsträger des Clans verursachte 1969 in Chappaquiddick (so heißt der Film auch ebenso schlicht wie passend im Original) einen tödlichen Autounfall, verließ den Ort des Geschehens und kontaktierte erst Stunden später die Polizei. In seiner sehenswerten Verfilmung konzentriert sich Regisseur John Curran („Spuren“) ganz auf die moralischen Aspekte des Geschehens. Dabei erscheint der von Jason Clarke („Planet der Affen: Revolution“) recht unterkühlt verkörperte Politiker, der 2009 einem Krebsleiden erlegen ist, als faszinierend ambivalente und unnahbare Figur.

    Nach dem im Zweiten Weltkrieg gefallenen Joseph und dem ermordeten Präsidenten John, hat Senator Edward „Ted” Kennedy (Jason Clarke) gerade zum dritten Mal einen Bruder verloren, als auch Robert im Juni 1968 erschossen wurde. Sein Cousin und engster Vertrauter Joe Gargan (Ed Helms) sowie andere einflussreiche Mitglieder der demokratischen Partei möchten, dass Ted in die Fußstapfen seiner verstorbenen Brüder tritt und für das höchste Amt im Land kandidiert. Doch er zweifelt. Um ein wenig den Kopf freizukriegen, unternimmt Ted mit Joe und sechs ehemaligen Sekretärinnen von Robert im Juli 1969 einen Ausflug auf die Insel Chappaquiddick in Massachusetts. Dort veranstaltet der 37-Jährige eine ausgelassene Feier und zieht sich schließlich mit Mary Jo Kopechne (Kate Mara) zurück. Auf dem Heimweg verliert der angetrunkene Politiker plötzlich die Kontrolle über seinen Wagen, das Auto stürzt ins Wasser. Ted kann sich zwar aus dem sinkenden Wrack befreien, aber Mary Joe ertrinkt…

    Der Film beginnt mit einem Fernseh-Interview, in dem Edward kurz nach dem Mord an Robert über den Verlust des Bruders spricht. Damit wird gleich der Fokus auf die Gedanken und Gefühle des Protagonisten gelegt, und dieser Schwerpunkt wird auch im weiteren Verlauf des Films beibehalten. Hier geht es zentral darum, wie Ted Kennedy die Dinge sieht und erlebt. Ohne große Umwege geht es dabei zur Insel Chappaquiddick und zum Unfallgeschehen, das Regisseur John Curran ganz eindeutig als einschneidendes Ereignis in Szene setzt, nach dem für den Unglücksfahrer nichts mehr wie vorher ist. Der etwas reißerische deutsche Titel wird dem nüchternen Ton des trotzdem spannenden Films dabei nicht gerecht, mit dem Stichwort Lüge wird aber sein wichtigstes Motiv angedeutet: Schuld.

    Kennedys Verhalten in und nach der Unfallnacht (das ihm im Übrigen eine Bewährungsstrafe einbrachte) wird hier nicht entschuldigt oder beschönigt, sondern steht in seiner Feigheit und seinem Egoismus im krassen Gegensatz zu den Werten, für die der mit dem Beinamen „Löwe des Senats“ geschmückte Hoffnungsträger der demokratischen Partei als Politiker gekämpft hat. Das Faszinierende an Jason Clarkes Porträt ist nun, dass er die Hauptfigur als so zwiespältig anlegt, dass wir nur ahnen können, in welchem Maße Kennedy Schuldgefühle hatte oder ob bei ihm eher Verbitterung über die Folgen, den der „dumme Fehler“ für ihn hatte, vorherrschte. Die Kamera begleitet Ted Kennedy mit stoischer Ruhe auf Schritt und Tritt, doch wirklich schlau wird man aus der Figur auch nach fast zwei Stunden nicht. Er leidet unter der Ablehnung des Vaters und den Erwartungen an ihn als einen Kennedy, gleichzeitig macht er sich das mit dem Namen verbundene Anspruchsdenken ganz selbstverständlich zu eigen.

    So ist „Das Alibi“ nicht nur ein Film über Schuld, sondern auch einer über Berühmtheit und ihre ganz spezifische amerikanische Spielart. Da die inneren Konflikte weitgehend im Verborgenen bleiben, kommt das Emotionale dabei allerdings kaum zum Tragen. Es gibt kein Eintauchen in Familienintrigen, keine verzweifelten Zusammenbrüche, auch keine kaltherzigen Komplotte. Wer mit der Geschichte der Kennedys gar nicht vertraut ist, bekommt hier kaum eine einordnende Hilfestellung, auch die Nebenfiguren wie die von „Hangover”-Star Ed Helms rechte Hand Joseph und Kate Mara („House Of Cards”, „Der Marsianer”) als Unfallopfer Mary Joe erhalten nur wenig Raum zur Entfaltung. Einzig Bruce Dern („Nebraska“) mit seinem kurzen Auftritt als gelähmtes und von seinem Sohn enttäuschtes Familienoberhaupt Joseph Kennedy durchbricht die nüchterne Zurückhaltung des Films für kurzen Moment. Im Zentrum aber steht Ted und über ihm ein Fragezeichen, eine faszinierende Leere.

    Fazit: „Das Alibi - Die Kennedy Lüge” überzeugt mit einer angenehm zurückhaltenden, etwas lehrbuchartigen, aber aufschlussreichen Inszenierung. Die Hauptfigur Edward Kennedy bleibt dabei bis zuletzt ein Rätsel, dessen unterschiedliche Facetten viel über eine der berühmtesten Familien Amerikas und ihr Land erzählen.

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