Mein Konto
    Ma'Rosa
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ma'Rosa
    Von Michael Meyns

    Es gibt Regisseure, deren Filme erkennt man nach ein, zwei Einstellungen. Egal in welchem Milieu und zu welcher Zeit ihre Handlung angesiedelt ist, sie sind geprägt von einem ganz markanten, unverwechselbaren Stil. Der Philippiner Brillante Mendoza („Kinatay“, „Lola“), dessen Drama „Ma' Rosa“ nun im Wettbewerb von Cannes 2016 Premiere feierte, ist so ein Regisseur. Und nicht nur an den unruhigen, roh wirkenden digitalen Bildern lässt sich Mendozas Werk schnell erkennen, auch inhaltlich bleibt der Filmemacher seinen Themen treu und legt eine weitere Studie der Abgründe Manilas vor. Zunächst führt Mendoza seine Titelheldin Ma Rosa ein, doch sehr bald erweitert sich seine Perspektive und er wirft einen ungeschönten Blick in die Welt von Kriminalität, Drogen und Korruption, die sich durch alle Sphären einer Gesellschaft zieht, in der es kaum noch Mitmenschlichkeit gibt.

    Ma Rosa betreibt zusammen mit ihrem Mann und vier jugendlichen Kindern einen kleinen Laden in einer ärmlichen Gegend der philippinischen Hauptstadt Manila. Sie verkauft Bonbons, Cola und anderen Kleinkram, vor allem aber auch Drogen. Als sie bei einer Razzia festgenommen und auf ein inoffizielles Polizeirevier gebracht wird, beginnt das Verhandeln - Ma Rosa hat die Wahl: Entweder sie geht ins Gefängnis oder sie zahlt ein hohes Schmiergeld. Ersatzweise kann sie auch einen Dealer verraten …

    Es ist immer wieder verblüffend, welch unglaubliche Wahrhaftigkeit und Authentizität Brillante Mendozas Filme ausstrahlen: Obwohl seine Hauptdarstellerin Jaclyn Rosa ein Star des philippinischen Kinos ist und bereits in über hundert Filmen und vor allem Fernsehserien mitgespielt hat, wirkt sie hier wie die Protagonistin einer Dokumentation. In schlabbrigen Kleidern scheucht sie ihre Kinder durch die Gegend, verhandelt mit Gläubigern, versucht die Polizisten zu erweichen. Die wiederum sind sich ihrer Machtposition allzeit bewusst und bemühen sich gar nicht erst um einen Anschein von Rechtsstaatlichkeit. Wenn immer wieder das Polizei-Motto „Service, Honor, Justice“ eingeblendet wird, wirkt das geradezu zynisch. Mendoza betrachtet die philippinische Gesellschaft mit schonungslosem Blick und taucht einmal mehr tief in das Sündenbabel ein, das er dabei vorfindet. Unbescholten ist hier niemand. Eine Hand verrät die andere sozusagen, jeder ist sich selbst der Nächste.

    In dieser skrupellosen Welt, wie sie Mendoza skizziert, bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke. Zwar sind die katholischen Symbole und Parolen in dem strenggläubigen Land und damit auch im Film allgegenwärtig, aber von den christlichen Werten ist kaum etwas zu spüren. Wenn da die Kinder Ma Rosas versuchen, Geld aufzutreiben, um die Eltern vor dem Gefängnis zu bewahren, wenn sie die wenigen Wertsachen und bald auch sich selbst verkaufen, scheinbare Freunde anbetteln und oft auf hämische Reaktionen stoßen, offenbaren sich die Abgründe einer völlig verrohten, unmoralischen Welt. Das filmt Mendoza, ohne zu moralisieren, ohne den Zeigefinger zu heben, ohne falsches Pathos – aber doch mit viel Empathie für die „kleinen“ Leute.

    Fazit: Einmal mehr entwirft der philippinische Regisseur Brillante Mendoza in seinem neuen Film „Ma' Rosa“ in seinem typischen eindringlichen, fast dokumentarischen Stil ein Panorama der Korruption und des moralischen Verfalls.

    Wir haben „Ma' Rosa“ im Rahmen der 69. Filmfestspiele von Cannes gesehen, wo der Film im Wettbewerb gezeigt wurde.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top