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    90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden
    Von Thomas Vorwerk

    Der Konflikt zwischen Israel und Palästina scheint so festgefahren, dass in den Augen der internationalen Beobachter wenig Hoffnung auf Schlichtung oder auch nur neue Annäherung besteht. Da wirkt die Idee, die seit Generationen andauernden Feindseligkeiten, die im Laufe der Jahre unzählige Opfer gefordert haben, kurzerhand durch ein sportliches Kräftemessen zu beenden, reichlich absurd. Zugleich aber ist sie von einer tiefen Fortschrittlichkeit beseelt und wird dadurch zum idealen Stoff für eine Satire wie Eyal Halfons Mockumentary „90 Minuten - Bei Abpfiff Frieden“ - hier soll die grenzübergreifende Wohnortverteilung tatsächlich durch ein Fußballspiel zwischen Israel und Palästina entschieden werden. Das gibt den Filmemachern Gelegenheit die festgefahrenen Positionen und Haltungen aufzuspießen. Sie lassen eine gute Handvoll Protagonisten unter den Augen fiktiver Kamera-Teams die groteske Entstehungsgeschichte dieses „90-Minuten-Kriegs“ durchleben. Das ist auch ohne Kenntnis der Arbeitsregel und ohne Detailwissen über den Nahostkonflikt ein spannendes Vergnügen.

    Die Direktoren der beiden Nationalmannschaften (Moshe Ivgy und Norman Issa) können sich weder über den Schiedsrichter noch über die Modalitäten des auf neutralem Grund (in Portugal!) auszutragenden Spiels einigen - nur auf streng persönlicher Ebene, wenn etwa einem das Medikament gegen Sodbrennen ausgeht, scheint eine Verständigung möglich. Die internationale Fußballvereinigung „IFA“ versucht zu schlichten, der extra aus Deutschland eingeflogene Trainer der israelischen Mannschaft (Detlev Buck spielt Herrn „Muller“, eine ergraute Eminenz im schlecht sitzenden Trainingsanzug) wird mit einem Crash-Kurs in Landesgeschichte konfrontiert, Grenzkontrollen erschweren das Trainingslager der Palästinenser und schließlich kommt es zum Skandal, als einer der Spieler kurzfristig die Mannschaft wechseln will. Das ist gelegentlich recht albern, meist aber sehr amüsant und dabei erschreckend treffend, erzählerische Misstöne gibt es in dieser trotz diverser Nebenschauplätze wie dem Wohnzimmer des portugiesischen Stadionchefs erstaunlich geradlinigen und von einem packenden Soundtrack vorangepeitschten Komödie kaum.

    Die Filmemacher verschließen nicht die Augen vor der Realität und so bestimmen Engstirnigkeit, kaum kaschierte Anschuldigungen und weitreichende Unwissenheit die Atmosphäre des erfundenen Medienereignisses – zugleich wirkt schon das dazugehörige Plakatdesign (eine rotgrüne Friedenstaube vor blau-weißem Grund trägt im Schnabel neben dem Olivenzweig noch einen Fußball) durchdachter und stilsicherer als anderswo ganze Drehbücher. Absurdität und bitterer Ernst gehen immer wieder Hand in Hand, etwa wenn die Regularien für das Spiel schließlich soweit aufgeweicht werden, dass die „Nationalspieler“ nur noch nachweisen müssen, in den zwei Jahren vor dem Match zumindest zwei Wochen im jeweiligen Land zugebracht zu haben – woraufhin die Israelis flugs die Grenzen schließen. Schließlich meistern die Filmemacher auch die größte dramaturgische Herausforderung, die hier natürlich in der endgültigen Auflösung liegt, sehr souverän und „90 Minuten“ erweist sich als vielleicht beste Mockumentary seit Woody Allens „Zelig“.

    Fazit: Der Konflikt zwischen Israel und Palästina wird in dieser satirischen Mockumentary bissig und hellsichtig aufs Korn genommen – auch für Fußball-Muffel unbedingt sehenswert.

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