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    Golden Exits
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Golden Exits
    Von Thomas Vorwerk

    Independent-Regisseur Alex Ross Perry, der schon 2015 mit „Queen Of Earth“ beim Forum der Berlinale zu Gast war und nun zwei Jahre später dorthin zurückkehrt, dreht gern komplizierte Filme über eigentlich einfache Personen. In „Golden Exits“ scheint er sich sogar vorgenommen zu haben - glaubt man einem Filmzitat -, sich „gewöhnlichen Leuten, die nichts tun“ zu widmen. Aber unter der unauffälligen Oberfläche verbirgt sich dann doch eine ganze Menge: In seiner ebenso dialoglastigen wie subtilen New-York-Komödie „Golden Exits“ erzählt der Filmemacher von Arbeits-, Familien- und Liebesbeziehungen, die durch eine junge Frau aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Für aufmerksame Betrachter ist „Golden Exits“ ein Fest.

    Die australische Austauschstudentin Naomi (Emily Browning aus „Sucker Punch“) beginnt in Brooklyn ein Praktikum beim etwas älteren Nick („Beastie Boy“ Adam Horovitz), der den Nachlass seines verstorbenen Schwiegervaters archiviert. Nicks Frau Alyssa (Chloe Sevigny, „Love & Friendship“) und deren Schwester Gwen (Mary-Louise Parker, „R.E.D.“) überwachen nicht nur den zunehmend schleppenden Arbeitsfortschritt argwöhnisch, wegen früherer Verfehlungen ihres Gatten ist Therapeutin Alyssa auch sehr eifersüchtig auf die junge und attraktive Naomi, die sich ihrer Wirkung auf Männer durchaus bewusst ist und sie entsprechend einzusetzen weiß. Das gilt auch für ihre Treffen mit Buddy (Jason Schwartzman), der mal bei einem Familienbesuch viel Eindruck auf sie machte, als sie ein Kind war, nun aber glücklich mit Jess (Analeigh Tipton) verheiratet ist. Deren Schwester Sam (Lily Rabe) ist wiederum die Assistentin von Gwen, was nicht ohne Folgen bleibt…

    Die Figurenkonstellation des Films könnte aus einem älteren Woody-Allen-Film der Marke „Der Stadtneurotiker“ oder „Manhattan“ stammen. Mit Ausnahme der Staub aufwirbelnden jungen Australierin haben wir es mit Mitgliedern einer kreativen, aber neurotischen New Yorker Mittelschicht zu tun, die wie in einem dramaturgischen Versuchsaufbau in Spannungsverhältnisse gesetzt werden: zwei Ehepaare, bei denen es durch Naomi plötzlich um Eifersucht, Vertrauen und Betrug geht. Dazu zwei junge Assistentinnen und ihre anstrengenden Chefs (hier wird die Einsicht illustriert, dass sich eine künstlerische Berufung nicht immer ohne Umwege finden lässt). Bei all dem sind die Männer eher Nebensache, im Zentrum stehen Naomi und die zwei Schwesternpaare – und damit gleich fünf reizvolle Frauenfiguren.

    Vor allem Naomi trifft hier (ob bewusst oder unbewusst) hin und wieder fragwürdige Entscheidungen, woraus die Filmhandlung ihre Spannung schöpft. Die Australierin wirkt dabei nicht wie eine Schurkin, sondern wie eine Femme fatale wider Willen (Nick bezeichnet sie mal als „Todesfalle für Loser wie uns“). Auch mit diesen milde moralisierenden Untertönen erinnert „Golden Exits“ an einen frischzellenbehandelten Woody Allen, gleichzeitig ist dies aber ebenso eine Art grunderneuerte Jane-Austen-Geschichte (ohne die obligatorische Hochzeit am Schluss), gleichsam eine Art Fortführung von Whit Stillmans „Love & Friendship“ (ebenfalls mit Chloe Sevigny).

    Unsere bereits aufs Wesentliche beschränkte Nacherzählung schlägt nur eine Schneise in die fast schon überladene Handlung. Wichtige Aussagen und Details sind manchmal regelrecht im dicht gewobenen Gesprächsteppich versteckt - ein komplexes Geflecht, das ein wenig an die vielstimmigen Meisterwerke von Robert Altman wie „Nashville“ oder „Short Cuts“ erinnert. Alex Ross Perry erzählt viel über Generationsunterschiede und Machtverhältnisse, die entscheidenden Nuancen und Regungen kann der aufmerksame Betrachter dabei in den Gesichtern der exzellenten Darsteller ablesen. Verstärkt durch die warm-grobkörnigen New-York-Bilder von Kameramann Sean Price Williams sowie den holzbläserlastigen, sich unauffällig in den Gehörgang schleichenden Soundtrack von Keegan DeWitt bekommt der ansonsten zuweilen emotional recht unterkühlt wirkende Reigen dabei eine Spur jener unbeschwerten Schwermütigkeit, die der Franzose Eric Rohmer einst zu seiner Spezialität gemacht hat.

    Fazit: Mit seiner New Yorker Ensemblekomödie „Golden Exits“ wandelt Alex Ross Perry auf den Spuren von Woody Allen, Jane Austen und Eric Rohmer.

    Wir haben den Film im Rahmen der Berlinale 2017 gesehen, wo „Golden Exits“ im Forum gezeigt wird.

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