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    Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel
    Von Lars-Christian Daniels

    In ihren 26 gemeinsamen Dienstjahren teilten die Münchner „Tatort“-Kommissare neben dem Büro im Polizeipräsidium und der mittlerweile ergrauten Lockenpracht noch eine weitere Gemeinsamkeit: Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) sind stets Junggesellen geblieben. Das heißt allerdings nicht, dass die beiden Kult-Ermittler in den vergangenen Jahrzehnten nicht mal auf Tuchfühlung mit dem weiblichen Geschlecht gegangen wären: Während Batic zum Beispiel 1999 im „Tatort: Das Glockenbachgeheimnis“ mit der im Glockenbachviertel aufgewachsenen Frieda Helnwein (Iris Berben) anbandelte, verliebte sich Leitmayr zwei Jahre später im „Tatort: Im freien Fall“ unsterblich in die Hobby-Malerin Anne Mars (Jeanette Hain), die am Ende dieses überragenden Krimidramas ums Leben kam. Bis heute sind die beiden Polizisten Singles, doch im „Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel“ darf Batic nun mal wieder einen Vorstoß bei einer Frau wagen. Der überraschend spannungsarme Sonntagskrimi von Regisseur Rainer Kaufmann ist allerdings eine herbe Enttäuschung – was weniger an Batic‘ Affäre als vielmehr am zähen Abarbeiten vieler „Tatort“-Standardmomente und einer erschreckend schwachen Auflösung liegt.

    In der Einfahrt eines Münchner Mietshauses findet Therese Heimerl (Marlene Morreis), die mit ihrem Mann Max (Wowo Habdank) und den Kindern in einer Zweizimmerwohnung lebt, ihre tote Nachbarin: Verena Schneider wurde mit einem Kissen erstickt. Eine heiße Spur führt die Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die vom im Umzugsstress steckenden Assistenten Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) und von Gerichtsmediziner Dr. Matthias Steinbrecher (Robert Joseph Bartl) unterstützt werden, zum Lebensgefährten des Opfers: Thomas Jacobi (Martin Feifel) hat sich kurz vor der Tat mit seiner Partnerin gestritten, kann für die Zeit danach aber ein Alibi vorweisen. Der Architekt bleibt nicht der einzige Verdächtige, denn er hatte offenbar nicht nur ein Verhältnis mit Schneider, sondern auch mit deren bester Freundin Nicole Büchner (Hanna Scheibe), der polyamor lebenden Psychologin Dr. Julia Stephan (Anna Schäfer), und mit seiner Hausärztin Dr. Andrea Slowinski (Juliane Köhler). Jacobis Angestellte Anna Marie Fritsch (Genija Rykova) hatte ebenfalls ein Auge auf ihren Chef geworfen. Batic wiederum hat sich in eine Affäre mit der verheirateten Josie Cremer (Viola Wedekind) gestürzt, die ihn den Ermittlungsstress schnell vergessen lässt   ...

    Schon nach wenigen Minuten dürften sich viele Stammzuschauer verwundert die Augen reiben: Hat Batic schon wieder eine neue Flamme? Erst Ende April gingen der Münchner Ermittler und sein Schwarm Ayumi Schröder (Luka Omoto) im herausragenden „Tatort: Der Tod ist unser ganzes Leben“ getrennte Wege, nachdem das Vertrauensverhältnis zu seinem langjährigen Kollegen Leitmayr in den Grundfesten erschüttert wurde. Drei Wochen und zwei dazwischen ausgestrahlte „Polizeiruf 110“-Folgen ist von Abschiedsschmerz nichts zu spüren: Im „Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel“ ist wieder alles so wie immer, denn die Handlung knüpft in keiner Hinsicht an den aufwühlenden Vorgänger an. Die Erklärung dafür ist einfach: Der Film von Rainer Kaufmann („Operation Zucker“) wurde bereits einige Monate früher gedreht, wird nun aber zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt – eine weitere nur schwer nachvollziehbare Entscheidung der ARD-Programmplaner, die dem Zuschauer in der ersten Jahreshälfte 2017 bereits zahlreiche Rätsel aufgaben. Die Bettgeschichte von Batic und Cremer entwickelt dann auch wenig Tiefgang: Ein bisschen nackte Haut, ein bisschen Turtelei zwischen den Laken – das war’s.

    Schnell verfestigt sich der Eindruck, dass Drehbuchautorin Katrin Bühlig („Zweimal lebenslänglich“) die Liaison in erster Linie in die Geschichte geschrieben hat, um damit eine der ältesten „Tatort“-Regeln zu befolgen: Was den Ermittlern bei ihren Nachforschungen im Kriminalfall begegnet, wird oft in ihrem Privatleben gespiegelt (wie zuletzt im Kölner „Tatort: Nachbarn“). Auch sonst schalten die Filmemacher im 1022. „Tatort“ über weite Strecken auf Autopilot. So liegt die erste Leiche zum Auftakt bereit, die zweite nach einer knappen Stunde, dazwischen gibt es unzählige Befragungen und ein halbes Dutzend Verdächtige, von denen eine vorübergehend aus dem Blickfeld gerät: Kaufmanns zweiter Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe (nach dem deutlich gelungeneren Münchner „Tatort: Der Wüstensohn“) ist ein Krimi, nach dem man die Uhr stellen kann und bei dem in erster Linie spannungsscheue Zuschauer mit Freude an der Tätersuche Gefallen finden dürften. Die gipfelt aber in einem mehr als enttäuschenden Finale - so vorhersehbar die eine Hälfte der schwachen Auflösung ist, so hanebüchen gerät die andere. Und am Ende driftet der Film dank des aberwitzigen Tatmotivs sogar in die unfreiwillige Komik ab.

    So schlecht hat man den Münchner „Tatort“ schon lange nicht mehr gesehen, und es ist vor allem den sympathischen Hauptfiguren zu verdanken, dass der 76. Fall von Batic und Leitmayr nicht zum kompletten Fehlschlag wird: Die altgedienten Kommissare harmonieren einmal mehr prächtig und locken ihren aufgeweckten Assistenten Kalli regelmäßig aus der Reserve („Tja, Kalli – was fragt der Fernsehkommissar jetzt?“). Der schießt genauso gern zurück und versucht unter anderem, seine eigene Mutter mit Dauer-Single Leitmayr zu verkuppeln. Kinostar Juliane Köhler („Der Untergang“) wird in ihrer eindimensionalen Nebenrolle als Hausärztin unterdessen ähnlich wenig gefordert wie sonst in ihrer Rolle als Psychologin Lydia Rosenberg im „Tatort“ aus Köln, während man sich bei Thomas Jacobi (Martin Feifel, „Ein offener Käfig“) fragt, was denn nur all die betrogenen Frauen an einem solchen Unsympathen finden mögen. Der gekonnt eingestreute Dialogwitz bei den Befragungen der vier noch lebenden Liebhaberinnen sorgt aber zumindest für den einen oder anderen Lacher („Sie haben kein Zeugnisverweigerungsrecht. Wenn, dann höchstens ein Fünftel.“). Dem Thrill-Faktor ist der stellenweise sehr seichte Tonfall allerdings nicht dienlich: Das Spannungsbarometer schlägt in diesem unterdurchschnittlichen „Tatort“ kein einziges Mal nach oben aus.

    Fazit: Rainer Kaufmanns „Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel“ ist der schwächste Münchner „Tatort“ seit Jahren.

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